Freischankflächen-Zoff in München: Behindertenbeauftragter ist wütend | ABC-Z
München – Rollstuhlfahrer Oswald Utz ist seit beachtlichen 20 Jahren Vertreter der Interessen von Münchnerinnen und Münchnern mit Handicap. Doch so fassungslos wie am Donnerstag hat man ihn wohl selten am Telefon erlebt. Grund ist die ablehnende Haltung der Münchner SPD-Fraktion zum Vorschlag der Kreisverwaltungsreferentin Hanna Sammüller-Gradl, die Gehweg-Mindestbreite an Engstellen wie Freischankflächen oder festen Verkaufsständen von derzeit 1,60 Meter auf 1,80 Meter zu erhöhen (AZ berichtete).
Warum Utz fast wütend ist: “Die SPD war in den Vorverhandlungen des Vorschlags immer eingebunden”, sagt er. Nie habe er über Monika Burger – die für den Behindertenbeirat die Gehwegverbreiterung mitverhandelt habe – kritische Töne zu dem Projekt gehört. “Wir kämpfen seit Jahren für die Regelung. Kein Wirt oder Händler braucht Pleite zu gehen. Es würde doch Ausnahmeregelungen geben”, so Utz.
Besonders ärgert ihn offenbar die Haltung von Christian Vorländer in der AZ, dass die SPD-Fraktion statt des KVR-Vorschlags auf Einzelfall-Lösungen setze und dort eine Verbreiterung befürworte, wo es eng wird, “in denen es Schwierigkeiten gibt”, sagte er zur AZ am Mittwoch.
Utz fragt sich, warum man quasi die Beweislast umkehrt: “Warum müssen erst Rollstuhlfahrer oder Eltern mit Kinderwägen beweisen, dass die Breite zu knapp ist”, schäumt er. Umgekehrt sei es doch sinnvoller. Wenn ein Wirt oder ein Händler erklären könne, dass eine Gehwegverbreiterung seine Existenz bedrohe, weil zu viele Tische wegfallen, “dann könnte es doch eben Ausnahmen geben.” Utz fordert alle Beteiligten auch dringend dazu auf, die besprochene Regelung zu differenzieren und auf keinen Fall zu pauschalisieren.
“Schanigärten sind überhaupt nicht betroffen, solange sie sich auf ehemaligen Parkflächen oder im Straßenraum befinden”
Verärgert fühlt sich Utz von dem verfälschten Gesamteindruck, dass von der Regelung Schanigärten betroffen sein könnten. Dem widerspricht er vehement. Die verhandelte Änderung der Sondernutzungsrichtlinien für Freischankflächen gefährde keine Schanigärten, “sofern sie sich im Straßenraum, bzw. auf ehemaligen Parkflächen befinden”.
Sie seien schlicht von der Regelung zu Mindestbreiten von Gehwegen nicht betroffen. Betroffen seien dagegen Freischankflächen, “die den Raum auf Gehwegen, die eigentlich für die Öffentlichkeit bestimmt sind, für sich beanspruchen”, so Utz in einer schriftlichen Stellungnahme.
Übersehen werde, so Utz weiter, “dass keineswegs vorgesehen ist, die Mindestbreite von 1,80 m in allen Bereichen der Stadt durchzusetzen”. Für bestehende Freischankflächen und in beengten Situationen seien Abweichungen möglich. “Auch trifft es nicht einzelne Obststände, kurze Strecken mit den bisherigen Maßen von 1,60 m sind nicht das Problem”, so Utz. Hier bestehe eher die Gefahr, dass die Stände zu dicht oder gar direkt auf Blindenleitsysteme aufgestellt werden, also den im Straßenbelag eingelassenen Rillen, an denen sich blinde Menschen mit dem Langstock orientieren.
Utz fühlt sich von der Haltung der SPD überrumpelt. Seit zwei Jahren werde die Regelung um die Verbreiterung der Gehwege verhandelt, die jetzt wohl scheitert, weil es im Stadtrat offenbar keine Mehrheit gibt.