Geschichten am Fluß: Ein draller Erzählstrom | ABC-Z

Wie so mancher der Flüsse, die darin vorkommen, mäandern auch die Geschichten im Erzählband „Vom Wesen der Flüsse“ durch die Welt. Der Autor Stefan Schomann hat den Colorado in den USA, den Nu Jiang in China, den Ubangi im Kongo, die Loisach in Bayern, den Amazonas in Brasilien besucht. Es sind nur einige seiner Stationen. „Kurze und lange sind darunter, bekannte und unbekannte, schmächtige und muskulöse. Ihre Persönlichkeit könnte unterschiedlicher nicht sein; Hauptsache sie bergen Geschichten“, schreibt der Autor in seiner Danksagung. Wie in seinem vorherigen Buch „Auf der Suche nach den wilden Pferden“ beschreibt Schomann Weltgegenden, wo man eher selten hinkommt, und sammelt die Geschichten dazu. Reportagen, die oft schon woanders oder kürzer veröffentlicht wurden.
Schomann ist ein guter Erzähler, seine dralle Sprache entlockt noch jeder Einöde erzählenswerte Details. Hinzu kommt eine akribische Beobachtungsgabe, die der Autor zu dichten, nahen Erzählungen formt. Es reist sich angenehm an seiner Seite.
Es sind Geschichten von Bord eines Kreuzfahrers, Frachters oder im Kanu, die der Autor durchaus selbst reflektierend den Lesern präsentiert. Es sind keine Reisen im „Karacho-Modus“, – das größte Abenteuer ist Untertauchen im Strudel beim Wildwasserpaddeln auf dem Trishuli –, vielmehr ist es ein zielloses Umherschweifen auf den Wasseradern dieser Welt. „Ein Stück menschliches Treibholz“, wie Schomann den Reiseautor Joanthan Raban zitiert.
Herausgekommen ist ein Panoptikum unterschiedlichster Kultur- und Naturräume, die die Ufer der Flüsse säumen. Historische und gesellschaftliche Entwicklungen der Regionen werden genauso eingefangen wie die Geschichten anderer Reisender, die darüber geschrieben haben.
Dort, wo die Erzählung im Hier und Jetzt ankommt, zeigt sich der touristische Ausverkauf der Flüsse, ihre Einbuchtung als verkehrstüchtige Wasserwege, zur Energieversorgung, oder ihr vollständiges Verschwinden mit dem Vorrücken der großen Städte. Am Lauf der Flüsse spiegelt sich die Entwicklung der Welt. Und da kommt ihr „Wesen“ oft nur durch den vertieften Blick auf ihre Geschichte und ihre Geschichten zur Geltung.