Politik

Friedrich Merz, Markus Söder und das Kanzleramt | ABC-Z

Wer zu oft sagt, wie gut es ihm geht, will etwas schönreden. Der gemeinsame Auftritt von Friedrich Merz und Markus Söder anlässlich der Vorstellung des Wahlprogramms von CDU und CSU am Dienstag wirkte weniger wie eine „Show of Force“ des Unionskanzlerkandidaten Merz denn wie eine Demonstration der Harmonie zwischen den beiden. Die Äußerungen über Wirtschafts-, Renten- oder Migrationspolitik waren durchzogen vom Bemühen des „Friedrich“ und des „Markus“ (man duzte sich demonstrativ) zu beteuern, wie einig man sich in allem sei.

Sollte die Bundestagswahl im Februar im Sinne der Union gut ausgehen und Merz Kanzler werden, ließe sich dieses Zusammenwirken der beiden Parteivorsitzenden rückblickend leicht als Spiel mit verteilten Rollen darstellen. Schon äußerlich wirkte das so: Merz – Anzug, Schlips und Kragen – entwickelt sich mehr und mehr zum Staatsmann, der auf dem Weg ins Kanzleramt die Arme immer weiter öffnet, um möglichst viele Wähler einzufangen. Söder – Bart, schwarzer Rollkragenpullover und im Wechsel grimmiger Blick und diabolisches Grinsen – sagt zwar, die Union sei die „helle Seite der Macht“. In Wirklichkeit übernimmt er in dem Gespann die Rolle des Fürsten der Finsternis, der darüber wacht, dass die CDU tut, was die CSU (beziehungsweise deren Anführer) für richtig hält.

Friedrich Merz soll diejenigen Wähler binden oder zur CDU zurückholen, die sich abgewendet haben wegen der Verschiebung des Kurses unter Kanzlerin Angela Merkel in die Mitte oder sogar in die linke Mitte. Das wichtigste Thema, mit dem diese Korrektur unterlegt werden soll, ist die Migrationspolitik. Hier kann Merz für sich in Anspruch nehmen, die CDU wieder auf den rechten Weg gebracht zu haben und diesen auch als Kanzler nicht wieder zu verlassen. Schon im CDU-Grundsatzprogramm fanden sich Forderungen, die sich nun im Migrationskapitel des Wahlprogramms wiederfinden: Asylverfahren sollen in sicheren Drittstaaten außerhalb der EU stattfinden; selbst bei positivem Bescheid soll das Asyl nicht automatisch in der EU oder gar in Deutschland gewährt werden; und an der deutschen Grenze sollen Migranten künftig zurückgewiesen werden, wenn sie keinen Aufenthaltstitel haben.

Gut kalkuliert

So weit, so einig. Doch bei der Vorstellung des Wahlprogramms überließ Merz dieses für einen Teil der CDU-Mitglieder und -Wähler so zentrale Thema dem CSU-Vorsitzenden. Söder schlug den Takt. Nicht mit namentlicher Kritik an Merkel, wohl aber an ihrer Flüchtlingspolitik. Der CSU-Vorsitzende erinnerte an die Uneinigkeit der beiden C-Parteien infolge des großen Flüchtlingszustroms 2015 und versprach, was man jetzt plane, sei nicht mehr die Migrationspolitik jener Zeit. Nun sei „Law and Order“.

Da Markus Söder sich die Kernbotschaft seiner Auftritte gut zu überlegen pflegt, darf unterstellt werden, dass sein Rückgriff auf diese Formel des ausgehenden 20., höchstens noch beginnenden 21. Jahrhunderts kalkuliert war. Der Subtext lautete: Eigentlich ist Merz zum CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten gewählt worden, um dieser politischen Grundhaltung wieder zu Geltung zu verhelfen. Sollte seine Stimme aber nicht laut genug sein, werde ich schon für Recht und Ordnung sorgen.

Machtvolle Rolle

An einem ebenso wichtigen Beispiel lässt sich die machtvolle Rolle, die Söder spielt, sogar noch deutlicher erkennen. Gemeint ist nicht der Druck, den er auf Merz ausübt, damit dieser sich bis an den Rand des für ihn angesichts möglicher Bundestagsmehrheiten Hinnehmbaren von den Grünen distanziert. Nein, gemeint ist die Rentenpolitik.

Vor einem knappen Jahr hat die CDU ihr neues Grundsatzprogramm vorgestellt. Darin wird gefordert, dass die „Regelarbeitszeit an die Lebenserwartung gekoppelt“ wird. Im CSU-Grundsatzprogramm wird ein höheres Renteneintrittsalter dagegen ausgeschlossen. Und nun, im gemeinsamen Wahlprogramm? Da heißt es ausdrücklich: „Am Renteneintrittsalter halten wir fest.“ Eingeklemmt zwischen Kanzler Scholz, der Merz eine Politik zulasten der Rentner vorwirft, und Söder, der die Altersgrenze  beibehalten  will, bleibt bei Merz von einer konsequenten Haltung, die den demographischen Wandel berücksichtigt, abgesehen von Anreizen für freiwilliges Weiterarbeiten nicht viel übrig.

Markus Söder hat am Dienstag – nicht zum ersten Mal – beteuert, dass er Merz für den richtigen Kanzler halte. Wenn es in den beiden kommenden Monaten glatt läuft für Merz und die Union, wird Söder es dabei bewenden lassen, im beschriebenen Sinne gelegentlich seine Muskeln spielen zu lassen. Was aber passierte, wenn die SPD in den Umfragen deutlich aufholte und die Union die 30-Prozent-Marke unterschritte, das wissen die Götter. Und vielleicht Markus Söder.

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