Politik

Friedrich Merz vs. Markus Söder? Plötzlich wirken sie wie Hanni und Nanni der Union | ABC-Z

Es gab Zeiten, da war das Verhältnis der Schwesterparteien alles andere als harmonisch. Doch das ist längst vergessen. CDU-Chef Merz wird in Nürnberg herzlich empfangen. Sein CSU-Pendant Söder lässt sich auf offener Bühne nur zu einer kleinen Schmutzelei hinreißen.

Und plötzlich wagt Friedrich Merz in Nürnberg einen Witz. Alle Minister, betont der Kanzlerkandidat von der Bühne aus, würden unter seiner Kanzlerschaft wieder nach Brüssel zu EU-Sitzungen müssen. „Und zwar physisch und psychisch.“ Das löse jetzt in den ersten Sitzreihen – wo die CSU-Granden sitzen – etwas Unruhe aus, scherzt Merz. „Aber glauben Sie mir: Das gilt auch für die CSU-Minister.“ Lachen im Saal.

Witze muss man sich erlauben können. Wer sie auf Kosten anderer wagt, muss darauf vertrauen, dass es ihm nicht böse ausgelegt wird. In der Vergangenheit konnten das CDU-Parteivorsitzende auf CSU-Parteitagen nicht immer im Glauben ans gute Miteinander austesten. Man denke nur an die Demütigung Angela Merkels durch Horst Seehofer im Jahr 2018. Ja, damals waren sich die Schwesterparteien auch inhaltlich fremd wie selten zuvor. Vorbei die Zeit. Bayern scheint brav geworden. Na ja, fast.

Seit‘ an Seit‘ marschieren Söder und Merz ein

Seit‘ an Seit‘ marschieren Markus Söder und Friedrich Merz gegen 12 Uhr durch die Reihen der Delegierten. Die beiden überragen körperlich fast alle anderen. Die Augenhöhe hilft offenbar. Scherze, stehende Ovationen, Hände schütteln. Merz wird auf dem kleinen Parteitag der CSU empfangen wie einer der ihren – und wie ein Kanzler.

Die beiden Generalsekretäre von CDU und CSU, Carsten Linnemann und Martin Huber, seien für ihn die „Hanni und Nanni“ der Union, stichelte Markus Söder neulich. Wer sie an diesem Tag so durch die Reihen schreiten sieht, ihre Reden hört, kann das genauso gut auch über Söder und Merz behaupten.

Gemeinsam betreten die beiden Parteichefs die Bühne. „So gut sind selten CDU-Parteivorsitzende empfangen worden“, erklärt Söder dem glücklich grinsenden Mann neben sich. Selbst im Sauerland sei er gewesen. Gelächter. Merz hält seine Rede dann vom Bühnenrand aus, bleibt nicht hinter dem Pult, spricht frei, richtet sich an die bayerischen Delegierten. Der Kanzlerkandidat wirkt fast wie befreit an diesem Tag. Gelöster jedenfalls, als noch am vergangenen Montag auf dem Berliner Parteitag seiner eigenen Partei, der CDU.

Dazu dürfte einerseits die gute Stimmung in der Nürnberger Halle beitragen. Andererseits auch die erfreulichen Zustimmungswerte, vor allem für den Kandidaten persönlich. In den neuesten Umfragen, etwa dem „Deutschlandtrend“ der ARD und dem „Politbarometer“ des ZDF, hat Merz zuletzt deutlich zugelegt, bei seiner Beliebtheit vier bis fünf Punkte, aber auch in der Einschätzung der Deutschen, ob er ein guter Bundeskanzler wäre. Sein Kontrahent Olaf Scholz rutscht dagegen immer weiter ab.

„Lassen wir uns nicht beirren!“, ruft Friedrich Merz

„Seit spätestens letzter Woche ist klar, wo die Unterschiede liegen“, ruft Merz in die Frankenhalle. „Ja, wir leisten damit einen Beitrag für den Wahlerfolg. Aber vor allem einen Beitrag zur demokratischen Auseinandersetzung in Deutschland.“ Ein „Weiter so“, sagt Merz, schließe er für die Wirtschafts- und für die Migrationspolitik aus. Auch die Proteste gegen die Asyl-Abstimmung mit der AfD spricht Merz an und ruft: „Lassen wir uns nicht beirren.“

Neben den großen Vorsitzenden Söder und Merz scheint einer an Tagen wie diesen immer eher in Nebenrollen aufzutauchen: Alexander Dobrindt. Auch der CSU-Landesgruppenchef ruft in seiner Rede am Vormittag: „Wir bleiben stehen, liebe Freunde!“ Für die Einheit der beiden Schwesterparteien spielt er in diesen Tagen aber eine wichtigere Rolle denn je. Dobrindt flüsterte Merz den Fünf-Punkte-Plan zum Asyl mit ein, Dobrindts Handschrift trägt auch das Merz’sche Drohen mit der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers nach der Wahl.

Ein bisschen Politik im Stil von Donald Trump wagen, um die AfD damit kleinzukriegen. Ihr wenigstens etwas entgegensetzen an Deutlichkeit. So geht die Rechnung des CSU-Strategen dem Vernehmen nach. Inhaltlich sind sich die Führung von CDU und CSU ja ohnehin so nah wie seit Jahrzehnten nicht. Als „steilen Move“ und „Achterbahnfahrt“ bezeichnete Söder kürzlich die Abstimmung mit der AfD im Bundestag. Als Abkehr von den Inhalten der eingebrachten Anträge sollte man das bitte nicht missverstehen.

Denn bei den Inhalten sind sie sich einig, wie selten: für Atomkraft, fürs Auto, für die Industrie. Söder betont etwas mehr die Raumfahrt, Merz etwas stärker Europa. Dazu je ein Schuss Populismus, ein Gran Bierzeltlaune gegen nervige Plastikdeckel der EU, die noch nervigeren Grünen und den ätzenden Bundeskanzler. Die AfD, auch das betonen Söder und Merz im Gleichklang, will hier keiner sehen.

Merz: „Es wird keine irgendwie geartete Form der Zusammenarbeit geben.“ Dann geht er noch einen Schritt weiter als zuletzt: „Wir würden unser Land verraten. Ich würde die Seele der CDU verraten, wenn ich denen auch nur den kleinen Finger reichen würde.“ Aus der Sicht von SPD und Grünen hatte er ja längst die Hand gereicht.

Die Sorge vor einem neuen Brokkoli-Eklat

Und Söder? Noch am Montag hatte Söder über den Kanzlerkandidaten auf offener Bühne gewitzelt: „Friedrich, Du siehst nicht nach dickem Sauerländer aus, mehr so wie ein Berliner Brokkoliauflauf.“ Wie bitte? Bei vielen Delegierten der CDU kam das schlecht an. Was sollte dieser Unernst? Diese Büttenrede drei Wochen vor der Wahl?

Entsprechend nervös war mancher in der CDU-Zentrale vor dem Auftritt des Kanzlerkandidaten in Bayern. Jetzt ein falscher Söder-Gag und der ganze Drive der letzten Tage wäre bedroht. Aber nichts da. Freundliche Handshakes. Keine Gemeinheiten. Keine Witze auf Merz‘ Kosten. Spürt der Stimmungspolitiker, dass das Pendel für Merz schwingt? Söder nahm sich zurück.

Und das, obwohl in der CSU zuvor durchaus Grummeln hörbar war. Es gab ja ein Vorspiel zum „Brokkoliauflauf“: Mehr als eine Stunde hatte die CDU den bayerischen Ministerpräsidenten am Montag auf ihrem Parteitag in einem Raum auf seinen Auftritt warten lassen. Intern wurde der Kopf geschüttelt über die Organisationsmängel bei der großen Schwester. Die ein oder andere Schmutzelei in seiner Rede soll es erst während dieser Wartezeit noch in den Kopf des CSU-Chefs geschafft haben. Warten macht kreativ. Seine 20-minütige Redezeit verlängerte Söder aufs Doppelte.

Söders Schlussbotschaft hat es doch nochmal in sich

Doch nichts ist mehr zu spüren von diesem Grummeln am heutigen Samstag. In Nürnberg meint man, einer Art Einheitsfeier beizuwohnen. Inklusive Fähnchen und Gesang. CDU und CSU, Merz und Söder, Hanni und Nanni. Wiedervereint nach schlimmem Schwesterstreit.

Nur eine einzige Schmutzelei kann sich Söder doch nicht sparen. Er wäre nicht Markus Söder: „Wir werden dich gegen jeden – auch in deiner eigenen Partei – in Schutz nehmen“, so spricht der CSU-Parteichef zum Abschied von der Bühne.

Du brauchst mich, Friedrich. Das ist Söders Schlussbotschaft. Glanz und Gloria der blau-weißen Welt scheint damit Genüge getan. Fürs Erste.

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