München: Was Münchner Kliniken tun, um Vergewaltigungsopfern zu helfen – München | ABC-Z

„Ich möchte bitte dringend eine Frauenärztin sprechen.“ Wenn eine Frau diesen Satz am Empfang der Notaufnahme spricht, ist das ein Code. Und ein Hilferuf. Sie ist dann vermutlich Opfer sexualisierter Gewalt geworden. Und sie erhofft sich nur eines: traumasensibel und gut medizinisch versorgt zu werden.
Sieben Frauenkliniken in München kennen diesen Code, haben Ärzte, Ärztinnen und Pflegefachkräfte geschult und zusammen mit dem Gesundheitsreferat, der Rechtsmedizin der LMU und der Beratungsstelle Frauennotruf München Qualitätsstandards zusammengestellt, damit eine Akutversorgung nach einer Vergewaltigung geschützt möglich ist.
Laut Sicherheitsreport der Münchner Polizei werden 300 Vergewaltigungen jährlich registriert. Jede siebte Frau in Deutschland ist Opfer eines schweren sexuellen Übergriffs. „Aber nur jede zweite Frau spricht über den Vorfall“, sagt Maike Bublitz, Geschäftsführerin des Frauennotrufs München. Aus Scham, aus dem Gefühl heraus, selbst eine Mitschuld zu tragen, und vor allem aus Angst, dass man ihr nicht glauben könnte. Ein niedrigschwelliges Angebot, das jeder Frau in einer solch schwierigen Situation Hilfe und eine medizinische Versorgung garantiert, sei der erste Schritt, um sich nach einer Vergewaltigung überhaupt „zu öffnen“.
Seit 2020 gibt es in München die Akutversorgung nach einer Vergewaltigung. Drei Jahre lang haben alle Beteiligte ein Konzept erarbeitet, das seit Oktober 2023 mit Aufklärung und Information, Öffentlichkeitskampagnen, einheitlichen Dokumentationsbögen und Spurensicherungskits an den Kliniken umgesetzt wird. Spurensicherungskits, die das Gesundheitsreferat München an die Kliniken liefert.
„Das Konzept funktioniert inzwischen sehr gut“, sagt Christian Lechner, Oberarzt der Frauenklinik der München Klinik Harlaching. Eine Frau, die in der Notaufnahme den Code-Satz spreche, werde sofort an die diensthabende Ärztin weitergeleitet. Auch versuche man sie in einen geschützten Raum zu bringen und „schnell“ bei ihr zu sein. „Alles darf die Frau sagen, alles ablehnen“, sagt Lechner. Keinesfalls dürfe sie einen „zweiten Kontrollverlust“ erleben.
Annemarie Aiyeju, Trauma-Fachberaterin des Frauennotrufs, macht deutlich, wie wichtig dieser sensible Umgang sei. „Die Verletzung durch die Tat, das gewaltsame Eindringen im Schoßraum – sich im Krankenhaus erneut zu öffnen und Untersuchungen zuzulassen, ist ein sehr schwerer Schritt.“ Deswegen dürften Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden seien und sich überhaupt trauten, in die Klinik zu gehen, auch nicht abgewiesen werden, sagt Lechner. „Passiert das, haben wir verloren. Sie werden diesen Schritt nicht noch einmal gehen.“
Bei der Untersuchung im Krankenhaus wird die Patientin zunächst akut versorgt. Es wird über eine Notfall-Verhütung gesprochen, auf sexuell übertragbare Infektionen untersucht. Im zweiten Schritt, wenn es die Frau möchte, ist eine vertrauliche Spurensicherung möglich. Sie ist wichtig, um eine eventuelle Anzeige zu unterstützen. gerichtsfeste Befunde zu haben. Spermaspuren werden gesichert. Mithilfe eines „speziellen Stempels“, der unter anderem im Spurensicherungskit enthalten ist, könnten sogar „Abriebe am Körper“ und auf der Kleidung nach DNA-Spuren untersucht werden, erklärt Oberarzt Lechner. Einen Fotobeweis, der intime Körperteile preisgibt, können die Frauen ablehnen. „Wie alle anderen Maßnahmen auch“, sagt der Arzt.
Die Spuren innerhalb von 72 Stunden sichern zu lassen, erfordert Mut. Zwei Jahre werden sie aufbewahrt. Solange haben Frauen Zeit, sich zu überlegen, ob sie eine Anzeige erstatten wollen.
Nur ein Prozent der Täter wird laut Frauennotruf verurteilt
„Beweise sind wichtig“, sagt Opferanwältin Barbara Kaniuka. Aber sie ist ehrlich. Eine Spurensicherung bedeute nicht automatisch, dass die Beweisführung leicht werde. In vielen Fällen reichten die Beweise nicht aus, könne nicht eindeutig geklärt werden, ob der Sex einvernehmlich gewesen sei oder nicht. „Aber immer muss die Frau beweisen, dass sie Nein gesagt hat“, ergänzt Annemarie Aiyeju.
Traumatherapien, die Frauen machen, um ihr Leben nach einer Vergewaltigung überhaupt wieder leben zu können, könnten „Erinnerungen verzerren“. Eine Begründung, die zum Beispiel die Verteidigung oft ins Spiel bringe, sagt Kaniuka. Aber ist das wirklich so? Deshalb wünscht sie sich, dass Richterinnen und Richter noch mehr „geschult würden“. Denn nur ein Prozent der Täter wird laut Frauennotruf tatsächlich verurteilt.
Auch wenn Aufklärung und Information nicht genug sein können – in München funktioniert die Akutversorgung nach einer Vergewaltigung immer besser. Die Zahlen der Frauen, die an den sieben Kliniken wie den München Kliniken Harlaching, Neuperlach und Schwabing, den LMU-Kliniken Innenstadt und Großhadern, dem TU-Klinikum rechts der Isar und dem Klinikum Dritter Orden eine vertrauliche Spurensicherung gemacht haben, ist stetig gestiegen. Im Jahr 2021 waren es zwölf, 2022 schon 61, ein Jahr später 88 und 2024 dann 104 Frauen. Das reiche „noch lange nicht“, sagt Maike Bublitz. Die Dunkelziffer sei immer noch zu hoch. „Und jede Vergewaltigung ist eine Vergewaltigung zu viel.“





















