Freising: An die 800 Menschen protestieren gegen das „ewige Baurecht“ für die dritte Startbahn – Freising | ABC-Z

Eine Woche vor der Bundestagswahl haben die Gegner und Gegnerinnen einer dritten Start- und Landebahn am Münchner Flughafen klargemacht: Sie sind nicht willens, auf unbestimmte Zeit mit der Unsicherheit leben zu müssen, dass die umstrittene Trasse doch noch gebaut wird. Rund 800 Menschen haben am Samstagnachmittag auf dem Freisinger Marienplatz bei eisigen Temperaturen gegen das „ewige Baurecht“ für die dritte Startbahn protestiert.
Die Regierung von Oberbayern war im vergangenen Herbst einem Antrag der Flughafen München GmbH (FMG) nachgekommen. Sie erließ einen Beschluss, dass die Baugenehmigung für das Projekt nicht wie üblich nach zehn Jahren erlischt. Eine Entscheidung, welche die Bürger und Bürgerinnen im Flughafenumland empört hat. Mit den Folgen – dazu gehören Umsiedelungen im Freisinger Stadtteil Attaching, die zusätzliche Belastung der Bevölkerung mit Abgasen, Ultrafeinstaub und Lärm sowie Artenschwund und Flächenversiegelung – wollen die Betroffenen in der Region nicht leben.
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An fast allen Tagen lägen diese deutlich über dem Richtwert der Weltgesundheitsorganisation WHO. Forderungen, mehr zum Schutz der Beschäftigten zu unternehmen und die Kita „Airporthopser“ zu verlegen, werden laut. Der Flughafen München bezweifelt die Messung.
Kurz vor der Bundestagswahl wollten die Gegner der dritten Startbahn noch einmal Druck machen. Das war auch der langen Rednerliste anzumerken: Freisings Landrat Helmut Petz, Freisings OB Tobias Eschenbacher, Christine Margraf vom Bund Naturschutz, Franz Heilmeier, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft, Anton Scherer, Bürgermeister von Berglern, sein Kollege aus Wartenberg Christian Pröbst, die drei Landtagsabgeordneten Doris Rauscher, SPD, Johannes Becher, Grüne, Benno Zierer, Freie Wähler, und nicht zuletzt Christian Magerl, Sprecher von Aufgemuckt.
„Unser Matador“, wie ihn Versammlungsleiter Reinhard Kendlbacher nannte. Der Freisinger CSU-Landtagsabgeordnete Florian Herrmann war als Redner ebenfalls angefragt worden. Der Leiter der Staatskanzlei hatte aber mit dem Hinweis auf die gleichzeitig stattfindende Münchner Sicherheitskonferenz abgesagt.
„Unehrlich, unredlich, absurd, verlogen, hinterfotzig“. Das waren die Begriffe, die an diesem Nachmittag fielen, um das Vorgehen zu beschreiben, das die Bürger und Bürgerinnen im Flughafenumland gerade so wütend macht. Das Verfahren sei völlig undemokratisch ausgeführt worden, sozusagen im Hinterzimmer, ohne die Bevölkerung vorab zu informieren und zu beteiligen, „in aller Heimlichkeit“, kritisierte Christian Magerl. Schlimmer könne man die Bevölkerung gar nicht missachten.

„Heimlich, still und leise“ habe die FMG ihren Antrag gestellt, die Baugenehmigung für die dritte Startbahn nicht wie üblich nach zehn Jahren erlöschen zu lassen, das prangerte auch der Freisinger Landrat Petz an. „Unredlich“ sei die Argumentationweise der FMG: Die habe schließlich zunächst beteuert, der neue S-Bahn-Tunnel und Straßenbaumaßnahmen hätten nichts mit dem Bau der dritten Startbahn zu tun, um jetzt genau das Gegenteil zu behaupten. Als Begründung dafür, die Gültigkeit des Planfeststellungsverfahrens unbefristet zu verlängern.
Nun heiße es, man habe ja schon mit Baumaßnahmen begonnen, die mit der dritten Startbahn verknüpft seien. Er fühle sich da an Konrad Adenauer erinnert, so Petz. Der habe einst gesagt: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“.
Gegen das „ewige Baurecht“ wollen die Startbahngegner nun vor Gericht ziehen. In einem Klagebündnis haben Stadt und Landkreis Freising, die Gemeinde Berglern und fünf private Grundeigentümer beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Klage gegen den sogenannten Ewigkeitsbescheid des Luftamts Südbayern erhoben. Auch der Bund Naturschutz hat Klage eingereicht.

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Christine Margraf, die stellvertretende Landesbeauftragte beim Bund Naturschutz in Bayern, hatte in ihren Unterlagen nachgeschaut und festgestellt, dass sich die Gegner einer dritten Startbahn vor 18,5 Jahren zum ersten Mal auf dem Freisinger Marienplatz versammelt hatten, um gegen das Projekt zu protestieren. Sie machte den Demonstrierenden Mut. „Wir haben viel erreicht in diesen Jahren, die dritte Bahn ist nicht gebaut worden, das ist unser Erfolg“, versicherte sie.


Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher freute sich sichtlich darüber, dass an diesem Nachmittag so viele Menschen gut eineinhalb Stunden in der Kälte ausgeharrt hatten. „Sie alle setzen heute ein wichtiges Zeichen gegen die dritte Startbahn, indem Sie sich auf dem Marienplatz versammelt haben“, sagte er. In der „guten Stube“ eines altehrwürdigen und stolzen Hauses namens Freising, das sich seiner Wurzeln und Traditionen genauso bewusst sei wie der Notwendigkeit, sich Entwicklungen und Zukunftsperspektiven nicht zu verschließen.
Wenn aber direkt neben der Stadt eine Fläche von der Größe des Tegernsees asphaltiert werden und damit den Bewohnern von Freising noch mehr Abgase und noch mehr Lärm zugemutet werden solle, dann sei das keine Perspektive für die Zukunft. Dass seit nunmehr rund 20 Jahren – also seit fast einer Generation – mit dem Segen der Staatsregierung an diesem Vorhaben festgehalten werde, auch das sei keine Zukunftsperspektive. Ebenso, dass man sich bei den Flugbewegungen an Prognosen klammere, die noch nie zugetroffen hätten und Jahr für Jahr aufs Neue ins Reich der Fantasie verwiesen werden müssten. Für das Jahr 2025 seien rund 590 000 Flugbewegungen vorausgesagt worden. 2024 habe man gerade mal 320 000 gezählt.
Dass man nun bei der Regierung von Oberbayern versucht habe, still und heimlich ewiges Baurecht für dieses „völlig unnötige Projekt“ zu bekommen, zeige deutlich, wie wenig Rücksicht man auf die Bürger nehme. Und zu welchem Kniff die FMG vor den Augen der Staatsregierung greife. Eschenbacher will aber auch weiterhin nicht aufgeben. „Wir werden uns weder übertölpeln lassen noch resigniert den Kampf aufgeben. Wir waren, wir sind und wir werden wachsam bleiben – wenn es sein muss, auch die nächsten 20 Jahre“, versprach er. FMG und Staatsregierung gab Freisings OB zum Schluss noch Folgendes mit auf den Weg: Eines noch sollten beide nicht vergessen, „wir waren zuerst da.“