Sport

Formel 1: Lewis Hamilton, des Königs letzte Chance | ABC-Z

Die Scheidung mit Mercedes ist durch, Lewis Hamilton fährt jetzt im Ferrari. Der Wechsel erfüllt dem Briten einen Kindheitsraum. Doch es geht um mehr. Hamilton will nicht nur der erfolgreichste Fahrer der Formel-1-Geschichte sein, sondern der größte.

Ein neues Reich für den König: Lewis Hamilton hat sein Hoheitsgebiet im Norden Londons, in Brackley, aufgegeben und sich nach Italien abgesetzt. Seine neue Festung liegt in Maranello. Unweit von Bologna möchte der Brite seine Legendenbildung in der Formel 1 vorantreiben. Dafür setzt er in der Saison 2025 auf ein neues Pferd: Ferrari statt Mercedes.

Zwar ist Hamilton mit 105 Siegen und sieben WM-Titeln bereits der erfolgreichste Pilot in der 75-jährigen Geschichte der Königsklasse des Motorsports, doch er will mehr. Der Wechsel zu Ferrari sei „die Erfüllung eines Kindheitstraums“. Vor allem aber ist er Teil eines Plans, den Hamilton geschmiedet hat, um seinem letzten großen Karriereziel näherzukommen, dem Gewinn einer achten Weltmeisterschaft. Gelingt ihm das, wäre er der alleinige Rekordhalter vor Michael Schumacher, der ebenfalls sieben Titel erringen konnte.

Für Hamilton wäre es die Krönung einer königlichen Karriere. Aber vor allem wäre es für ihn die Gerechtigkeit, nach der er sich seit 2021 sehnt. Der Weltverband Fia entschied damals in Person von Rennleiter Michael Masi durch eine strittige Regeländerung in der letzten Runde des letzten Grand Prix das WM-Duell zwischen Hamilton und Max Verstappen. Revanche konnte er nie nehmen. Nachdem er zuvor mit Mercedes in zwölf Jahren 84 Siege und sechs Titel erkämpft hatte, kam die erfolgreichste Rennstall-Fahrer-Paarung danach nie mehr richtig in Schwung.

Mercedes haderte mit den Regeln Hamilton mit dem Team

Null Titel und zwei Siege sind die ernüchternde Statistik aus den drei Folgejahren. Die Bilderbuchehe bekam Risse. Mercedes haderte mit der Regelrevolution, die 2022 in Kraft trat, Hamilton haderte mit dem Team, von dem er sich nicht erhört fühlte. Sein Dienstwagen, der über Jahre dominiert hatte, war zwar noch silberfarben, aber kein Pfeil mehr – mehr Schnuppe als Stern. Die Konkurrenz hatte Mercedes überholt.

Im Januar vergangenen Jahres zog der Brite eine Ausstiegsklausel, die es ihm erlaubte, ein Jahr vor dem Ende seines bis 2025 laufenden Vertrags bei dem deutschen Rennstall auszusteigen. Die Bilderbuchehe war vorbei, Hamilton hatte die Scheidung eingereicht. „Ich wusste, dass ich diese neue Herausforderung brauche“, erklärt er.

Wie tief die Risse zwischen dem Team und seinem Superstar am Ende waren, verdeutlicht die Wortwahl, die Hamilton für seine ersten Wochen in Rot nutzt: „Als ich hier ankam, wurde mir erst bewusst, wie sehr ich diese neue Aufgabe gebraucht habe und wie gut es sich anfühlt.“

Dabei dürfte sich das neue Team für ihn vertraut und gleichzeitig fremd anfühlen. In Teamchef Fred Vasseur hat er wie bei Mercedes in Toto Wolff einen Kumpeltypen an der Spitze des Rennstalls. Freiheiten sind dem Superstar garantiert, um ihn bei Laune zu halten. Und: In Charles Leclerc hat er wie bei den Silberpfeilen in George Russell einen der talentiertesten Fahrer der nächsten Generation, gegen den er sich im internen Duell beweisen muss.

Keiner traut sich, Hamilton abzuschreiben

Dass er das kann, daran gibt es im Fahrerlager der Formel 1 Zweifel. Nicht nur, weil Hamilton mittlerweile 40 Jahre alt ist, sondern, weil er bereits gegen Russell in zwei der drei gemeinsamen Saisons das Nachsehen in der Fahrerwertung hatte. Und dennoch traut sich keiner im „Paddock“, den Routinier abzuschreiben. Denn Hamilton ist Hamilton, der Beste der Formel-1-Geschichte.

Mercedes-Teamchef Wolff sagte einmal: „Lewis hat die Gabe, das Unmögliche regelmäßig möglich zu machen.“ Der Rekordweltmeister hat noch immer ein Gefühl für sein Auto, wie es nur wenige Fahrer vor ihm hatten: Michael Schumacher oder Ayrton Senna. Er schafft es, am Limit zu fahren und trotzdem seine Reifen am Leben zu halten. Eine Gabe, die im aktuellen Starterfeld sonst nur Max Verstappen besitzt.

Die Zweifel an Hamilton liegen mehr auf der mentalen Seite. Zwar sagt er selbst, dass er „nicht hungriger auf die Saison sein könnte und fest entschlossen ist, erfolgreich im roten Auto zu sein“. Doch was ist, wenn der Erfolg ausbleibt? Was ist, wenn der „Kindheitstraum“ zum Albtraum wird und ihm Teamkollege Leclerc mit seinem Wissensvorsprung davonfährt?

Ein Formel-1-Teamchef sagte WELT AM SONNTAG: „Lewis steht unter großem Druck – intern wie extern. Nicht nur die Tifosi, sondern die ganze Welt erwartet eine Renaissance nach schwierigen Jahren bei Mercedes. Aber auch sein eigener Anspruch ist enorm. Er muss aufpassen, dass er nicht wie zuletzt bei Mercedes in eine Negativspirale abdriftet, wenn nicht gleich zu Beginn alles läuft, wie er sich das vorstellt.“

Bei Ferrari ist die Amtssprache noch immer Italienisch

Davon ist auszugehen. Selbst für einen Fahrer mit 356 Grand-Prix-Starts – nur Fernando Alonso (401) hat mehr – ist ein Teamwechsel eine Herkulesaufgabe. Neues Auto, neuer Motor, neue Ingenieure, neue Mechaniker – und für Hamilton auch eine neue Sprache. Bei Ferrari ist die Amtssprache in der Garage noch immer Italienisch. Die Mechaniker und Ingenieure sprechen zwar Englisch, doch ihre Muttersprache ist es im Gegensatz zu Mercedes-Zeiten nicht.

Im schnellsten Sport der Welt, wo 0,3 Sekunden Unterschied auf einer sechs Kilometer langen Strecke als Welten gelten, kann das den Unterschied machen. Zumal die Konkurrenz auf Augenhöhe ist. McLaren gilt neben Ferrari als Favorit auf die Konstrukteurs-WM. Beide Boliden waren Ende vergangener Saison das Maß aller Dinge. Nur logisch, dass auch die vier Piloten der beiden Rennställe zu den heißesten Titelanwärtern in der Fahrerwertung zählen. Komplettiert wird diese Runde von Max Verstappen (Red Bull) und George Russell (Mercedes).

Hamilton weiß, dass er eine Chance hat – aber nicht der Favorit ist. Er wird es dennoch versuchen. Denn für den Briten geht es nur um eins: seine achte Weltmeisterschaft gewinnen und damit endgültig der größte Fahrer in der Geschichte der Formel 1 zu werden.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"