Fünf Punkte, die zum Aus des FC Bayern gegen Inter Mailand geführt haben | ABC-Z

Mailand – Leise lief im Hintergrund etwas Musik, runtergedimmt und gedämpft – passend zur Atmosphäre. Der verpasste Halbfinal-Einzug des FC Bayern in der Champions League durch das 2:2 im Rückspiel bei Inter Mailand führte zu einer Leere sowie andererseits einem gewissen Stolz und Trotz. Dieser Mix war auf dem Mitternachtsbankett im Mannschaftshotel “Meliá Milano” zu spüren.
In diese gemischte Stimmung sprach Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen mit ruhiger Stimmung Worte, die Trost spenden sollten: “Wir hatten alle diesen Traum vom Finale dahoam, vom Titel dahoam, wie ich mal gesagt habe auf der Jahreshauptversammlung. Er ist geplatzt. Und wir alle sind sehr traurig darüber.” Dreesen fand: “Wir haben dieses Duell wahrscheinlich mit dem zweiten Gegentor in München verloren.” Mit dem späten 1:2 als Thomas Müller kurz zuvor das 1:1 erzielt hatte und die Mannschaft danach zu schnell zu viel wollte. Fehlende Cleverness, fehlende Reife.
Hoeneß: “So eine Serie von schweren Verletzungen habe ich noch nie erlebt”
Was hat sonst noch zum Ausscheiden geführt? Seit dem letzten Champions-League-Triumph unter Cheftrainer Hansi Flick 2020 schied Bayern in fünf Jahren viermal im Viertelfinale und einmal im Halbfinale (letzte Saison gegen Real Madrid) aus. Eine AZ-Analyse:
- die Verletztenmisere: Ehrenpräsident Uli Hoeneß sagte in gewisser Weise einem Ausscheiden vorbauend am Sonntagabend bei “Blickpunkt Sport”: “So eine Serie von schweren Verletzungen habe ich noch nie erlebt.” Fünf, sechs Stammspieler (Jamal Musiala, Alphonso Davies, Dayot Upamecano, Hiroki Ito, Manuel Neuer) fallen monatelang aus, das könne keine Mannschaft verkraften.
FC Bayern hatte keinen Ersatz für Harry Kane
- die Kaderplanung: Das eine bedingt immer das andere – siehe oben. Dennoch fällt den Bayern nun die strategische Entscheidung, im Wintertransfer-Fenster Januar keinen Ersatz für Stürmer Mathys Tel verpflichtet zu haben, auf die Füße. So musste Thomas Müller als Mittelstürmer-Ersatz einspringen, wenn Harry Kane überbelastet war. Oder neben dem Briten in den Angriff. Ein Tel, der an Tottenham Hotspur ausgeliehen wurde (man erhofft sich im Sommer einen Verkauf für rund 50 Millionen Euro), hätte gutgetan – ebenso ein Typ wie früher Eric Maxim Choupo-Moting.
- das Belastungsmanagement in den heißesten Wochen: Wieder bedingt Punkt zwei den dritten Punkt. Trainer Vincent Kompany konnte nicht so viel rotieren wie er dies gerne getan hätte. Zum Vergleich: Inter-Coach Simone Inzaghi konnte am Wochenende in der Serie A gegen Cagliari (3:1) gleich sechs Spieler aufbieten, die zuvor beim 2:1 in München nicht oder nur wenig gespielt hatten. Bei Bayern war es lediglich Müller für Raphael Guerreiro.
Kompany-Fußball ist spektakulär, aber auch riskant
- das unnötige Körner herschenken: Im Vergleich zur Hinrunde konnte man in der Bundesliga keine klaren Siege mehr herausspielen, quälte sich ab Januar mit wenigen Ausnahmen (5:0 gegen Hoffenheim, 4:0 gegen Frankfurt) meist. “Wir müssen aus unseren Vorteilen das Ergebnis ziehen, das geht uns extrem ab”, bemängelte Kimmich und sagte: “Es ist schon ärgerlich, wenn man sieht, wie oft wir in Führung gehen und zehn Minuten später fangen wir Tore und geraten sogar in Rückstand.” Individuelle Fehler in der Defensive, fehlender Killerinstinkt in der Offensive.
- der kraftraubende Kompany-Fußball: Und wieder bedingt der letzte Punkt diese Tatsache. Denn nur, wenn die Mannschaft das von den Spielern geschätzte Kompany-System des mannorientierten Pressings im besten Modus durchzieht, kommen sie an ihre Leistungsgrenze. Dieser Fußball ist spektakulär, aber auch riskant. Pluspunkt für Kompany: Kein Vergleich zu Thomas Tuchels Sicherheits- und Umschaltdenken. In der Champions League aber scheiterten die Bayern an Inzaghis Pragmatismus-Fußball.
Eberl blickt bereits voraus: “Wir werden das Ding wieder angreifen”
“Am Ende stehe ich immer hier und bemängelte die Effizienz vorne und die Tatsache, dass wir hinten zu viele Gegentore bekommen”, bemerkte Kimmich in Mailand im Gespräch mit den Reportern. Seine Schlussfolgerung: “Es ist zu oft der Fall, dass wir nicht als Sieger vom Platz gehen, obwohl wir das Gefühl haben, die bessere Mannschaft gewesen zu sein.” Das generelle Problem der Champions-League-Saison, die Sportvorstand Max Eberl in einem Anflug von Nächstenliebe als “gut” bezeichnete laut Kimmich: “Deutlich zu viele Niederlagen in Europa.”

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Dreesen betonte, man müsse diese Mailänder Nacht “erst verdauen”. Doch allzu lange darf das Aus, nach dem DFB-Pokal der zweite verspielte Titel, nicht in den bayerischen Mägen liegen. “Die Champions League ist die Kirsche, nicht die Torte”, meinte der Vorstandsboss und erklärte: “Die Torte ist die Meisterschaft. Und da haben wir noch fünf Spiele vor uns.” Nun gehe es, so Eberl darum, am Samstag beim Auswärtsspiel in Heidenheim “wieder parat zu sein, um wenigstens die deutsche Meisterschaft einzutüten”. Wenigstens.
“Im Moment ist es natürlich hart”, sagte Kompany, verwies aber auf die Klub-WM der Fifa in den USA im Juni und Juli. Doch noch eine Chance auf einen Titel nach der regulären Saison – auch für den scheidenden Thomas Müller. Und Eberl blickte bereits auf die kommende Saison in der Königsklasse. “Wir werden das Ding wieder angreifen.”