Frankfurt richtet Drogenpolitik neu aus: Auch Land und Bund sind gefragt |ABC-Z

Sozialdezernentin Elke Voitl (Die Grünen) hat im Frankfurter Gesundheits- und Sozialausschuss erstmals das neue Konzept rund um das geplante Suchthilfezentrum an der Niddastraße vorgestellt. Es soll den vor 30 Jahren eingeschlagenen Weg in der Drogenpolitik auf die neuen Bedingungen ausrichten und den Süchtigen möglichst niedrigschwellig helfen. Crack habe die Drogenszene im Bahnhofsviertel derart verändert, dass Hilfsangebote dringend angepasst werden müssten, so die Annahme.
Das Suchthilfezentrum an der Niddastraße, das laut Voitl bis Ende des Jahres bezugsfertig sein soll, ist dabei Kern des Angebots. In dem nun vorgestellten Bericht haben Experten des Drogenreferats auf 29 Seiten aufgeführt, was künftig getan werden soll, um den Süchtigen zu helfen, aber auch den Druck auf das Umfeld, vor allem im Bahnhofsviertel, zu mindern.
Clearingstelle im Suchthilfezentrum
Die weiterentwickelte Strategie des Sozialdezernats, die nach Auskunft Voitls mit allen Drogenhilfeeinrichtungen und der Landespolizei abgestimmt worden ist, gliedert sich in mehrere Teile. Zum einen soll den Süchtigen so früh wie möglich geholfen werden, damit sie gar nicht erst ins Elend geraten. Drogenkonsumenten aus anderen Kommunen sollen über eine Clearingstelle, die im Suchthilfezentrum angesiedelt wird, frühzeitig aus der Szene gewiesen werden. Süchtigen, die ihren festen Wohnsitz außerhalb Frankfurts haben, aber dort Sozialleistungen beziehen oder in Reha sind, soll eine assistierte Rückkehrhilfe mit einer Fallübergabe angeboten werden. Ein Angebot, das schon besteht, das sich jedoch auf zu wenige Hilfseinrichtungen in den Heimatkommunen der Süchtigen stützen konnte.
Derzeit entstehen in größeren hessischen Städten entsprechende Einrichtungen, weil man auch dort die Notwendigkeit dafür erkannt habe. Die von Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) geforderte Abweisung von Süchtigen aus anderen Städten in Einrichtungen der Frankfurter Drogenhilfe hatte in jüngster Zeit zu Streit im Römer geführt. Das Stadtparlament hatte sich letztlich gegen Josefs Vorhaben ausgesprochen. Voitl machte im Sozialausschuss deutlich, dass in medizinischen Notfällen kein Drogenkonsument abgewiesen werde.
Bisher gibt es keine Behandlung für Cracksüchtige. Frankfurt möchte daher Studien zur Substitution mit Cannabis, Off-Label-Medikamenten oder Kokain initiieren. Dazu benötigt die Stadt allerdings Unterstützung von Land und Bund, sowohl finanziell als auch durch Gesetzesänderungen. Denn die gesetzliche Voraussetzung für die Substitution einer Droge orientiert sich im wesentlichen noch an den Bedingungen, die in den Neunzigerjahren durch die Verbreitung von Heroin gegeben waren. So werde etwa eine zwei Jahre dauernde Abhängigkeit und ein Mindestalter von 23 Jahren vorausgesetzt. In allen Fällen, in denen eine Gesetzesänderung nötig sei, habe sie schon Anfragen an Land und Bund gestellt, sagt Voitl auf Nachfrage: „Die Prozesse sind alle angestoßen.“
Auch die Wohnsituation für obdachlose Drogenabhängige hat das neue Konzept des Frankfurter Wegs im Blick. Zusätzlich zu den rund 150 Notschlafbetten in verschiedenen Einrichtungen will das Drogenreferat nun Mikroapartments in der Nähe des Suchtzentrums schaffen, in denen die Menschen übergangsweise leben und je nach Bedarf unterstützt werden können.
„Frankfurter Weg 2.0“ in der Drogenpolitik
Der dritte Teil des Konzepts beschäftigt sich mit dem sogenannten Ameisenhandel, dem Verkauf kleiner Drogenmengen durch Süchtige untereinander. Es müsse Rechtssicherheit für die Mitarbeiter der Suchthilfeeinrichtungen geschaffen werden, damit sie für Kleinsthandel unter Konsumenten nicht strafrechtlich belangt werden könnten. Ein vierter Teil des Konzepts beschäftigt sich mit der Prävention: Es müsse unbedingt verhindert werden, dass sich Crack in der Partyszene ausbreite.
Der „Frankfurter Weg 2.0“, wie das Vorhaben angekündigt wurde, ist insgesamt keine Neuausrichtung, sondern eine Fortschreibung dessen, was die Drogenpolitik der Stadt seit den achtziger Jahren ausgemacht hat: Süchtige nicht als Kriminelle, sondern als Kranke zu sehen, denen man helfen will. Im Ausschuss zeigte das Dezernat ein kurzes Video, das zwei Vordenker des Frankfurter Wegs zu Wort kommen ließ. Der frühere Oberstaatsanwalt Harald Körner und der Drogenforscher Hans-Volker Happel erinnerten daran, dass damals jedes Jahr 150 Menschen an ihrem Drogenkonsum gestorben seien. Heute sind es etwa 30. Der Frankfurter Weg, bekräftigen beide, sei in diesem Sinne erfolgreich und müsse nun weiterentwickelt werden: „Aber nur weil alle Parteien und Ämter an einem Strang gezogen haben, war es ein Erfolg“, hebt Körner hervor.