Frankfurt lehnt Verpackungssteuer ab, Wiesbaden und Darmstadt prüfen | ABC-Z

Weggeworfene Plastikteller, Hamburger-Boxen und To-go-Becher sind nicht nur ein optisches Ärgernis, sondern sie schaden auch massiv der Umwelt. Trotzdem wird die Stadt Frankfurt in absehbarer Zeit keine Verpackungssteuer erheben, auch wenn dies nach einem neuen Urteil des Bundesverfassungsgerichts rechtlich möglich wäre.
„Wir glauben nicht an die Lenkungswirkung einer Verpackungssteuer“, sagt ein Sprecher von Stadtkämmerer Bastian Bergerhoff (Die Grünen) und begründet damit die ablehnende Haltung des Frankfurter Magistrats. Die Städte Wiesbaden und Darmstadt prüfen dagegen, ob eine solche Steuer eingeführt wird und wie sie ausgestaltet werden könnte.
Schon im August 2023 hatte sich die Frankfurter Stadtregierung gegen die Einführung einer Verpackungssteuer ausgesprochen. „An dieser Position hat sich für uns durch den Gerichtsentscheid überhaupt nichts verändert“, heißt es. Eine Lenkungswirkung werde auch deswegen nicht erwartet, weil Verbraucher trotz höherer Preise nicht zwischen Einweg- und Mehrwegverpackungen unterscheiden würden.
Tübingen als Vorbild
Eine gezielte Verteuerung von Einwegverpackungen, die eine spürbare Lenkungswirkung entfalte, wäre nach Einschätzung Frankfurts nur dann zu erzielen, wenn rechtlich vorgeschrieben würde, dass gleichartige Produkte in Einwegverpackungen teurer als solche in Mehrwegverpackungen zu verkaufen sind. „Dafür bräuchte es aus unserer Sicht eine bundeseinheitliche Regelung“, sagt der Sprecher von Bergerhoff.
Ein weiterer Grund, weshalb Frankfurt die Steuer derzeit nicht einführen möchte, sei der zu erwartende hohe Verwaltungsaufwand, um die Regelung zu überprüfen und durchzusetzen. Welche Einnahmen die Stadt mithilfe einer Verpackungssteuer erzielen könnte, ist unklar, denn dies sei „nie wirklich durchgerechnet worden“, heißt es weiter aus dem Römer. Eine solche Kalkulation sei zudem sehr komplex, denn die Stadt könne nicht sagen, wie viele Speisen und Getränke to go verkauft würden.
„Wir setzen auf andere Wege.“ Im Frankfurter Römer verweist man auf die vor mehr als fünf Jahren eingeführte Initiative Mainbecher der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH, die, gestützt auf ein Pfandsystem, als unentgeltliches Mehrwegsystem funktioniert. Auch eine Wiederbelebung der Idee von Stadträtin und Ordnungsdezernentin Annette Rinn (FDP), eine Steuer auf Pizzakartons einzuführen, ist offenbar kein Thema.
In Wiesbaden hatten die Stadtverordneten im Juli 2023 dem Magistrat den Auftrag erteilt, die Einführung einer Verpackungssteuer nach dem Vorbild der Stadt Tübingen zu prüfen. Nach Auskunft eines Sprechers der Stadt hatte man sich in Tübingen über die Wirkung der Steuer informiert und kam zu dem ersten Ergebnis, dass die Abfallmenge von Einwegverpackungen mithilfe dieser Steuer um mehr als die Hälfte reduziert werden könnte. Aber, so eine weitere Erkenntnis, die Steuer führe zu einer erheblichen Belastung der Gastronomen, wenn es kein funktionierendes Mehrwegsystem gebe.
Bundeseinheitliche Regelung gewünscht
„Wir müssen den Abfall weiter reduzieren“, sagt Wiesbadens Bürgermeisterin Christiane Hinninger (Die Grünen) zum Thema, schränkt jedoch ein: „Wir möchten aber auch vermeiden, Gastronomen über Gebühr zu belasten.“ Unter anderem aus diesem Grund hatte die Stadt gemeinsam mit Mainz im ersten Halbjahr 2024 das Pilotprojekt Mehrweg-Modellstadt aufgelegt.
Ein Sprecher der Stadt Wiesbaden bezeichnete die Ergebnisse als „vielversprechend“. Da es sich jedoch um ein Pilotprojekt von begrenztem Ausmaß gehandelt habe, seien die messbaren Auswirkungen auf die Menge des Verpackungsmülls zu vernachlässigen gewesen. Gehe das Projekt jedoch in den Regelbetrieb, sei es geeignet, um die Müllmenge signifikant zu senken.
Aufgrund des Rechtsstreits in Tübingen lag das Thema Verpackungssteuer in der Landeshauptstadt erst einmal auf Eis und nimmt nun wieder Fahrt auf. „Nach dem Vorliegen des Urteils wird jetzt genau geprüft, was rechtssicher möglich und aufwandsarm zu realisieren ist“, teilt der Rathaussprecher mit. Das Ergebnis soll im ersten Halbjahr 2025 vorliegen und dann den politischen Gremien vorgelegt werden.
Der Sprecher wies jedoch darauf hin, dass es auch die Stadt Wiesbaden vorziehen würde, wenn es eine bundeseinheitliche Regelung gebe: „Es wirkt wenig sinnvoll, wenn in jeder Kommune unterschiedliche Regelungen und Erhebungsmechanismen greifen würden.“
„Erdrosselungsverbot“ und kein “Blankoscheck“
Mit welchen Kosten und Einnahmen aufgrund der Steuer gerechnet werden kann, ist ungewiss. „Wir können derzeit noch keine seriöse Einschätzung geben, da die Stadt Tübingen bislang noch keine Ergebnisse für 2024 veröffentlicht hat“, sagt der Sprecher weiter. Eine Prognose sei erst möglich, wenn die Tübinger Zahlen vorliegen. Dies sei voraussichtlich noch in diesem Quartal der Fall.
Auch in Darmstadt wird die Einführung der Steuer geprüft. „Einen konkreten Fahrplan zur Einführung der Verpackungssteuer und der konkreten Steuerhöhe gibt es in Darmstadt noch nicht“, teilt Kämmerer André Schellenberg (CDU) mit und ergänzt, dass die Stadt nicht anstrebe, die Steuer noch in diesem Jahr einzuführen.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei nicht als „Blankoscheck“ für die Kommunen zu verstehen, wonach die Steuer in beliebiger Höhe eingeführt werden könne, führt er weiter aus. Es gälten die Grundsätze wie für alle Steuerarten, also etwa das „Erdrosselungsverbot“.
Darmstadt, so Schellenberg, sollte sich an den Tübinger Steuersätzen orientieren, die sich als rechtssicher erwiesen hätten. Die Höhe der möglichen Einnahmen lasse sich trotzdem derzeit noch überhaupt nicht abschätzen.
Für Darmstadts Umweltdezernent Michael Kolmer (Die Grünen) ist die Verpackungssteuer praktischer Umweltschutz im doppelten Sinne. „Mehrweg wird gefördert und die Sauberkeit im öffentlichen Raum, auf Plätzen und in Parks verbessert“, teilt er mit. Laut Schellenberg gehe die Tendenz „klar zur Einführung“, aber auch er wünsche sich eine bundeseinheitliche Regelung, die aber noch lange nicht in Sicht sei.
Mit ihren Absichten sind die Wiesbadener und Darmstädter nicht allein. Nach Auskunft der Deutschen Umwelthilfe sind aktuell 120 Städte daran interessiert, eine Steuer auf Einwegverpackungen einzuführen. Gießen ist schon weiter. Dort hat der Magistrat der Verwaltung schon den Auftrag erteilt, ein Konzept zur Einführung der Steuer zu entwickeln.