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Fünf Lehren aus den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen | ABC-Z


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Stand: 15.09.2025 16:59 Uhr

Gewinne, Verluste, Prozente – der Wahlsonntag ist vorbei. Es gab eine Reihe von spannenden Lehren bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen. Es geht um die beiden “Volksparteien”, aber auch um Grüne und AfD.

Erkenntnis 1: Die kommunale Demokratie lebt

Das Interesse der Wahlberechtigten an den NRW-Kommunalwahlen stieg erstmals seit Jahrzehnten spürbar an. Die Wahlbeteiligung lag laut Landeswahlleiterin bei 56,8 Prozent und damit deutlich über der von 2020 (51,9 Prozent). Zuletzt hatte es 1994 einen höheren Wert bei NRW-Kommunalwahlen gegeben – wobei damals am selben Tag auch die Bundestagswahl stattfand, was zu einer außerordentlich hohen Beteiligung von fast 82 Prozent führte.

Der bemerkenswerte Anstieg bei den Wahlen 2025 lässt sich durchaus als Zeichen dafür werten, dass die kommunale Demokratie in NRW lebt. Und: Die allermeisten Wählerinnen und Wähler stimmten für Parteien, die eindeutig demokratisch sind – und nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Erkenntnis 2: Das langsame Abschmelzen der Volksparteien

SPD-Chefin und Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas am Wahlabend in ihrer Heimatstadt Duisburg

Manche politische Beobachter aus der Hauptstadt schienen schon im Laufe des Wahlsonntags sichtlich das Interesse an den NRW-Kommunalwahlen zu verlieren. Denn die große Abrechnung der Wähler im bevölkerungsreichsten Bundesland mit der schwarz-roten Merz-Klingbeil-Regierung ist ausgegeblieben – trotz des deftigen “Bullshit”-Streits um die Zukunft des Sozialstaats.

Christ- und Sozialdemokraten in NRW schnitten verglichen mit den bundesweiten Umfrageergebnissen ihrer Parteien relativ stabil ab. Aber: Der schleichende Niedergang der sogenannten Volksparteien geht weiter. Bei den NRW-Kommunalwahlen 2004, auch damals waren es politisch aufgewühlte Zeiten mit heftigen Auseinandersetzungen um Gerhard Schröders Agenda 2010, kamen CDU und SPD zusammengerechnet noch auf etwa 75 Prozent der Wählerstimmen.Gut 20 Jahre später sind es für die beiden “Großen” addiert nur noch 55 Prozent.

Sehen so Sieger aus? CDU-NRW-Generalsekretär Paul Ziemiak

Nordrhein-Westfalen sei nicht mehr das Land, das die großen Volksparteien “unter sich aufteilen”, sondern es seien “neue Spieler” hinzugekommen, analysiert der Politikwissenschaftler Stefan Marschall von der Uni Düsseldorf. Die Verluste von CDU und SPD im Vergleich zu vor 20 Jahren seien “schon dramatisch”.

Erkenntnis 3: Die “blaue” AfD-Megawelle blieb aus

Die AfD hat ihr Ergebnis bei den NRW-Kommunalwahlen fast verdreifacht. Das ist einerseits ein Wahlerfolg. Doch zugleich verriet der Gesichtsausdruck von so manchem AfD-Vertreter am Wahlabend, dass man sich einiges mehr ausgerechnet hatte. Mit landesweiten 14,5 Prozent lag die AfD hinter ihrem Ergebnis bei der diesjährigen Bundestagswahl in NRW. Da waren es 16,8 Prozent der Zweitstimmen in Nordrhein-Westfalen gewesen. Und in den aktuellen bundesweiten Umfragen liegt die AfD noch weit höher.

Gelsenkirchen: Norbert Emmerich (AfD, l), Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters, schaffte es in die Stichwahl

Viel mediale Aufmerksamkeit gab es für das Abschneiden der Partei in Gelsenkirchen, wo sie bei der Bundestagswahl im Februar bei den Zweitstimmen knapp vor der SPD gelegen hatte. In der Ruhrgebietsstadt schaffte es die AfD in die Bürgermeister-Stichwahl, landete aber bei der Wahl des Stadtrats trotz massiver Zugewinne hinter den Sozialdemokraten.

In etlichen NRW-Großstädten spielt die Partei keine große Rolle. In Münster erreichte die AfD nur 4,5 Prozent, in Aachen waren es überschaubare 7,7 Prozent, in Bonn 6,0 Prozent. In vielen nordrhein-westfälischen Kleinstädten und Gemeinden trat die AfD noch nicht einmal an. Da der allgemeine Rechtsruck kein rein deutsches Phänomen ist, dazu ein internationaler Vergleich: Die ähnlich migrationsfeindliche Reform-UK-Partei hatte bei den letzten englischen Kommunalwahlen viele Sitze und sogar Mehrheiten in Stadträten gewonnen.

Erkenntnis 4: Stichwahlen sind die neue Normalität

Das Parteiensystem verändert sich und fächert sich auf – nicht nur wegen der AfD. Das zeigt sich gerade bei Wahlen ohne Fünf-Prozent-Hürde wie den Europa- und Kommunalwahlen. Und auch die Wahlen der (Ober-)Bürgermeister und Landräte gehen deshalb vielerorts in die Verlängerung – fast 150 mal landesweit. Am 28. September finden dort Stichwahlen statt.

Gerade bei den OB-Wahlen sind viele Paarungen dabei: Grüne gegen SPD (Köln), SPD gegen AfD (Duisburg und Gelsenkirchen), CDU gegen AfD (Hagen), CDU gegen Grüne (Aachen, Bonn, Düsseldorf, Münster) – und natürlich der alte Klassiker CDU gegen SPD (Dortmund, Essen, Krefeld, Mülheim/Ruhr, Wuppertal).

Stichwahlen sind also die neue Normalität. Dabei wird es neue, spontane Wählerbündnisse geben. Eins scheint dabei klar: Die demokratischen Parteien wollen ihre Anhänger aufrufen, auf jeden Fall gegen AfD-Bewerber zu stimmen.

Erkenntnis 5: Die Grünen sind zurück auf Normalmaß

2020 war das Jahr der Grünen. Bei den Kommunalwahlen holte die Partei in den NRW-Kommunen satte 20 Prozent – und sicherte sich mehr als ein Dutzend Chefposten in den Rathäusern. Dass der damalige grüne Hype vorbei ist, zeigte sich schon bei der diesjährigen Bundestagswahl.

Es kommt hinzu, dass die Grünen in NRW offenbar keinen Amtsbonus wegen ihrer Beteiligung an der Landesregierung haben. Umfragen zeigen, dass ihre Kabinettsmitglieder in Düsseldorf eher unbekannt und/oder unbeliebt sind. Trotz ihrer markanten landesweiten Verluste von 6,5 Prozentpunkten am Wahlsonntag hoffen die Grünen nun aber auf Erfolge bei den Stichwahlen in zwei Wochen.

Unsere Quellen:

  • eigene Recherchen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Marschall im Sender “Phoenix”

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