Frauenhaus Dachau: „Ein Rechtsanspruch bringt nichts, wenn die nötige Infrastruktur fehlt“ – Dachau | ABC-Z

216 Mal wurde im Frauenhaus Dachau im vergangenen Jahr ein Platz angefragt, 204 Mal gab es eine Absage. Das lässt sich dem Jahresbericht des Frauenhauses Dachau für 2024 entnehmen. Der überwiegende Grund für eine Ablehnung sei „Platzmangel“, sagt Laura Kaufmann, die Leiterin der Einrichtung. Damit ist Dachau nicht allein: Bundesweit fehlen Plätze. Dabei stellen diese Häuser einen wichtigen Schutz für Frauen dar, die von häuslicher Gewalt betroffen sind.
Das im Februar beschlossene Gewalthilfegesetz stimmt hoffnungsvoll, laut Kaufmann ist es ein „Meilenstein im Kampf gegen Gewalt“. Erstmals soll Gewaltopfern ab 2032 bundesweit ein individueller Rechtsanspruch auf kostenfreien Schutz zustehen. Das bedeutet: Frauen haben dann einen rechtlichen Anspruch auf einen kostenfreien Zugang zu einer Schutzeinrichtung. Um dem gerecht zu werden, muss aber noch einiges geschehen: Ein entsprechendes Hilfesystem muss ausgebaut werden, und auch die Präventionsarbeit aufseiten der Täter soll verstärkt werden.
:„Die Sicherheit von Frauen und Kindern wird nicht priorisiert“
170 Frauen musste das Frauenhaus allein in Dachau im vergangenen Jahr ablehnen. In ganz Deutschland ist die Situation der Frauenhäuser problematisch, es fehlen Plätze und Personal. Das geforderte Gewalthilfegesetz könnte helfen.
Das Gewalthilfegesetz habe das Ziel, jeder Frau künftig Unterstützung und Hilfe zur Verfügung zu stellen, sagt auch Katrin Staffler, CSU-Bundestagsabgeordnete für Dachau und Fürstenfeldbruck. Der Bund übernehme „mit dem Gewalthilfegesetz zum ersten Mal auch finanzielle Verantwortung und unterstützt künftig die Länder und Kommunen bei ihrer Aufgabe, Frauen effektiv zu schützen“, betont Staffler. Frauenhäuser, die aus allen Nähten platzen, sollen damit also ihre verfügbaren Plätze ausbauen können.
Damit könnte die Entwicklung des Schutzes von Gewaltopfern endlich ins Positive gedreht werden. Bisweilen stieg 2023 die Zahl der Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden, weiter an, wie dem Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ des Bundeskriminalamts zu entnehmen ist. Auch die verzeichneten Femizide – also die Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist – nahmen zu. Eine alarmierende Entwicklung – und eine Entwicklung, die zum Handeln anstoßen sollte.
Frauenhäuser an der Kapazitätsgrenze
Das Gewalthilfegesetz könnte ein wichtiger Schritt sein, sofern der Anspruch auf Schutz mit einem entsprechenden Ausbau der Hilfestruktur vorbereitet werde, so Kaufmann: „Ein Rechtsanspruch bringt nichts, wenn die nötige Infrastruktur fehlt.“ Und dafür brauchen die Frauenhäuser vor allem eins: finanzielle Mittel. Das Personal ist nicht nur für die von Gewalt betroffenen Frauen zuständig, sondern auch für deren Kinder, die teils schwer traumatisiert in der Schutzstelle ankommen. „Das Miterleben der Gewalt hinterlässt Spuren“, sagt Kaufmann.

Etwas mehr als 21 000 Plätze in Frauenhäusern wären deutschlandweit nötig, um der Empfehlung der Istanbul-Konvention des Europarats zu entsprechen. Im Rahmen dieses Übereinkommens hat die Bundesregierung sich 2018 zur umfassenden Bekämpfung von häuslicher Gewalt und von Gewalt gegen Frauen verpflichtet. Im Jahr 2023 gab es in Deutschland allerdings gerade mal rund 7700 Plätze in Frauenhäusern, wie die bundesweite Frauenhaus-Statistik des Vereins Frauenhaus-Koordinierung feststellte. Die Ablehnung von schutzsuchenden Frauen in Dachau ist also die Regel: bundesweit werden zahlreiche Frauen an Schutzstellen aus Platzmangel abgewiesen. „Der Staat muss Verantwortung übernehmen und den Opferschutz als prioritäre Aufgabe betrachten“, findet Kaufmann.
Fast jeden Tag wird eine Frau in Deutschland getötet, weil sie eine Frau ist
Auch die Präventionsmaßnahmen müssen laut Kaufmann ausgebaut werden. Es brauche „Aufklärungsarbeit, Schulungen und eine Sensibilisierung der Gesellschaft und vor allem auch der Behörden“, damit die Menschen, die zu potenziellen Tätern werden, idealerweise davon abgebracht werden oder zumindest das persönliche und behördliche Umfeld von Täter und Opfer schneller reagiert.
Fakt ist: Der Status quo in Deutschland bietet keinen ausreichenden Schutz. „Fast jeden Tag wird eine Frau Opfer eines Femizids in Deutschland. (…) Alle drei Minuten erlebt eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland häusliche Gewalt. Die Zahlen sind alarmierend“, betont Kaufmann. Dennoch stimmt sie die geplante Umsetzung des Gewalthilfegesetzes optimistisch. Dadurch könnten Hürden abgebaut werden – ob eine Frau aufgenommen werden könne, hänge nämlich davon ab, ob sie die Miete bezahlen kann, so Kaufmann. Sie sagt: „Ein Frauenhausplatz darf nicht davon abhängig sein, wie viel Geld einer Betroffenen zur Verfügung steht.“
Kaufmann appelliert aber nicht nur an die Politik, sondern auch an die Gesellschaft: „Hinsehen. Hinhören. Helfen.“ Habe man einen Verdacht auf häusliche Gewalt, könne man sich auch als Angehöriger oder Freundin bei Beratungsstellen oder Frauenhäusern melden. Hauptsache, man sieht nicht weg.
Von Gewalt betroffene Frauen können sich beim bundesweiten Hilfetelefon (08000 116 016), dem Frauenhaus Dachau (08131 / 51 47 26), der Dachauer Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt (08131 / 74 344) oder unter dem Polizeinotruf 110 melden.