Fürstenfeldbruck: Schwieriger Abschied vom Auto – Fürstenfeldbruck | ABC-Z

„Das Zentralorgan der Deutschen muss seine Position in den Städten verlieren“, sagt Christian Stangl (Grüne), Zweiter Bürgermeister von Fürstenfeldbruck – und meint damit das Auto. In den Jahren 1950 bis 1980 habe die Vorstellung, alles müsse mit dem Pkw erreichbar sein, die Städte zerstört. Wer die Zentren wieder attraktiver machen wolle, für Händler wie Besucher, müsse den Fußgängern wieder mehr Raum geben. Die europäische Mobilitätswoche, die vom 16. bis 22. September stattfindet, sei dafür ein guter Beitrag, lobt Stangl. Zumal die Veranstalter in Fürstenfeldbruck als Zugabe zu einem freiwilligen autofreien Sonntag am 21. September aufrufen.
Stangl spricht bei der Pressekonferenz der Organisatoren. Versammelt sind Vertreter der Kommune und des Landratsamts, des ADFC, der IG Lichtspielhaus, der Bürgerstiftung des Landkreises sowie die beiden Kreisräte Max Keil (ÖDP) und Gottfried Obermair (FW), die das Projekt autofreier Sonntag vor Jahren gestartet haben. „Irgendwann wollen wir das auf ganz Bayern ausdehnen“, sagt Obermair.
Tatsächlich tut der Landkreis Fürstenfeldbruck einiges, um die Verkehrswende voranzutreiben. Der Kreis gibt rund dreizehn Millionen Euro im Jahr für 58 Buslinien und Ruftaxen aus, sagt der Energie- und Umweltreferent Keil. Es gibt fast 500 Haltestellen, von denen 67 zu Mobilitätspunkten umgebaut wurden, wo man Fahrräder und Lastenräder ausleihen oder sein Rad aufpumpen kann. Tausende von Fürstenfeldbruckern strampeln jedes Jahr bei der Aktion Stadtradeln mit. Heuer legten mehr als 5000 Teilnehmer in drei Wochen rund 813 000 Kilometer zurück.
Nicht schlecht, von Verkehrswende kann gleichwohl nicht die Rede sein. Die Zahl der Autos wächst stetig, dabei geht es nicht um Feuerwehr, Krankenwagen oder Handwerker-Fahrzeuge, sondern Pkw für den individuellen Transport. 2016 waren im Landkreis mehr als 117 000 Autos zugelassen, im vergangenen Jahr waren es mehr als 125 000. Aktuellere Zahlen hat die Zulassungsstelle nicht.
„Die Zahlen steigen allein deswegen, weil der Landkreis wächst“, sagt Tobias Lexhaller, bei der Bürgerstiftung zuständig für den Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit. Er verweist auf eine bundesweite Statistik, wonach die Zahl der gefahrenen Kilometer pro Auto sinke. Eine halbe Million Liter Benzin und Diesel würden jeden Tag im Landkreis verbraucht, da helfe jeder Umstieg. Deshalb sei es ein Fortschritt, wenn das Auto mal stehen bleibt oder wenigstens Elektroantrieb hat. Laut Zulassungsstelle waren es im Vorjahr 4885 Elektroautos.
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Der ADFC ist im Landkreis seit 40 Jahren aktiv. Es geht darum, den Spaß am Radeln zu fördern und die Infrastruktur zu verbessern, sagt Adi Stumper vom Vorstand. Das sei langwierig. Er verweist auf die Kreisstraße FFB 17 von Emmering nach Fürstenfeldbruck, die eine neue Radspur bekommt, seit 2017 hat der ADFC sich dafür eingesetzt. „Ich bin manchmal frustriert, ja, aber umso mehr motiviert“, sagt Stumper.
Die meisten in der Runde setzen auf einen allmählichen Bewusstseinswandel. „Das ist ein langwieriger Prozess mit kleinen Erfolgen“, sagt Annegret Mitterer von der Stabsstelle öffentliche Mobilität im Landratsamt. Die europäische Mobilitätswoche diene dazu, den Bürgern Angebote vorzustellen und Hemmschwellen abzubauen.
Am autofreien Sonntag, 21. September, bietet das Landratsamt den ganzen Tag Gratisfahrten auf seinen Buslinien, ebenso in den Landkreisen Starnberg und Bad Tölz-Wolfratshausen. In Fürstenfeldbruck organisiert Mobilitätsmanagerin Montserrat Miramontes ein Fest bei der Aumühle mit Rikscha-Rundfahrten und Lastenwagen-Wettrennen. Der ADFC lädt zu einigen Touren ein, das Lichtspielhaus zeigt um 16 Uhr den Film „25 Stundenkilometer“ über zwei Brüder, die mit dem Mofa auf die Reise gehen, mit freiem Eintritt für Radfahrer. Am Dienstag, 16. September, wird in Fürstenfeldbruck das neue Carsharing-Angebot einer Firma vorgestellt.
Eltern sind für Montag zum autofreien Schultag aufgerufen
Zu einem autofreien Schultag rufen die Organisatoren außerdem am Montag, 22. September, auf. Dass viele Eltern ihren Nachwuchs mit dem Auto bei Schulen und Kindertagesstätten abliefern, sorgt vielerorts für morgendliches Verkehrschaos und Ärger, etwa bei der Grundschule Süd in Puchheim. An dem Tag jedenfalls sind alle aufgerufen, mal zu Fuß, mit Rad, Roller oder Bus zu kommen.
Keiner denkt jedenfalls ans Aufgeben. „Wir sind stolz auf das, was wir zusammen geschafft haben, auch wenn es in der großen Politik gerade einige Rollen rückwärts geht“, sagt Keil. Er möchte künftig die Sportvereine einbeziehen. „Wenn wir aufhören, versandet das Thema Klima bis zur nächsten Umweltkatastrophe“, warnt Obermair. „Der Mensch ist träge, es geht darum, das Bewusstsein zu schärfen“, sagt der Kommunalpolitiker. Die Brucker Aktiven leisteten Aufklärung für die nächste Generation. Er glaubt, dass Kinder und Jugendliche schon eine andere Einstellung hätten.