Friedrich Merz bei Caren Miosga: “Machen keine Versprechungen, die wir nicht erfüllen können” | ABC-Z

Etwas mehr als eine Stunde widmet Caren Miosga ihrem einzigen Gast: Friedrich Merz. Der darf den gerade beschlossenen Koalitionsvertrag erklären und seine Vorstellungen von gutem Politikstil ausbreiten. Harte Kritik muss er nicht fürchten.
Friedrich Merz seufzt. “Jetzt brauche ich ein paar Tage Urlaub”, sagt der CDU-Vorsitzende und designierte Bundeskanzler am Abend bei Caren Miosga. Anstrengende Wochen und Monate liegen hinter ihm. Erst der Wahlkampf und die Bundestagswahl. Dann die Sondierungen und Koalitionsgespräche mit der SPD. Es sei auch bis spät in die Nacht hinein verhandelt worden, am nächsten Morgen gleich weiter. “Das bleibt einem nicht im Anzug hängen.” Das Resultat: gut 140 Seiten Koalitionsvertrag und voraussichtlich am 6. Mai wählt der Bundestag Merz zum Kanzler. “Die Arbeit hat sich gelohnt”, sagt dieser und darf kurz vor seinen freien Tagen eine gute Stunde lang seine Politik erklären.
Merz der einzige Gast in Caren Miosgas Talksendung. Das, was gut gewählte Gäste an Kontra bieten können, ist also der Moderatorin selbst überlassen. Das gelingt nur so halb. “Geht so Ihr Politikwechsel, Herr Merz?” heißt die Frage, die die Sendung übertitelt. Doch Merz wird von Miosga oft nur nach dem Wie seiner Vorhaben gefragt. Wie will er Zurückweisungen an der Grenze durchsetzen? In Abstimmung mit den europäischen Nachbarn. Wie wird die Rente reformiert? Indem das Rentenniveau bis 2031 festgelegt ist und dann eine Neujustierung erfolgt.
Die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser und weiterer Inhalte wird nicht gestellt. Und so kann der CDU-Chef ruhig und entspannt die Inhalte des Koalitionsvertrags dem Publikum ausbreiten. Der Gesprächspartnerin gelingt es auch nicht, ihn mit einer Frage zu CSU-Chef Markus Söder aus der Reserve zu locken. Sie will wissen, ob der bayerische Ministerpräsident sowas wie der “peinliche Onkel am Kaffeetisch” sei. Das lacht Merz staatsmännisch weg und verweist auf Söders “barocken Humor” und die Kunst, auch in ernsthaften Verhandlungen für herzliche Lacher zu sorgen. Natürlich nur dann, wenn es passt.
Diese Harmonie überträgt sich auch auf Lars Klingbeil, den Merz bekanntlich jetzt duzt. Mit dem SPD-Chef verbinde ihn, dass er schnörkellos agieren und nicht den eigenen Ansprüchen hinterherlaufen wolle. “Wir machen keine Versprechungen, die wir nicht erfüllen können.” Der Wahlkampf zeichnete bekanntlich ein anderes Bild. Die Leute sollten sagen: “Wow, das haben die gut gemacht”, sagt Merz nun. Auch beim Thema Kehrtwende bei der Schuldenbremse kommt er glimpflich davon. Seine Glaubwürdigkeit habe gelitten, das gibt der Christdemokrat zu. Aber bezüglich der Art und Weise der Reform und dem Geschwätz von gestern, wie es Konrad Adenauer formulieren würde, daran verschwendet Merz keine Worthülsen.
Keine Softies und kein Abzählreim
Und weil er vermutlich insgeheim doch aus seinen Wahlkampf-Fehlern lernt, lässt sich Merz auf wenig Konkretes festnageln. Eine Obergrenze für zumutbare Asyl-Erstanträge? Alles unter sechsstellig wäre erstrebenswert (2024 waren es 230.000). Haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr Netto vom Brutto dank der angekündigten Einkommenssteuersenkung? Alles steht unter Finanzierungsvorbehalt. Wie viele neue Wohnungen werden pro Jahr gebaut? Anders als die Ampel, die 400.000 vorgab und kläglich scheiterte, nennt Merz auch hier keine Zahl.
Und sonstige Erkenntnisse des Abends? “Es muss in Deutschland besser regiert werden als in der Vergangenheit.” Bei der Union waren auch keine “Softies” am Tisch während der Verhandlungen mit der SPD. Die Bildung einer Koalition sei “kein Abzählreim” und da die CDU etwa das Auswärtige Amt, das Wirtschaftsministerium und wichtige Staatsminister bekommen habe, sei das mit den sieben Ministerien für die Wahlverliererin SPD schon in Ordnung. Verheiratete, homosexuelle Paare werden im Adoptionsrecht gleichgestellt. Pass und Personalausweis können noch in diesem Jahr online beantragt werden – wenn die Länder mitziehen. Das Deutschlandticket kommt auf den Prüfstand und wird vermutlich noch teurer. “Bubatz” (oder wie die Ampel-Koalition sagen würde: Cannabis) bleibt erstmal legal.
Als es dann im letzten Drittel der Sendung um außenpolitische Fragen geht, blüht der urlaubsreife Merz doch noch einmal auf. Kein Wunder, so attestierte ihm Politikberater Johannes Hillje im Gespräch mit ntv zuvor das Ziel, “außenpolitischer Kanzler” werden zu wollen. Merz wolle sich auf diesem Terrain profilieren und seine Kanzlerschaft über die Außenpolitik definieren. Mit schwierigen innenpolitischen Themen wie der Migration müssten sich die Koalitionspartner, in diesem Fall die Schwesterpartei CSU, die das Innenministerium besetzen wird, auseinandersetzen.
Ein Lob für Olaf Scholz
Als Erstes bringt ein Einspieler Donald Trump ins Gespräch. Wie dieser sich über mit Zöllen bedachte Handelspartner lustig macht, treibt Merz ein schelmisches Grinsen ins Gesicht. Aber der zukünftige Regierungschef wechselt schnell in den ersten Modus zurück und stellt klar, dass er dieses Trumpsche Gebaren für einen “ganz besonderen Stil” hält. Mit seiner Politik richte der US-Präsident nicht nur großen Schaden außerhalb der Vereinigten Staaten an, sondern auch innerhalb. Die EU-Staaten müssten dem gemeinsam Paroli bieten. Dazu sei er auch mit Noch-Kanzler Olaf Scholz in enger Abstimmung.
An dieser Stelle folgt sogar ein Lob, denn dass er sich so gut mit dem SPD-Politiker darüber austausche, sei “stilvoll” und “sehr ordentlich”. Wie er Trump begegnen wolle? Am besten noch vor den Sommerferien, sagt Merz. Zunächst mit ein bisschen “Small Talk” und dann mit einem Gespräch über gemeinsame Interessen, die vermutlich gar nicht so weit auseinander lägen. Eine anschließende Partie Golf ist zumindest nicht ausgeschlossen.
Er wolle Trump etwa zu dessen Strategie hinsichtlich des Angriffskriegs auf die Ukraine befragen. Denn dahingehend, das zeigt das Wochenende auf erschütternde Weise, pfeift Russlands Präsident Wladimir Putin auf Dialogbemühungen und bombardiert die Zivilbevölkerung gnadenlos. Mehr als 30 Menschen kommen bei aufeinanderfolgenden Raketenangriffen in Sumy ums Leben. Merz spricht von einem Kriegsverbrechen, das an “Perfidie nicht mehr zu überbieten ist”.
Schließlich seien bei der zweiten Angriffswelle diejenigen getroffen worden, die als Helfer zu den Opfern des ersten Angriffs geeilt seien. Dieses Vorgehen sollten sich diejenigen zu Gemüte führen, die mit Putin gegenwärtig verhandeln wollten. Offensichtlich interpretiere der Kremlchef die Bereitschaft, mit ihm zu reden, als Schwäche und nicht als Friedensangebot. Ob er das auch dem “Dealmaker” Donald Trump, der seine Leute regelmäßig nach Russland schickt, ins Gesicht sagen wird, fragt Miosga nicht.
Mehr Pathos wagen
Sie lenkt das Gespräch auf eine Aussage von Merz aus dem Oktober vergangenen Jahres. Damals hatte er im Bundestag die Lieferung des Marschflugkörpers Taurus ins Gespräch gebracht, als Reaktion auf derartige Bombardements der Zivilbevölkerung. Im Hier und Jetzt verweist Merz wieder auf eine gemeinsame europäische Antwort. Er macht aber unmissverständlich klar, dass die Ukraine “vor die Lage kommen muss”. Andere Staaten lieferten bereits Marschflugkörper und dass mithilfe des Taurus die wichtige Landverbindung zwischen Russland und der Krim effektiv angegriffen und der Ukraine ein großer Vorteil beschafft werden könnte, daraus macht Merz keinen Hehl. Putin müsse die Ausweglosigkeit seines Krieges vor Augen geführt werden. Ob es Merz gelingt, wichtige internationale sowie deutsche Entscheidungsträger davon zu überzeugen, wird sich zeigen.
Vielleicht spielt ihm dabei in die Karten, dass er nach eigener Aussage nicht nur rational, kontrolliert und diszipliniert wie seine Vorgänger im Kanzleramt auftreten möchte. Für ihn geht es auch darum, die Fähigkeit zu haben, Menschen zu begeistern, zu überzeugen und mitzunehmen. Er wolle “Selbstbewusstsein”, “Pathos” und “Patriotismus” zeigen, das sollte doch in Deutschland möglich sein. Dahingehend sieht Merz sich selbst in der Tradition amerikanischer Politiker. Bei Donald Trump dürfte eine solche Ansprache gut ankommen. Es bleibt zu hoffen, dass Merz nicht nur im Oval Office den richtigen Ton trifft. Sollte ihm das gelingen, hätte er zumindest ein Versprechen eingelöst.