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Fraktur: Vom Känguru zum Bärtierchen | ABC-Z

Was ist bloß mit unseren Politikern los? Schon mehrere Tage lang haben sie keine Sau mehr durchs Berliner Dorf getrieben. Denen reichte es wohl völlig, die sogenannte deutsche Einheit beklagen zu müssen. Die einzige Nachricht aus der Hauptstadt, die aufhorchen ließ, betraf kein Schwein, sondern ein Känguru, genauer ein Wallaby. Und selbst das wäre nur unter „ferner liefen“ beziehungsweise hüpfen gelaufen, wenn nicht das Gerücht umgegangen wäre, dass es sich bei dem Halter des Beuteltieres um den Träger eines großen Namens handele.

Wallaby soll ganz gut schmecken

Allerdings gelang es nicht einmal der „Bild“-Zeitung, Jakob Augstein dazu zu bringen, sich zu dem entsprungenen Känguru zu bekennen, das zum Glück weder ein Schad- noch ein Problembeutler ist, sondern vermutlich nur hungrig. Selbst soll Wallaby ganz gut schmecken, es könnte also sein, dass es nie wieder auftaucht. In jedem Fall ist es gut, dass Augstein keinen Bären als Streicheltier hielt, in Berlin läge das ja nicht so fern.

Oder gar einen Löwen, was uns bei der Augstein-Dynastie auch nicht überraschen würde. Schließlich hatte Franziska Augstein in ihrer Trauerrede auf ihren Vater Rudolf davon gesprochen, dass den toten Löwen auch die Hasen an der Mähne zupften. Jedermann wusste, wer mit dem Raubtier gemeint war. Weniger klar war dagegen, wen die Löwentochter zu den Karnickeln zählte. Ob uns Jakob Augsteins Kleinkänguru, so es seins ist, metaphernmäßig etwas sagen soll, wissen wir auch nicht, da er sich zu der Angelegenheit eben nicht äußert und die Polizei sich auf den Datenschutz beruft. Jedem Tierchen sein Pläsierchen.

Aber auch anderswo in Deutschland kann man auf tierische Neuigkeiten stoßen, wenn man nur ganz genau hinschaut. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat das getan und unter dem Mikroskop einen winzigen Namensvetter vorgefunden, den Ramazzottius kretschmanni.

Was hat Eros Ramazotti damit zu tun?

Das ist eine im Schwarzwald neu entdeckte Bärtierchenart. Bärtierchen ähneln Gummibärchen etwas mehr als Kretschmann. Trotzdem wurde die Entdeckung nach ihm benannt, weil der Grüne sich für die Errichtung des Nationalparks eingesetzt hat. Dass sich dabei auch Eros Ramazotti Verdienste erwarb, ist uns neu, doch gilt natürlich auch in seinem Fall: Bärtierchen, wem Bärtierchen gebühret!

Und es ist ja wirklich ein Wunderwesen. Manche der Tardigraden-Arten können extreme Temperaturen und sogar die lebensfeindlichen Bedingungen des Weltraums überstehen. Sie schrumpfen dann zusammen wie die FDP und können in diesem Zustand mehr als zwanzig Jahre verbleiben, um dann innerhalb einer halben Stunde kaum gealtert zu neuem Leben zu erwachen. Der FDP dürfte beides eher schwerfallen.

Kretschmann ist begeistert

„Was das Bärtierchen aushält, ist eigentlich gar nicht möglich“, sagt der begeisterte Kretschmann. Und da kennt er sich wirklich aus, schließlich ist er seit vier Jahrzehnten Parteimitglied der Grünen, zu deren Gründern er gehörte. Vom Aushalten des Unmöglichen hat er inzwischen aber derart genug, dass er nicht einmal mehr wissen will, wohin sich seine Partei entwickelt, wenn er sie nicht mehr beaufsichtigen kann.

Einen Trump, Putin oder Xi würde jetzt nur interessieren, wann die Wissenschaftler endlich das Geheimnis des Bärtierchens lüften und ein Serum herstellen können, das ihnen wenn nicht gleich ewiges Leben, so doch wenigstens einen Dornröschenschlaf bis in eine Zukunft mit fortgeschrittenen medizinischen Möglichkeiten schenkt. Kretschmann aber will sich „nicht irgendwie einsargen lassen und glauben, dass ich dann mit 78 in 200 Jahren noch irgendwo auferstehe“.

Diese Verweigerung ist völlig verständlich, denn in zwei Jahrhunderten hat er doch noch nicht im Jenseits mit Hannah Arendt schon alles durchdiskutiert, was durchdiskutiert werden muss. Und außerdem weiß ja niemand, wie es dann auf Erden ausschaut. Die nach Kretschmann benannten Überlebenskünstler wird es dann bestimmt immer noch geben. Schon was Hasen, Löwen und Kängurus angeht, sind wir aber nicht mehr so sicher. Und zur Menschheit geben wir lieber keine Prognose ab. Wir wollen ja niemandem die Erholung verderben, die wir alle nach dem Tag der deutschen Zweiheit brauchen.

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