Fraktur: Die Kandidateninflation | ABC-Z
Da haben wir es wieder: Es interessiert Putin nicht die Bohne, was unser Kanzler meint. Der hatte doch ausdrücklich gesagt, dass Politik kein Spiel sei. Trotzdem bot der Russe nun den Amerikanern diese unglaubliche Wette an: Sie sollten versuchen, mit ihren Abfangraketen ein zuvor gemeinsam ausgesuchtes Ziel gegen die neue russische Wunderwaffe zu verteidigen, was der Kreml natürlich als unmöglich erachtet.
Wie, es beunruhigt Sie nicht, dass Putin und Trump an den Konsolen, die sie zu Weihnachten bekommen, Atomkrieg spielen? Dann können Sie nicht in Berlin und Umgebung wohnen. Denn es ist ja wohl klar, auf welches Ziel die beiden Herren sich einigen würden: eines, auf das sie beide gut verzichten könnten, wenn Putin die Wette gewänne.
Scholz rief sofort bei Trump an
Man kann also nur hoffen, dass der neue amerikanische Präsident nicht auch schon die Nase voll hat von dem Kanzlerkandidaten-Zirkus in Berlin, den Putin ja mit einem Schlag beenden könnte, wenn seine V2 wirklich so gut ist, wie er behauptet. Unser Kanzler rief jedenfalls sofort im Weißen Haus an. Sicher riet er von der Wette ab, er lebt ja in Potsdam.
Aber selbst Scholz dürfte es schwergefallen sein zu erklären, warum die Kandidaten sich dieses Mal vermehrt haben wie die Karnickel. Mit Recht ist von einer Kandidateninflation die Rede. Kanzlerkandidat kann eben jeder Hinz und Kunz werden, das ist keine geschützte Berufsbezeichnung. In Deutschland aber weiß man aus leidvoller Erfahrung, dass aus einer Inflation politisch nichts Gutes erwachsen kann. Sie fördert immer Argwohn und Zwietracht. Das sieht man jetzt auch an dem Streit darüber, wer mit wem im Fernsehen streiten darf.
Weidel wollte nicht in die, wie sie sagte, „Ameisenrunde“ mit Habeck, in der sich auch Habeck weit unter Wert verkauft gefühlt hätte. Wer mag schon in der Küche Ameise sein, wenn im Wohnzimmer die Elefanten Scholz und Merz aufeinander losgehen? Das Angebot Wagenknechts, für Habeck einzuspringen, nahm Weidel nicht an, was man ihr angesichts des Debakels im ersten Duell gegen die BSW-Chefin nicht verdenken kann. Das Leichtgewicht „Annalenchen“, wie Weidel Baerbock nennt, hätte sie dagegen wohl nicht einmal für eine Trainingsrunde akzeptiert.
Weil Habeck ganz, ganz traurig schaute
Weil Habeck ganz, ganz traurig schaute, Weidel mit Klage drohte und Elon Musk sagte, dass nur die AfD Deutschland retten könne, werden in ARD und ZDF nun doch Viererrunden stattfinden. Offenbar, wer blickt da noch durch, soll es aber weiter Duelle, Trielle und die Insektenrunde geben. Auch bei den Formaten nehmen die inflationären Tendenzen zu.
Wir hätten ein transparentes und demokratisch einwandfreies Auswahlverfahren vorgezogen, das sich an dem neuen Champions-League-Modus und am Eurovision Song Contest orientiert: Alle Kandidaten treten in Zweikämpfen gegeneinander an. Bei vier Duellen je Abend – wir blieben damit also im Rahmen des üblichen Talkshow-Angebots – wären wir in einer Woche durch. Die Partien würden von den Zuschauern bewertet. Die vier Kandidaten mit den meisten Punkten kämen ins Halbfinale, die Sieger träten dann noch einmal im Finale gegeneinander an. Eigentlich könnten wir uns danach auch den 23. Februar sparen.
Merz sollte dem Rat Merkels folgen
Aber natürlich müssten sich auch bei diesem Modell alle mehr am Riemen reißen als zuletzt. Falls Olli Scholz erwartungsgemäß weiter pöbelt, empfehlen wir Fritze Merz, so schwer ihm das fiele, dem Rat Angie Merkels zu folgen, wonach man in der Politik tunlichst vermeiden sollte, alles persönlich zu nehmen. Es hat uns sehr erleichtert, dass sie das sagte. Denn als Merkel uns von 2015 an keine Weihnachtskarten mehr schickte, dachten wir, sie hätte unsere Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik persönlich genommen.
Weil die Festtage ohne die Post aus dem Kanzleramt so trist gewesen wären wie Weihnachten ohne „Weihnachten bei Hoppenstedts“, sprang ein guter Geist aus der Familie ein und schrieb als Ghostwriter an Merkels Stelle witzige Karten. Den hätte sie besser auch für ihre Memoiren verpflichtet, die viele von Ihnen unter dem Baum finden werden. Schwere Kost. Dennoch: Fangen Sie gleich mit dem Lesen an! Denn es würde uns nicht wundern, wenn Trump die Wette annähme. Daher schnell noch: Frohe Weihnachten!