Frankreich: „Unsere Staatsverschuldung ist gigantisch“ | ABC-Z
Zur Sanierung des Staatshaushalts will Frankreichs Regierung noch mehr Unternehmen zur Kasse bitten als erwartet. Finanz- und Wirtschaftsminister Antoine Armand sprach bei Vorstellung des Haushaltsentwurfs für 2025 am Donnerstag von 440 Konzernen, von denen man eine „zeitlich begrenzte Anstrengung“ verlange. Bislang war von rund 300 Unternehmen die Rede gewesen.
Die geplante Sonderabgabe soll acht Milliarden Euro an Mehreinnahmen einbringen. Fällig werden soll sie für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens einer Milliarde Euro und zwei Jahre lang gelten. Die Pläne sehen vor, ihnen etwas mehr als ein Fünftel der in diesem Jahr fälligen Körperschaftssteuer zusätzlich aufzubürden. Für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens drei Milliarden Euro sollen es zwei Fünftel sein.
Der am Donnerstag präsentierte Haushaltsentwurf ist mit Spannung erwartet worden, nachdem das hoch verschuldete Frankreich seit einigen Monaten unter verschärfter Beobachtung von Kapitalmärkten, Ratingagenturen und EU-Kommission steht. Nach der Verabschiedung durch den Ministerrat wird er an diesem Freitag den Finanzausschüssen von Nationalversammlung und Senat vorgelegt. Anschließend beginnt die parlamentarische Debatte.
19,3 Milliarden Euro an Steuererhöhungen
Ungewiss ist insbesondere, was von den geplanten Steuererhöhungen in den kommenden Wochen übrig bleibt. Denn schon jetzt regt sich aus den Reihen der Präsidentenpartei starker Widerstand aus Sorge davor, Unternehmen und Investoren nach Jahren einer wirtschaftsfreundlichen Politik zu vergraulen. Dabei wäre der Ausgang der Haushaltsdebatte ohnehin ungewiss, da die Regierung von im Parlament keine absolute Mehrheit der Abgeordneten hinter sich weiß.
Bliebe der Haushaltsentwurf vom Parlament unverändert, erhöhte der französische Staat von Unternehmen und Bürgern die Steuern im Umfang von 19,3 Milliarden Euro. Zu den großen Posten gehört neben der Sonderabgabe für Konzerne eine stärkere Besteuerung von Strom, Flugtickets und dem Kauf größerer Autos. Zudem plant die Regierung eine Sonderabgabe für Franzosen mit einem zu steuerlichen Referenzeinkommen von mehr als 250.000 Euro (500.000 Euro für Ehepaare).
Diese Haushalte bezahlen schon heute einen Steuerzuschlag, der unter Präsident Nicolas Sarkozy in der Eurokrise eingeführt worden war und nur solange Bestand haben sollte, wie die Staatsfinanzen im Ungleichgewicht sind. Nun soll er „optimiert“ werden. Konkret will die Regierung dafür sorgen, dass jeder der Haushalte mit mindestens 20 Prozent besteuert wird. Das soll jährlich zwei Milliarden Euro zusätzlich in die Staatskasse spülen – „und für drei Jahre gelten, um den Sanierungspfad der öffentlichen Finanzen zu begleiten“, wie es im Haushaltsentwurf heißt.
„Unsere Staatsverschuldung ist gigantisch“
Auf der Ausgabenseite stehen Kürzungen im Umfang von 41,3 Milliarden Euro. Sie reichen von einer Verschiebung der regulären Rentenerhöhungen vom 1. Januar auf den 1. Juli 2025 über eine Kürzung von geplanten Unternehmensbeihilfen bis zu Kostensenkungen in der Verwaltung. „Um mit weniger Personal mehr zu erreichen, schlagen wir rund 2200 Stellenstreichungen vor, die sich auf die Ministerien und die staatlichen Einrichtungen verteilen“, sagte an der Seite von Finanzminister Armand der direkt dem Premier unterstellte Haushaltsminister Laurent Saint-Martin.
Alles in allem ergeben sich „Sparmaßnahmen“ in der Größenordnung von rund 60 Milliarden Euro. „Gespart“ wird jedoch nur insoweit, als diese Summe einen weiteren Anstieg des Haushaltsdefizits verhindern soll, nach 6,1 Prozent in diesem Jahr. „Wenn wir nichts tun, würde das Defizit im Jahr 2025 auf etwa 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen“, sagte Armand. Mit dem 60 Milliarden Euro-Paket soll die Neuverschuldung also sinken, statt zu steigen. Der Zielwert im kommenden Jahr lautet fünf Prozent. Anschließend soll das Defizit stufenweise sinken auf drei Prozent im Jahr 2029.
„Unsere Staatsverschuldung ist gigantisch“, betonte Armand und nannte es „zynisch und fatal“, dies „nicht zu sehen, nicht zu sagen und nicht zuzugeben“. Hauptziel des neuen Haushalts und des damit verbundenen Kurses sei es deshalb, das Defizit zu verringern und die Verschuldung einzudämmen. Auf Regierungsseite spricht man mit Blick auf die Sanierungsvorhaben von einer „in dieser Größenordnung noch nie da gewesenen Anstrengung“.
„Nachhaltig beeinträchtigen“
Gleichwohl halte die französische Wirtschaft stand, sagte Armand. Mit 1,1 Prozent liege das Wachstum über dem Durchschnitt der anderen Länder der Eurozone. Die Fundamentaldaten seien „solide“, nicht zuletzt sei die Arbeitslosenquote auf dem niedrigsten Stand seit 40 Jahren und habe sich die Attraktivität des Standorts Frankreichs in den Jahren unter Präsident Emmanuel Macron deutlich verbessert. Auch im kommenden Jahr erwartet der Minister ein Wachstum von 1,1 Prozent. Dieser Wert ist im Haushaltsentwurf zugrunde gelegt worden.
Ob es so kommt, ist jedoch gerade wegen der geplanten restriktiveren Haushaltspolitik, die den Staatskonsum dämpft, und Steuererhöhungen nicht ausgemacht. Zu dieser Einschätzung kam der dem französischen Rechnungshof angegliederte Hohen Rat für öffentliche Finanzen. In der Wachstumsprognose der Regierung würden „günstige Annahmen für den Welthandel, die Unternehmensinvestitionen und den Rückgang der Sparquote der privaten Haushalte zugrunde gelegt, die einer deutlichen Beschleunigung der Wirtschaftstätigkeit ohne Haushaltsanpassung entsprechen würden“, schrieb er in einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme.
Auch wenn keine Rezession wie in Deutschland droht, so waren auch die jüngsten Signale aus der französischen Wirtschaft schon eher negativ. „Wir beobachten eine deutliche Verschlechterung der konjunkturellen Lage“, sagte Arbeitgeberpräsident Patrick Martin am Donnerstag in der Zeitung „Les Echos“. Der Konsum der Haushalte komme nicht wieder in Gang, und die Investitionen der Unternehmen verschlechterten sich. Die jüngste Entscheidung von Reifenhersteller Michelin, in einigen Fabriken Kurzarbeit einzuführen, gilt als Symbol für das trübere Wirtschaftsklima. Gerade in dieser Situation würden die Steuererhöhungspläne in aktueller Form die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigung „nachhaltig beeinträchtigen“, warnte der Arbeitgeberpräsident.