Fußball: Andrés Iniesta spricht über Depression und den FC Barcelona | ABC-Z

Andrés Iniesta gilt als einer der besten Mittelfeldspieler der Fußballgeschichte. In einem Buch schreibt der langjährige Profi des FC Barcelona nun eindrücklich über die dunklen Abgründe seines Erfolges. Es geht um Depression. Und den Tod eines Freundes.
Andrés Iniesta, 40, lebt so, wie er spielte. Er spricht mit derselben Ruhe und Sanftheit, mit der er den Ball behandelte. Der Spanier hatte stets den festen Willen, nach vorn zu blicken, die Arbeit zu beenden, das Begonnene abzuschließen. Schon mit zwölf Jahren, als er sich entschloss, sein Elternhaus zu verlassen, um Fußballer zu werden. Und mit 24, als ihn eine Dunkelheit überkam, mit der er nicht gerechnet hatte.
Heute spricht er über jene Ängste und Zweifel, die aufkamen, während die Fans des FC Barcelona noch das Tor gegen den FC Chelsea aus London an der Stamford Bridge bejubelten und ganz Spanien seinen Siegtreffer in Südafrika feierte – das Tor, das ihn „unsterblich“ machte.
Und gleichzeitig so menschlich. Eine Depression hatte ihn 2009 ereilt, im Jahr, in dem sein Freund Dani Jarque starb. Darüber schreibt er nun in seinem Buch Der Kopf spielt mit. „Ich habe mich immer wohlgefühlt, darüber zu sprechen. Ich habe mich nie geschämt, über Dinge zu reden, die in meinem Leben nicht rosig waren. Sie gehören zu mir“, gesteht er.
Frage: Im Buch erzählen Sie, wie Sie mit zwölf Jahren beschlossen, Ihre Familie zu verlassen und allein nach La Masia in Barcelona zu ziehen. Wie hat Sie diese Entscheidung geprägt?
Andrés Iniesta: Ich würde sagen, es gibt zwei Seiten. Die sportliche und familiäre Seite, die hätte nicht besser laufen können. Und die persönliche Seite, die hat ihren Preis gefordert – für mich und wahrscheinlich auch für meine Familie. Wegen der Trennung, wegen der Art, wie ich die Dinge verarbeitet habe. Ich bin überzeugt: Solche Entscheidungen muss man am Ende bezahlen.
Frage: Trotz dieser Dunkelheit, wie Sie sie nennen, trotz der Depression, sagen Sie, dass Sie immer Trost im Fußball gefunden haben. Ihre Liebe zum Spiel steht im Gegensatz zu Aussagen wie „Ich hasse Tennis“ von Agassi oder anderen, die sich vom Wettbewerb distanziert haben, um gesund zu bleiben. Wie konnten Sie diese zwei Welten trennen?
Iniesta: Weil der Fußball mein Leben war, meine Leidenschaft, mein Ausdrucksmittel – dort war ich am glücklichsten. Das war der Teil, der mir half, diesen inneren Schmerz zu lindern, den ich nicht hinausließ oder irgendwie zu verbergen versuchte. Diese zwei Welten existierten nebeneinander. Und der Fußball gewann. Bis sich mit der Zeit das Blatt wendete und die innere Welt sagte: „Hey, ich bin auch noch da.“
Frage: Der Sport bricht allmählich das Tabu – endlich wird über mentale Gesundheit gesprochen.
Iniesta: Es hat sich viel verbessert. Nicht nur, weil öffentliche Personen darüber sprechen, was anderen hilft, sich wiederzuerkennen, sich auszudrücken, darüber zu reden. Aber es ist noch ein weiter Weg, denn es ist schwer zu sagen, dass es einem nicht gut geht. Es gilt oft als Zeichen von Schwäche.
Frage: Warum lehnen es manche Sportler noch ab, sich psychologische Hilfe zu suchen?
Iniesta: Weil wir alle unterschiedlich sind. Jeder verarbeitet die Dinge unterschiedlich. Es ist nicht leicht, jemanden zu finden, bei dem man sich gut aufgehoben fühlt. Ich war immer zehn Minuten vor meiner Sitzung mit der Psychologin da – aber andere finden diesen Draht nicht. Deshalb spreche ich immer nur aus meiner Perspektive, gebe keine Ratschläge. Ich erzähle einfach meine Geschichte. Wenn jemand das liest und sich darin wiederfindet, ist das wunderbar.
Frage: Wie war die Atmosphäre in einer Fußballkabine vor zehn, 15 Jahren? Wie nötig war es, Schmerz und Zweifel zu verbergen, um in einem so harten Umfeld zu bestehen?
Iniesta: Die Atmosphäre war großartig. Aber jeder hatte seine eigene Welt. Ich hatte das Glück, einen Trainer und ein Team zu haben, die meine Bedürfnisse verstanden. Nicht alle erleben diese Nähe. Es gibt Trainer, die sagen: „Wenn du nicht trainierst, spielst du nicht.“
Frage: Haben Sie damals mit dem Trainer, Pep Guardiola, darüber gesprochen?
Iniesta: Ja, Trainer und Trainerstab wussten es von Anfang an. Und dass ich ins Training kam, es aber manchmal nicht zu Ende bringen konnte, weil es mir schlecht ging, war hilfreich. Sie waren beteiligt und haben mir geholfen. Ohne dieses Verständnis wäre es praktisch unmöglich gewesen, da herauszukommen.
Frage: Sie verließen den FC Barcelona auf dem Höhepunkt – bevor Sie ein Nebendarsteller wurden. Wie schwer ist es, den richtigen Moment zu finden, um zu gehen?
Iniesta: Man weiß nie genau, wann der richtige Zeitpunkt ist. Aber damals fühlte ich es so – wie es mir ging, was ich kommen sah. Es hätte auch anders laufen können, denn ich hatte hier große Stabilität. Die Entscheidung zu gehen war schwerer als die, zu bleiben. Aber ich wusste, wenn ich es klar spüre, dann ist es meine Entscheidung und ich werde dazu stehen.
Frage: Sie hörten ja nicht auf – Sie wollten weiterspielen und gingen nach Japan. Ein perfekter Ort für Harmonie?
Iniesta: Es war eine der schönsten Überraschungen meines Lebens, auch für meine Familie. Beruflich und privat. Zum ersten Mal gingen wir ins Ausland, und das hat uns als Familie sehr zusammengeschweißt. Es war eine Entscheidung in letzter Minute – wir wollten eigentlich nach China, aber das verzögerte sich, und dann kam das Projekt in Japan. Sie wollten etwas Schönes aufbauen. Auch wenn der Anfang hart war, haben sie uns mit viel Dankbarkeit aufgenommen. Wir fühlten uns dort sehr heimisch. Fünf Jahre, großartige Jahre.
Frage: Und mit all diesen Erfahrungen, Ängsten, Umzügen gründen Sie eine Familie mit fünf Kindern. Wie schaffen Sie das?
Iniesta: Ich habe keine Antwort. Da müsste man ein eigenes Buch schreiben. Wir versuchen einfach, das Beste daraus zu machen. Die Kinder verstehen sich gut, sie sind lieb, haben ihre wilden Momente – manchmal sind die sogar willkommen. Es ist schwer vorstellbar, ich weiß, aber es geht uns gut. Und natürlich spielt meine Frau dabei eine entscheidende Rolle. Daran besteht kein Zweifel.
Frage: Sie werden am Samstag nicht in La Cartuja sein können für das Pokalfinale, aber wie sehen Sie den FC Barcelona?
Iniesta: Ich bin optimistisch. Sie können den ersten Titel der Saison holen. Ich sehe das Team in Topform, mit Selbstvertrauen für die entscheidenden Spiele dieser letzten Monate – und das ist das Schwierigste.
Frage: Was gefällt Ihnen am Team unter Flick am meisten?
Iniesta: Was sie auf dem Platz ausstrahlen. Diese Freude, das Tempo, die Abstimmung, die Vitalität im Spiel. Was am meisten auffällt, ist dieses Gefühl: Das ist ein lebendiges Team – mit Seele, mit Lust. Und natürlich mit Qualität.
Frage: Wann sehen wir Andrés Iniesta als Trainer?
Iniesta: Es dauert noch. Ich bin noch ganz am Anfang. Aber es gefällt mir – und ich würde es gern werden.
Dieser Text erschien zuerst in der spanischen Tageszeitung „El Pais“.