Freising: Welche Lehren man aus der Flut-Katastrophe ziehen kann – Freising | ABC-Z
„Wir werden mit Hochwasser leben müssen“, so lautete am Mittwoch die ernüchternde Prognose von Hohenkammers Bürgermeister Mario Berti (CSU). Neben Allershausen traf es die kleine Gemeinde vor zwei Monaten am schlimmsten, als Glonn und Amper über die Ufer traten. Als Ort für den „runden Tisch“ mit Bürgermeistern, Behördenvertretern und Rettungsorganisationen, zu dem Landtagsabgeordneter Johannes Becher (Grüne) geladen hatte, war Schloss Hohenkammer ausgewählt worden.
Auch dort waren Schäden in Höhe von etwa 250 000 Euro entstanden. Nach Hilfe und Dank dürfe jetzt nicht das Vergessen einsetzen, sagte Becher. Vielmehr müssten aus der Katastrophe Lehren gezogen werden.
Einig waren sich alle, dass die Rettungskräfte Großartiges geleistet hatten, um Menschen zu retten und noch größere Schäden zu vermeiden. Allein die Freiwilligen Feuerwehren kamen laut Kreisbrandrat Manfred Danner innerhalb einer Woche auf etwa 30 000 Einsatzstunden. Nun geht es darum, welche Maßnahmen getroffen werden können, „um uns zu schützen“, wie Berti sagte. Klar ist dabei: Den einen großen Plan wird es nicht geben, es muss an vielen Stellen angesetzt werden – und auch die Bürger können einen Teil dazu beitragen. Ein Problem ist nach den Worten Bechers, dass es in gefährdeten Bereichen noch immer viele Öltanks gebe. Solange ein Öl-Wasser-Gemisch bei Hochwasser Bäche verunreinige, sei es auch schwierig, Landwirte zu überzeugen, weitere Retensionsflächen zur Verfügung zu stellen.
Ein Anliegen von Allershausens Bürgermeister Martin Vaas (PFW) ist es, rasch einen Experten zu finden. Er soll Privatpersonen in den Gemeinden bei Informationsveranstaltungen – firmenunabhängig – Tipps geben, wie sie ihre Häuser mit Schotts sowie wasserdichten Fenstern und Schächten sichern können.
Eine Besonderheit des Hochwassers Anfang Juni war, dass die Pegel der Glonn sturzflutartig gestiegen waren, sodass die Wassermassen Hohenkammer nicht erst wie erwartet im Laufe des Sonntags erreichten, sondern schon in der Nacht gegen zwei Uhr. Das Wasserwirtschaftsamt München will seine Prognose-Modelle nun nachschärfen, wie Leiter Stefan Homilius ankündigte. Die hatten die Szenarien für Hohenkammer und Allershausen weniger dramatisch abgebildet, als sie sich dann tatsächlich darstellten. Unsicherheiten aber werde es dabei immer geben, gab Homilius zu bedenken – und das liege am Regen. Zwar waren Anfang Juni sehr starke Regenfälle erwartet worden, eigentlich aber weiter westlich im Freistaat. Problem sei nach solchen Niederschlägen der Zulauf aus kleinen Bächen und Gräben. Die vorhandenen Messpegel an den Flüssen reichen nach seinen Worten aus.
:„Es ist Wahnsinn, was für eine Gewalt das Wasser hat“
Die Schäden in der Allershausener Schule liegen im Millionenbereich. Bis die Stromversorgung wieder funktioniert, können noch Wochen vergehen. Prüfungen aber finden schon wieder statt – unter besonderen Bedingungen.
Die Suche nach passenden Lösungen wird nicht leicht. Bürgermeisterin Eva Bönig (Grüne) schlug ein integrales Hochwasserkonzept für den ganzen Landkreis Freising vor, wie es die Stadt erstellt habe. Auch über die Landkreisgrenzen hinaus müsse etwas getan werden, da waren sich alle Beteiligten einig, etwa durch weitere Retensionsflächen. „Man muss sehr solidarisch und konzeptionell vorgehen“, sagte Becher. „Die Bevölkerung erwartet Lösungen.“
Die Verfahren aber dauern in der Regel sehr lang, vielleicht zu lang bis zum nächsten Hochwasser. Der Kirchdorfer Bürgermeister Uwe Gerlsbeck betonte deshalb, man müsse Prioritäten setzen – und meinte damit, dass schnelle, zielführende Maßnahmen in der Praxis beispielsweise nicht an den Naturschutzbehörden scheitern dürften. Wer die Menschen auffordere, ihre Häuser zu verlassen, die Gebäude aber nicht schütze, „hat die Bevölkerung nicht auf seiner Seite“, sagte Gerlsbeck. Retensionsraum sei wichtig. Um Ortschaften und Siedlungen abzusichern, müssten aber auch Dämme möglich sein.
Der beste Hochwasserschutz: Gar nicht erst in gefährdeten Gebieten bauen
Auch bei der Beschaffung von Geräten sei die Bürokratie ein Hindernis, fügte Kreisbrandrat Danner hinzu. So müsse sogar der Kauf eines gebrauchten Teleskopladers bisher ausgeschrieben werden – der aber sei dann weg, bis der Kauf genehmigt werde. „Es muss schnell gehen können“, betonte THW-Chef Michael Wüst. Das befürwortet auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einem Gutachten. MdB Leon Eckert (Grüne) berichtete, er habe bereits eine entsprechende Anfrage ans zuständige Ministerium gestellt.
:Wirklich gute Nachbarschaft
Der Erdinger Stadtbrandinspektor Thomas Hagl zieht im Stadtrat Bilanz nach dem Hochwassereinsatz Anfang Juni. Dabei zeigt sich das große Engagement der Feuerwehr, auch weit über den Landkreis hinaus.
Stefan Homilius appellierte auch an Bürgermeister und Gemeinderäte: Der beste Hochwasserschutz sei, gar nicht erst in gefährdete Gebiete hineinzubauen. Viele der Häuser dort seien erst in den vergangenen 20, 30 Jahren errichtet worden. Der Leiter des Wasserwirtschaftsamts machte deutlich, dass ein Gesamtkonzept „nur bedingt“ nutze. Man müsse sich jeden einzelnen Bereich anschauen. In jeder Gemeinde soll es einen Gesprächstermin geben, bei dem sämtliche Ideen und Probleme auf den Tisch kommen. In Moosburg beispielsweise wird es auch um den Schutz des Bahndammes auf der Strecke Freising-Landshut gehen. Den konnten die Feuerwehren diesmal gerade noch vor Unterspülungen schützen.
Wichtig sei, dass man jetzt „in die Umsetzung kommen“, bilanzierte Becher nach der zweistündigen Diskussion. Es müsse einfach gelingen, auch wenn es teuer werde.