Geopolitik

Friedrich Merz: Der Wackel-Merz | ZEIT ONLINE | ABC-Z

Nein, es gibt keine großen Parallelen zwischen Olaf
Scholz und Friedrich Merz. Der Sozialdemokrat ist ein eher kleiner Mann, er
kennt sich in den meisten politischen Sachfragen aus – wie normalerweise nur ein
Fachreferent – und jenseits von TV-Duellen, bei denen es natürlich immer auch ein
wenig um Besserwisserei geht, hat er erkennbar Mühe, mit den Deutschen ins
Gespräch zu kommen. So übers Große und Ganze.

Friedrich Merz ist da grundlegend anders: Der
Konservative dürfte mit seiner Körpergröße die meisten überragen und die eine
oder andere inhaltliche Unschärfe überblendet er gern mit schneidigen
Ankündigungen und markigen Worten. Wenn er zum Beispiel in der ARD-Wahlarena
sagte, dass er sich wünsche, dass auch seine Kinder und Enkelkinder noch in demselben
Wohlstand und der gleichen Sicherheit leben können wie es bislang der Fall ist,
dann ist das genau das Maß an großväterlichen Emotionen, das die meisten Deutschen
sich wünschen – und das sie während der krisenreichen Ampeljahre bei Scholz
vermisst haben.

Erstaunliche Parallele zu Scholz

In einem Punkt aber sind die beiden sich doch
ähnlicher, als es auf den ersten Blick scheint: so wie Scholz im Jahr 2021 die
Bundestagswahl mangels ernsthafter Konkurrenz gewann, so schickt sich auch Merz
gerade an, am Wahlsonntag auf dem obersten Treppchen zu landen, einfach weil es
gerade keinen anderen Kandidaten und keine andere Kandidatin neben ihm gibt,
der oder die es ernsthaft vermag, ihm diesen Sieg noch streitig zu machen. Und
weil natürlich die aktuellen Krisen einer konservativen Partei in die Hände zu
spielen scheinen. Die Ampel jedenfalls vermochte sie in den Augen der
allermeisten nicht zu lösen.

Zwar weiß auch bei dem vermutlich nächsten Kanzler
noch niemand ganz genau, wie er wirklich tickt, eines ist im Wahlkampf aber
deutlich geworden: Der Mann, der für den Fall seines Wahlsiegs Führungsstärke
angekündigt hat, wackelt überraschend oft und gerät ins Schlingern. Am klarsten
und pointiertesten ist Merz eigentlich immer dann, wenn er sagt, was er nicht
will: Die Migrationspolitik der Ampel will er nicht mehr, die Wirtschafts-,
Energie und Klimapolitik auch nicht, und die Sozialpolitik hält er ebenso für
stark überholungsbedürftig.

Merz hat den Wahlkampf über weite Strecken eben doch als
Oppositionspolitiker geführt. Die Stimmung im Land spielte ihm dabei zweifellos
in die Hände. Denn allein die Abgrenzung zur Ampelpolitik reicht offenbar aus,
um die Wahl zu gewinnen. Die Deutschen wünschen sich aus nachvollziehbaren
Gründen eine neue Regierung, einen anderen Kanzler, ein hoffentlich weniger
zerstrittenes Koalitionsbündnis.

Plötzliche Kehrtwenden

Aber jenseits dieses Terrains wird Merz häufig
schwammig, oft neblig und vor allem reichlich widersprüchlich. Bei konkreten
Fragen rudert er zu oft zurück, korrigiert sich selbst und kassiert vollmundig
gemachte Ankündigungen wieder ein. Je öfter das passiert, desto unschärfer wird
das Bild, das man sich von ihm machen kann.

Zuletzt war das gestern Abend beim TV-Duell der Welt zu
erleben: Da zog Merz, ohne erkennbaren Druck, eine entscheidende Forderung aus
seinem Fünf-Punkte-Plan zur Migrationswende, über den er im Bundestag Ende Januar
trotz großer Kritik mit der AfD abstimmen ließ, plötzlich wieder zurück. Nämlich
die, alle ausreisepflichtigen Personen in unbefristeten Gewahrsam zu nehmen,
bis sie freiwillig ausreisen oder abgeschoben werden. Gestern sagte er plötzlich,
man könne die 40.000 Menschen “natürlich nicht alle festnehmen”. Auch gestand
er entgegen früheren Äußerungen auf einmal ein, dass es natürlich Länder gebe,
“in die nicht sofort abgeschoben werden kann”.

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