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Frankfurt: Simply Red in der Festhalle | ABC-Z

Mick Hucknall redet Tacheles. Gleich nach dem zweiten Song wendet der Bandchef, Sänger, Komponist und Texter sich an das Publikum in der ausverkauften Festhalle: „Ich bin krank, meine Band ist leider auch krank.“ Auf der Tour zum 40. Jahrestag der Gründung der Band hätten seit Wochen alle vor sich hin geschnieft. Nun habe ihn selbst auch noch eine schlimme Rachenentzündung im Griff. Man möge ihm vergeben, wenn seinen Stimmbändern „shitty notes“ entwichen. „Ich bin lieber bei euch, als die Show zu canceln“, sagt der 65 Jahre alte Brite. Was tosenden Applaus nach sich zieht.

Nein, unterkriegen lässt sich Hucknall ganz gewiss nicht. Noch immer steht er zu einem Wort ganz vom Anfang seiner Weltkarriere. „Ich möchte ein großer Sänger sein, ich möchte der Beste sein“, hieß es aus seinem Munde vor vier Jahrzehnten und diese Sätze sind auch im Filmintro in der Festhalle zu hören. Den fulminanten musikalischen Einstand liefern danach der intime, selbstironische Bar-Jazz von „Same Old Red“ sowie der raffinierte Soulheuler „Jericho“ mit der denkwürdigen Zeile „You won’t go to the ball“.

Hucknalls gesprochene Überleitungen klingen dazwischen deutlich angekratzt. Nach jedem Song steht Naseputzen an. Vorrang hat trotzdem die Vierzigjahrfeier. Sie ist mehr oder minder eine Greatest-Hits-Kollektion aus 13 Studioalben. Nein, nicht ganz. Einige Alben sparen Simply Red gänzlich aus. Die subtil arrangierten Evergreens des Abends zwischen Sophisti-Pop, Blue-Eyed Soul, Smooth Jazz, White Funk sowie weiteren Groove-Ingredienzen stammen mehrheitlich von der Band selbst.

Meister der Cover-Versionen

Sie werden zauberhaft meisterlich intoniert von Kenji Suzuki (E-Gitarre, Harmoniegesang), Ian Kirkham (Saxophon, Keyboards), Kevin Robinson (Trompete, Flügelhorn, Percussion, Harmoniegesang), Roman Roth (Schlagzeug, Harmoniegesang), Gary Sanctuary (Keyboards) und Orefo Orakwue (Bass, Harmoniegesang).

Hucknall erzählt zwischendurch kleine Geschichten und Anekdoten zu einzelnen Stücken. Der LP-Titelsong „A New Flame“ etwa entstand in der Karibik auf Montserrat im AIR Studio des Beatles-Produzenten George Martin. „You’ve Got It“ ließ sich in Ko-Komposition mit dem Tamla-Motown-Strategen Lamont Dozier realisieren, „Enough“ mit Joe Sample von The Jazz Crusaders. Tanzbegeisterung im Auditorium erzeugen „For Your Babies“, „Stars“ und „Thrill Me“. Bei der Unicef-Hymne „Say You Love Me“ greifen ruhige Töne durch.

Auf kongeniale Weise meistern Simply Red Coverversionen und drücken ihnen einen ureigenen Stempel auf. Wer glaubt heutzutage noch, dass die elegische Soul-Ballade „If You Don’t Know Me By Now“ von der amerikanischen Truppe Harold Melvin & The Blue Notes stammt? Gleiches gilt für die atemberaubenden Hymnen „Money’s Too Tight (To Mention)“ von The Valentine Brothers, „It’s Only Love Doing Its Thing“ von Barry White und „You Make Me Feel Brand New“ von The Stylistics.

Auf die Zielgerade biegen Simply Red mit „Fake“, „Sunrise“ und der Samba-Orgie „Fairground“. Was fehlt jetzt noch? Ein weiterer famoser Tanzknüller wie „Something Got Me Started“. Mit der Soul-Ballade „Holding Back The Years“ enden die Jubiläumsfeierlichkeiten auf hohem Niveau. Nicht ohne Stolz verkündet Hucknall, dass der melancholische Evergreen entstand, als er 17 Jahre alt war. Es war erst sein zweiter Versuch, einen Song zu komponieren.

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