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Fußball-WM 2034: Saudi-Arabien ist nicht der einzige problematische Gastgeber | ABC-Z

Der Fall von Manahil al-Utaibi zeigt, wie wenig man dem saudi-arabischen Rechtssystem trauen kann – allen Beteuerungen von Kronprinz Mohammed bin Salman zum Trotz. Der hatte, als er 2017 zum faktischen Herrscher des Landes aufgestiegen war, eine gesellschaftliche Öffnung propagiert. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus.

Al-Utaibi (29) ist Fitnesstrainerin und Influencerin. Vor einem guten Monat wurde die Frau, die sogar lange Zeit in der Hoffnung auf eine Liberalisierung zu den Anhängern von bin Salman gezählt werden konnte, zu elf Jahren Haft verurteilt. Im vergangenen September war sie verhaftet worden – wegen eines „Terrorverbrechens“, wie die saudische Regierung damals auf Nachfrage eines UNO-Sonderberichterstatters erklärt hatte. Dies jedoch besteht in erster Linie darin, dass sich Al-Utaibi u.a. in Videos in Jeans und T-Shirt und ohne das traditionelle arabische Überkleid gezeigt hatte – und zudem Aufrufe gestartet hatte, das System männlicher Vormundschaft zu beenden.

Dies ist laut Dana Ahmed, Menschenrechtsaktivisten von Amnesty International mit dem Schwerpunkt Golfstaaten, alles anderes als ein Einzelfall in Saudi-Arabien – dem Land, in dem die sehr wahrscheinlich die Fifa-Weltmeisterschaft 2034 stattfinden wird. Am Dienstag lief die Bewerbungsfrist für die Fußall-Welt-Turniere 2030 und 2024 ab. Für 2030 gibt es nur eine gemeinsame Bewerbung von Marokko, Portugal und Spanien. Für 2034 ebenfalls nur einen Anwärter: Saudi-Arabien. Vor allem dort ist die Lage in Bezug auf Grund-, Menschen- und Arbeitsrechte katastrophal.

Zu diesem Schluss ist Amnesty International (AI) gekommen. Die Organisation veröffentliche einen Bericht über die Situation in den Ausrichterländern – er liest sich wie eine Ohrfeige für den Fußball-Weltverband. „Mit nur jeweils einem Bewerber hat sich die Fifa ein Eigentor geschossen“, sagte Steve Cockburn von AI. Es sei dringend an der Zeit, „dass die FIFA klarmacht, dass sie erwarte, dass die Bewerber sich zu globalen Menschenrechten bekennen und mit Menschenrechtsorganisationen zusammenarbeiten.“ Schließlich hatte sich die Fifa verpflichtet, dieses Versprechen von jedem Bewerber einzufordern.

Kafala-System erntet Kritik

Davon kann in Bezug auf Saudi-Arabien – zumindest bis jetzt – jedoch keine Rede sein. Dies sei auch entscheidender Unterschied zu Katar, wo 2022 die letzte WM ausgetragen worden war. Auch in dem Emirat sei die Situation bezüglich rechtlicher Standards unzureichend gewesen. In Katar konnten sich Menschenrechtsorganisationen aber vor Ort beispielsweise von der Situation der Arbeiter auf den Stadien-Baustellen sowie deren oftmals erschreckend unzureichenden Unterbringungen ein Bild machen. „In Katar konnten wir recherchieren. Dort haben wir erreicht, dass es gewisse Arbeitsreformen gab – wenn ich auch genug“, so Cockburn: „In Saudi-Arabien ist viel weniger möglich. Wir haben keinerlei Zugangsmöglichkeiten.“

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Das, was trotzdem bekannt ist, zeichnet ein Bild, das kaum den Anforderungen genügt, die die FIFA selbst – offiziell zumindest – stellt. In Saudi-Arabien herrscht – wie in Katar – das „Kafala“-System. Dabei wird das Aufenthaltsrecht der Gastarbeiter – vorwiegend aus Afrika und Südostasien kommend – an den Arbeitsvertrag geknüpft. Die Folge ist Abhängigkeit und Ausbeutung. Exzessive Arbeitszeiten, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Lohndiebstahl und Gewaltanwendung sind die Folgen. Hinzu kommen indiskutable Löhne. 2021 wurde in Saudi-Arabien ein Mindestlohn eingeführt: Er beträgt umgerechnet 1,067 US-Dollar. Wer sich darüber beschwert, dem wird häufig der Pass eingezogen.

Hinzu kommen massive Einschränkungen der Meinungsfreiheit – die auch vor Fußballfans nicht haltmachen. So würden im Februar Anhänger verhaftet, weil sie ein bei einer islamischen Minderheit, textlich vollkommenes harmloses, Volkslied im Stadion ihres Klubs Al Safa gesungen haben. Sie bekamen zwischen sechs Monaten und einem Jahr Gefängnis.

Auch in Portugal und Spanien Probleme

Besonders schwierig ist die Situation für Frauen – was auch für Frauen, die als Fans die WM bereisen könnten, eine Bedrohung darstellen könnte. „Sowohl saudische als auch ausländische Frauen laufen Gefahr, unfaire oder unverhältnismäßige Anklagen zu bekommen“, heißt es in dem AI-Bericht. So steht etwa außerehelicher Sex unter Strafe, was besonders Frauen hart bestraft wird. Außerdem sei es nicht selten, dass Vergewaltigungsopfer, wenn sie Anzeige erstatten sollten, von behördlicher Seite eingeschüchtert werden. Zudem gibt es immer wieder Anklagen gegen Frauen wegen der Auswahl ihrer Kleidung.

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Nach der offiziellen saudischen Interpretation der islamischen Sharia steht auch Homosexualität unter Strafe. Gleichgeschlechtliche Liebe, Feminismus und Atheismus gelten als „extremistische Ideen“, so die Behörde für Staatssicherheit, „die mit Gefängnis oder Auspeitschen“ geahndet werden.

Amnesty International sieht die Fifa als Ausrichter der Weltmeisterschaften in der Pflicht

Quelle: dpa/Mike Egerton

Mit Saudi-Arabien und Marokko, des Teil der Bewerbung für die WM 2030 ist, gibt es vermutlich zwei Ausrichter-Länder mit erheblichen Missständen. Doch auch Spanien und Portugal haben problematische Felder: Diskriminierungen gegenüber Einwanderern und Homosexuellen gehören dazu. In Spanien ist zudem eine nach internationalen Standards völlig indiskutable Ausweitung der Arbeitszeit von Bauarbeiten festzustellen – auch auf Stadien-Baustellen.

Vor allem aber Saudi-Arabien ist höchst problematisch. Amnesty International mahnt die Fifa deshalb, ihre Verantwortung endlich ernstzunehmen – und durchzusetzen, dass die Saudis mit Menschenrechtsorganisationen kooperieren.

„Die Fifa ist nun gefordert, dem von ihr selbst formulierten Schutz von Menschenrechten Geltung zu verschaffen und endlich Schritte zu unternehmen“, sagte Ronan Evan, Direktor der Vereinigung Europäischer Fußball-Fans: „Es wäre ein erster Schritt um den bereits angeschlagenen Ruf der Weltmeisterschaften 2030 und 2034 bei den Fans zu retten.“

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