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Fürstenfeldbruck: Brachvogelküken vermutlich durch Mähmaschine getötet – Fürstenfeldbruck | ABC-Z

„Wenn die Küken sich da aufgehalten haben, wo gemäht wurde, hatten sie keine Chance.“ Heike Demant vom Bund Naturschutz in Maisach klingt sehr traurig und auch erbost, als sie das sagt. Die Vögel, um die sie trauert, sind zwei junge Brachvögel, vielleicht zwei Wochen alt. Sie lebten auf dem ehemaligen Fliegerhorst Fürstenfeldbruck, an den auch die Gemeinde Maisach grenzt. „Das ist ein europäisches Schutzgebiet, und dann wird einfach so gemäht“, klagt Demant.

Die Wiesen am Fliegerhorst bilden ein FFH-Gebiet und sind in einem so guten Zustand, dass sie für den Großen Brachvogel wieder zu einem Brutgebiet geworden sind. Die Schnepfenvögel mit den langen Schnäbeln sind in Bayern selten geworden und in ihrem Bestand bedroht. Deshalb hat sich die Biologin Demant auch richtig gefreut, als 2022 einige Brachvogel-Paare nach Jahrzehnten nicht nur zum Fliegerhorst zurückkehrten, sondern auch erfolgreich gleich drei Küken großziehen konnten.

Drei Jahre lang hatten die Vogeleltern danach Pech mit dem Wetter, konnten wegen Regen und Hagel keine Jungen großziehen. Doch in diesem Frühjahr gab es erneut zwei Brachvogel-Babys. Am 14. Juni entdeckte Demant sie. Doch ihre Freude währte nur bis zum 16. Juni. Denn an diesem Tag, einem Montag, fuhr ein Landwirt auf die Flächen und mähte bis auf ein Teilstück alles ab. Die noch flugunfähigen Küken seien dabei aller Wahrscheinlichkeit nach getötet worden, sagt Demant.

Jedenfalls seien sie danach nicht wieder gesehen worden, und die Eltern benähmen sich auch nicht mehr so, als hätten sie Junge. Bei einer Schnitthöhe von fünf Zentimetern auf zehn Meter Breite hätten die Küken nicht flüchten können. „Die Mähmaschinen hört man nicht kommen, die sind optimiert und sehr leise“, erläutert die Biologin. Sie befürchtet, dass auch junge Hasen und Rehkitze getötet wurden – in einem Schutzgebiet.

Naturschutzbehörde war im kritischen Zeitpunkt nicht erreichbar

Dabei treffe den Landwirt keine Schuld, er habe nur nach seinem Auftrag gehandelt. Die Fliegerhorst-Wiesen müssen regelmäßig gemäht werden, um ihren Wert zu erhalten. Und der Zeitpunkt, ab dem das erlaubt ist, ist der 15. Juni. Sind aber Tiere, vor allem schützenswerte, auf den Flächen dadurch gefährdet, muss auf sie Rücksicht genommen werden. Das ist Demant zufolge im Bundesnaturschutzgesetz so geregelt.

Ein Großer Brachvogel im Landeanflug auf den ehemaligen Fliegerhorst. 2022 sind die Vögel dorthin zurückgekehrt. Sie wärmen sich gerne auf den ehemaligen Landebahnen. (Foto: privat)

Demnach müssten die Flächen vor der Mahd abgesucht werden. Die Höhe, auf der die Messer schneiden, muss auf 15 bis 20 Zentimeter erhöht und es soll von innen nach außen gemäht werden, damit Tiere flüchten können. Tiere, die schon da sind, müssen rechtzeitig verjagt werden. Vor allem sollten die Menschen auf das Verhalten der Elterntiere achten, die mit Warnrufen anzeigen, wo ihre Küken sind.

„Keine dieser Empfehlungen wurde umgesetzt“, schreibt Demant in einem Brief an die Naturschutzbehörden, der der SZ vorliegt. Dass die untere Naturschutzbehörde im kritischen Zeitraum telefonisch nicht zu erreichen war, nennt sie nicht akzeptabel. „Der Schutz von Brutvögeln darf nicht an mangelnder personeller Verfügbarkeit scheitern“. Die untere Naturschutzbehörde im Fürstenfeldbrucker Landratsamt ist seit Jahren personell schlecht besetzt.

Wie das Landratsamt auf Anfrage mitteilt, liegen der Behörde keine Erkenntnisse vor, dass Brachvogel-Küken getötet wurden. In den vergangenen Jahren habe es ebenfalls Befürchtungen gegeben, dass die Brachvögel-Küken durch die Mahd beeinträchtigt oder getötet worden seien. „Nach der Mahd im Jahr 2023 konnten jedoch zwei Brachvogel-Familien mit Jungvögeln gesichtet werden.“ Das spreche dafür, dass die Brachvögel damals den Mähwerken zumindest teilweise ausweichen konnten.

Die Wiesen müssen für den Artenschutz gemäht werden

Die untere Naturschutzbehörde weist darauf hin, dass die Mahd unverzichtbar ist. Sonst würde in dem Wiesenbrütergebiet wieder Wald entstehen. „Die Mahd findet hier grundsätzlich für den Artenschutz statt“, heißt es. Wegen des Auftauchens der Brachvögel im Jahr 2022 sei schon ein späterer Termin für die Fläche festgelegt worden, auf der sich die Vögel bevorzugt aufhalten. Diese sei auch bis jetzt nicht gemäht worden. Leider sei es nicht möglich, bestehende Verträge mit Landwirten während der Laufzeit zu ändern, da sonst die staatliche Förderung für die Naturschutzmaßnahmen wegfallen würde.

Der Bund Naturschutz – neben Demant die Kreisvorsitzende Eugenie Scherb – fordert nun eindringlich Konsequenzen aus dem wahrscheinlichen Verlust der Küken: Wie und vor allem wann die Wiesen gemäht werden, müsse an die Brutaktivitäten des Großen Brachvogels angepasst werden. Insbesondere solle nicht vor dem 15. Juli gemäht werden, also einen ganzen Monat später als bisher. So könne die Phase, in der die Küken heranwachsen, sicher abgedeckt werden.

Wo schon im Juni gemäht werden müsse, um spezielle Wiesen zu erhalten, müssten zuvor Schutzmaßnahmen ergriffen werden. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass ausgerechnet in einem so besonderen Gebiet wie dem FFH-Gebiet Fliegerhorst ohne Rücksicht auf Verluste früh und tief gemäht wird – sprich die Jungvögel fast sicher getötet werden.“

Im FFH-Gebiet leben auch Wanzen und Käfer, die sonst in Bayern nicht gefunden wurden

Die Verantwortlichen werden aufgefordert, den Vorfall ernst zu nehmen und durch entsprechende Maßnahmen Vergleichbares für die Zukunft auszuschließen. Aus der Antwort der Naturschutzbehörde kann man durchaus schließen, dass die Fachleute dort den Schutz der Brachvögel ernst nehmen. Sie müssen andererseits auch das gesamte FFH-Gebiet und den Schutz aller Arten im Blick haben. So gibt es auf den Wiesen nicht nur seltene Vögel, sondern auch seltene Wanzen und sogar Käfer, die bisher nirgendwo sonst in Bayern gefunden wurden.

Die flächendeckende Mahd ist also grundsätzlich erforderlich. Daran zweifeln die Vertreterinnen des BN auch gar nicht. Und auch sonst ist man eigentlich nah beieinander. Denn zum Abschluss schreibt die Behörde über die Mahd: „Die Zeitpunkte müssen für die 2022 aufgetauchten Brachvögel noch angepasst werden.“ Das könne voraussichtlich erfolgen, wenn 2025 und 2026 die Vereinbarungen nach dem Vertragsnaturschutzprogramm verlängert werden.

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