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Frauenfußball-EM-Finale: England besiegt Spanien im Elfmeterschießen und ist Europameister | ABC-Z

Die Jubelrufe der Engländerinnen wollten nicht abebben im Abendlicht dieses gewittrigen Schweizer Sommertags, an dem pünktlich zum Showdown auch noch ein paar Sonnenstrahlen die dichten Wolken über dem St.-Jakob-Park-Stadion durchdrangen. Die Spielerinnen in den weißen Trikots lagen sich in den Armen, erschöpft und glücklich gleichermaßen.

Sie zelebrierten ihre Freude über den 3:1-Sieg im Elfmeterschießen gegen Spanien mit einer ähnlichen Beharrlichkeit, die sie durch dieses Turnier getragen hatte – bis hin zum Sonntag, an dem ihre Entschlossenheit auch im Finale der Europameisterschaft den Unterschied machte und sie als erfolgreicher Titelverteidiger um 21.08 Uhr im Konfettiregen auf der Bühne vor dem Anstoßkreis als sichtbares Zeichen ihrer Überlegenheit abermals den Gewinnerpokal in die Luft stemmen konnten.

Auf der anderen Seite des Rasens standen die entthronten Spanierinnen, nicht weniger ausgelaugt, aber mit gesenkten Köpfen, einige blickten regungslos ins Leere, andere lauschten den Trostwörtern ihrer Mitspielerinnen. Doch es gab kein Vertun: An dieser Niederlage gab es nichts mehr zu rütteln – ausgerechnet, als es endgültig darauf ankam, fand die Elf von Montserrat Tomé, die zuvor oft mit Leichtigkeit alle Hürden übersprungen hatte, in den furchtlosen „Lionesses“ ihren Meister. Nach neunzig Minuten hatte es nach Treffern von Maria Caldentey (25. Minute) und Alessia Russo (57.) 1:1 gestanden, die Verlängerung war torlos geblieben. 

„Ich hoffe, dass ganz England rauskommt und mit uns feiert“

„Ich bin einfach so wahnsinnig stolz auf die Mannschaft. Ich bin so dankbar, hier stehen zu können“, sagte Angreiferin Chloe Kelly, die den entscheidenden Versuch im Elfmeterschießen verwandelte. „Ich hoffe, dass ganz England rauskommt und mit uns feiert.“ Die beim FC Bayern spielende Georgia Stanway sprach von einem „unwirklichen“ Gefühl: „Dieses Turnier war ein Wirbelsturm.“

Sarina Wigman, die Trainerin der Engländerinnen, konnte bei ihrer Vorbereitung auf eine Erfahrung zurückgreifen, über die sonst keiner der Beteiligten verfügte. Es war bereits das fünfte Finale in den zurückliegenden acht Jahren für die gebürtige Niederländerin.

Nervenstark: Chloe Kelly bejubelt den entscheidenden Elfmeter.EPA

In ihrer Startformation fand sich auch Lauren James wieder, die im Halbfinale gegen Italien zur Pause wegen Fußproblemen ausgewechselt worden war und seitdem von den Physiotherapeuten und Medizinern intensiv behandelt wurde, sodass sie, wie es Wigmans öffentlich formulierter Wunsch war, für diese „Do-or-die-Match“ zur Verfügung stand. Und die 55 Jahre alte Fußballlehrerin hatte sich eine Systemänderung ausgedacht, die für James einen Rollentausch vorsah. Sie rückte weg von ihrem Stammplatz auf dem rechten Flügel und nahm auf der gegenüberliegenden Seite den offensiven Posten hinter Mittelstürmerin Alessia Russo ein.

James hätte schon in der vierten Minute der Partie, in der sich hüben wie drüben niemand lange zurückhielt, um die Gestaltungshoheit auf dem Rasen zu erlangen, einen besonderen Dreh geben können. Sie war bei einem Vorstoß mit nach vorne geprescht, bekam im hohen Tempo das Zuspiel von Russo allerdings nichts unter Kontrolle und verlor den Ball wenige Meter vor Cata Coll.

Auch eine Unsicherheit der spanischen Torhüterin im Spielaufbau blieb folgenlos: Ihrem Pass auf Laia Aleixandri fehlte der Druck, Lauren Hemp konnte dazwischen sprinten, aber sie schloss an der rechten Fünfmeterraumecke zu überhastet ab (19.). Wie es effektiver geht, machte die Elf von Montserrat Tomé deutlich: Aitana Bonmatí setzte sich auf der rechten Seite durch, band Athenea del Castillo ein, die auf die in Position gelaufene Ona Batlle weiterleitete.

Die Rechtsverteidigerin hob den Ball zentral in den Strafraum, wo Caldentey in die Höhe sprang und die Kombination mit einem Kopfball aus sechs Metern vollendete. Wigman beendete noch vor dem Seitenwechsel das Experiment mit James, nahm die nicht fit wirkende Dreiundzwanzigjährige runter und brachte stattdessen Chloe Kelly, die 2022 im Finale von Wembley den Deutschen in der Verlängerung mit dem 2:1 den Knockout verpasst hatte. Der Aktionsradius der Spielerin von Arsenal London war ungleich höher.

Schlagabtausch auf Augenhöhe

In der zweiten Halbzeit bekamen es die Spanierinnen mit einem Konkurrenten zu tun, der sich jetzt wesentlich besser zur Wehr setzte. Die Engländerinnen verrichteten ihre Abwehrpflichten konsequenter und lenkten die Angriffe nach außen ab, wo ihnen weniger Gefahr drohte. Gleichzeitig gelang es ihnen, vornehmlich angetrieben von Lucy Bronze und Georgia Stanway, durch ein erhöhtes Laufpensum öfter in den Rücken der Abwehrkette von „La Roja“ vorzudringen.

Der Ausgleich war Lohn für ihre intensivierten Bemühungen: Russo traf nach einer Kelly-Flanke mit dem Kopf zum 1:1 (59.) – und von dem Moment an war es wieder ein Schlagabtausch auf Augenhöhe, in dem jeder Fehler den K.o. bedeuten konnte. Entsprechende Vorsicht ließen die Teams beim Absichern ihres Terrains walten, sodass es mangels weiterer zählbarer Ereignisse in die Overtime ging, die zwar aufregend verlief, aber niemanden zum Jubel veranlasste. Im Elfmeterschießen fiel dann nach dem neunten Versuchen die Entscheidung für Wigmans Ensemble.

Der Rest war eine englische Party und die Kulisse dazu passte: 34.203 Fans hatten sich in der Arena versammelt, womit sie zu einem neuen Rekord beitrugen: Die Gesamtzuschauerzahl der EM summierte sich zum Ende der am 2. Juli begonnenen Veranstaltung auf die Zahl von 657.291 Besuchern; fast Hunderttausend mehr als 2022, als es auf der britischen Insel unter gleichen Vorzeichen um Ruhm und Ehre ging.

All jenen, die in den vergangenen vier Wochen vor Ort mit ihrem Ticketkauf die Bestmarke möglich gemacht hatten, wurde in fast durchweg ausverkauften Stadien unterhaltsamer Fußball geboten – maßgeblich von den Engländerinnen. Das erkannten auch die spanischen Verliererinnen an, die einen Moment brauchen werden, um die Enttäuschung zu verkraften.  Aber bevor sie in Basel hinter den Kulissen verschwanden, applaudierten auch sie dem neuen Champion, der sich diese Bezeichnung in der Schweiz bis zum Happy End rechtschaffen erarbeitet hatte.

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