Zukunft von Christian Keller ungewiss | ABC-Z

Immerhin eine Meldung zur Erwärmung der Herzen machte in dieser Woche die Runde beim 1. FC Köln, wo die Atmosphäre wieder einmal dominiert wird von allerlei Sorgen und den Stimmen der Kritiker. Hennes IX., das im städtischen Zoo lebende Maskottchen, ist Vater von drei Ziegenlämmern geworden.
Das wird den Bock aber nicht von seiner Hauptaufgabe abhalten: Am Samstag (13.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur 2. Bundesliga und bei Sky), zum Spiel gegen Preußen Münster, wird das Tier mit dem prächtigen Bart die Fußballer in Müngersdorf unterstützen. Die weiteren Schlagzeilen in der Lokalpresse klingen hingegen düster, handeln von einer harten Geldstrafe aufgrund einer Pyrotechnikorgie der Fans. Oder von schwierigen Vorstandswahlen, in deren Rahmen im Herbst eine neue Klubführung gewählt wird. Und natürlich von den durchwachsenen Leistungen der Mannschaft.
Dass das Team in herausfordernden Situationen mitunter die Leichtigkeit verliere, liege ein „Stück weit am Standort“, sagt der für den Sport zuständige Geschäftsführer Christian Keller, und Trainer Gerhard Struber erklärt: „Ich weiß, dass wir in einer Situation drinnen hängen, in der es eine gewisse Erwartungshaltung gibt, wo sich Dinge zuspitzen.“
Der Kölner Aufstieg ist greifbar
Die Erinnerung an das Ende der Vorsaison, als das Team unter dem Druck geradezu gelähmt wirkte und abstieg, ist noch frisch. Und dennoch sitzt Keller in seinem sonnendurchfluteten Büro am Geißbockheim und ist entgegen der allgemeinen Stimmung ausgesprochen gut gelaunt. Er findet die Ausgangslage nämlich alles andere als schlecht.
Der Aufstieg ist bei vier Punkten Vorsprung auf Platz drei fünf Spieltage vor Saisonende greifbar. Vor allem jedoch besteht die konkrete Aussicht auf eine neue Ära, die im Sommer beginnen könnte. Die Rückkehr in die Bundesliga kann zu einer Art Katalysator für einen Prozess werden, in dessen Verlauf der FC endlich als wirtschaftlich gesunder und vielleicht doch gar nicht so schlecht geführter Verein erkennbar wird.
„Aus finanzwirtschaftlicher Sicht sind wir jetzt in der Lage, uns selber zu tragen, und zwar ligaunabhängig“, sagt Keller. Die lange Zeit, in der Fremdkapital zum Stopfen der Löcher im Etat aufgenommen werden musste, soll endgültig zu Ende sein.
Dem gegenüber stehen aber weiterhin viel zu viele Zweifel grundsätzlicher Art und der Eindruck, dass die innere Atmosphäre belastet ist. In der laufenden Saison trennten sich der Klub und der für das Marketing zuständige Geschäftsführer Markus Rejek, im März folgte die Entlassung von Chefscout Martin Schulz. Und nachdem das derzeitige Präsidium so viel Kredit verspielte, dass es nicht mehr für die Wahl im Herbst nominiert wird, läuft ein schwer durchschaubarer Kampf um die Nachfolge.
Chance für Beginn einer neuen Ära
Derzeit castet der Mitgliederrat verschiedene Kandidaten: ein Trio um den Mobilfunkunternehmer Wilke Stroman, dem die frühere Spielerin Tugba Tekkal und der derzeitige Vizepräsident Carsten Wettich angehören sollen. Auch der Wissenschaftler Christian Müller, der einst an der Seite von Christian Seifert für die Deutsche Fußball-Liga arbeitete, gehört zum Kandidatenkreis. Genau wie die IHK-Chefin Nicole Grünewald.
All das lässt sich auf die klassische Art interpretieren, als typisches Merkmal des guten alten Kölner Chaosklubs. Manches deutet jedoch darauf hin, dass diese Sichtweise falsch ist. Denn in der gegenwärtigen Situation liegt auch die Chance für den Beginn einer neuen Ära. Insider sagen sogar: Womöglich ist die Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft so gut wie seit 35 Jahren nicht.
In diesem Sommer wird der Klub sich fast vollständig von seinen langfristigen Verbindlichkeiten befreit haben, ein Jahr später soll der Prozess der Entschuldung ganz abgeschlossen sein. 2026 läuft ein Marketingvertrag mit der Firma Infront aus, der die finanziellen Spielräume einschränkt. Zudem wurden verschiedene infrastrukturelle Modernisierungsmaßnahmen am Geißbockheim vorgenommen. Und auch sportlich sind viele Projekte angeschoben worden.
Das Scouting wurde modernisiert, für einen Verein dieser Größe ist die Digitalisierung schon recht weit fortgeschritten. Und nicht zuletzt tragen die Bemühungen, die Ausbildung junger Spieler zu verbessern, erste Früchte. Keller berichtet von einer „Leihspieler-Konzeption“, in deren Rahmen der heutige Münchner Torhüter Jonas Urbig oder der Stürmer Tim Lemperle zu begehrten Bundesligaspielern wurden. Für Urbig flossen im Winter rund acht Millionen Euro Ablöse.
Zweifel an Fähigkeiten als Sportchef
Der Verteidiger Julian Pauli kam im vorigen Sommer aus der U 19,wurde auf Anhieb Stammspieler, und mit Damian Downs oder Eric Martel gibt es weitere junge Leute mit hervorragenden Entwicklungsmöglichkeiten. „Wir haben eine Kaderstruktur festgelegt, in der eine bestimmte Anzahl von Plätzen für Spieler aus dem eigenen Nachwuchs reserviert ist“, sagt Keller, der zugleich aber große Angriffsflächen für seine Transfermarktarbeit bietet.
Dass nach mehr als einem Jahr Transfersperre und trotz vorhandener Mittel in der Winterpause kein Spieler verpflichtet wurde, der das Team auf Anhieb nicht nur in der Breite, sondern auch in der Spitze besser macht, schürt die ohnehin vorhandenen Zweifel an Kellers Fähigkeiten als Sportchef.
Wenn der Aufstieg nicht gelingt, da sind sich eigentlich alle einig in Köln, wird der Schwarzwälder entlassen werden. Und wie die strategische Ausrichtung in diesem Fall mit einem neuen Präsidium und einem neuen Chef im Alltagsbetrieb aussehen wird, ist völlig unklar. Es steht also viel auf dem Spiel in den kommenden Wochen.