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Formel 1 in Brasilien: Norris gewinnt – das große Kunststück gelingt Verstappen – Sport | ABC-Z

Hinterher sagte Lando Norris, dass er zum Ignoranten geworden sei. Doch diese Scheuklappentaktik scheint genau die richtige zu sein im Endspurt um den Formel-1-Titel. Beim Großen Preis von Brasilien feierte der Brite Siege im Sprint am Samstag und im Hauptrennen am Sonntag, in der Gesamtwertung führt er drei Rennen vor Saisonschluss mit 24 Punkten vor seinem McLaren-Kollegen Oscar Piastri. Der Australier schaffte es als Fünfter zum fünften Mal in Serie nicht aufs Podium.

Doch der Mann, der in São Paulo allen die Schau stahl, war der Titelverteidiger: Max Verstappen. Er fuhr aus der Boxengasse aufs Podium. In der Gesamtwertung fehlen ihm 49 Zähler auf die Spitze, insgesamt 83 gibt es noch zu holen. Die unvermeidliche Frage nach seinen Titelambitionen wollte Lando Norris trotz seines Triumphs nicht beantworten: „Ich bleibe beim Ignorieren, es kann sich alles so schnell ändern.“

Dass es am Ende noch ein solch erfolgreiches Rennen für Verstappen werden sollte, damit war nicht zu rechnen gewesen. So weit ab vom Schuss, von der Pole-Position und von der WM-Spitze wie an diesem regnerischen Sonntag hat sich der Titelverteidiger noch nie gefühlt in dieser Saison. Statt seine Aufholjagd auf das führende McLaren-Duo im Autodromo Carlos Pace fortzusetzen, schaffte der Niederländer es nicht mal in den zweiten Qualifikationsabschnitt am Samstag – das letzte Mal war ihm das im Herbst 2021 passiert. Sein Red-Bull-Honda zickte so sehr, dass die Reifen nicht auf Temperatur kamen. Position 16, ein Rückfall in alte Zeiten, ausgerechnet jetzt, wo es gilt. „Die WM kann ich vergessen“, grantelte er.

Davon, dass er im Vorjahr in Brasilien von Platz 17 zum Sieg gefahren war und so den Grundstein für den Gesamterfolg gelegt hatte, wollte er nichts wissen. Aber die Hoffnung stirbt in diesem Sport nie. Volles Risiko: der Start aus der Boxengasse ermöglichte einen Motorwechsel und eine neue Fahrzeugabstimmung. Was es sonst noch brauchte, verriet Rennstallberater Helmut Marko: „viel Glück“.

Mercedes-Rookie Kimi Antonelli feiert mit Platz drei sein bestes Ergebnis in der Königsklasse

Am viertletzten Grand-Prix-Wochenende der Saison ging Norris, der vermeintlich Labilste aus dem Spitzentrio, mit dem stärksten Ego ins Rennen: Erst der Sieg im Sprint am Samstag, dann die Pole-Position. Teamkollege Piastri hingegen blieb ungewohnt unsouverän – Crash im Sprint, nur Vierter in der Qualifikation. Auch er hoffte auf die Unberechenbarkeit, für die Interlagos berüchtigt ist.

Doch wie so oft, wenn alle auf Chaos setzen, blieb es auch diesmal nach dem Start vergleichsweise ruhig. Bis Lokalmatador Gabriel Bortoleto seinen Sauber wie schon im Sprint in die Barrieren setzte. Das Safety-Car rückte aus, und schon lag Verstappen auf Rang 16 im wieder zusammengerückten Feld. Der Neustart brachte Trubel: Piastri witterte seine Chance und stach innen in die Kurvenkombination rein, dabei rempelte er Kimi Antonelli im Silberpfeil an. Der wiederum wurde dadurch in den Ferrari von Charles Leclerc gedrückt und rammte ihn aus dem Rennen. Verstappen lag schon auf dem 13. Platz, als das Rennen virtuell neutralisiert wurde, er musste sich nach einem Plattfuß frische Reifen holen. Die Aufholjagd ging von vorn los.

Der Start aus der Boxengasse ermöglichte einen Motorwechsel und eine neue Fahrzeugabstimmung des Red Bull, damit knnte sich Max Verstappen nach vorne kämpfen.
Der Start aus der Boxengasse ermöglichte einen Motorwechsel und eine neue Fahrzeugabstimmung des Red Bull, damit knnte sich Max Verstappen nach vorne kämpfen. (Foto: Hector Vivas/Getty Images)

Den neuerlichen Start verpennte Spitzenreiter Norris fast, Piastri kam ihm bedrohlich nahe – und kassierte wenig später zehn Strafsekunden für seine vorausgegangene Rüpelei. Verstappen machte mit dem komplett umgebauten Auto von hinten Druck, holte sich Lewis Hamilton, dessen Ferrari lädiert unterwegs war. Zumindest die Instinkte des Niederländers scheinen noch intakt zu sein. Nach 18 Runden fuhr er schon in den Punkten, kurz darauf war er Fünfter. Der einsam vorneweg kreiselnde Norris bog vor der Halbzeit überraschend an die Box ab, um sich die weiche Reifenmischung für einen Zwischenspurt zu holen. Dadurch fiel er zunächst hinter Verstappen zurück. Dieser Zustand dauerte nicht lange an. Aber die Situation zeigte, dass in diesem Titelkampf immer wieder alles möglich zu sein scheint.

Auch die Verfolger holten sich frische Pneus, es wurde unübersichtlich. „Was ist unser Plan?“, fragte der nach seiner Strafe auf Rang fünf liegende Piastri. Er zweifelte an der Taktik von McLaren. Verstappen wurde derweil signalisiert, dass er im Rennen ums Podium unterwegs war. Noch nie hat in der Geschichte der Formel 1 jemand aus der Boxengasse heraus gewinnen können. Würde es heute so weit sein?

20 Runden vor Schluss war Verstappen nach den Boxenstopps der Konkurrenten plötzlich sogar Erster, selbst sein Renningenieur kommentierte fassungslos: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich dir diesen Platz heute ansagen würde.“ So konnte Verstappen zumindest die WM-Chance am Leben erhalten. Red Bull ging noch mal volles Risiko, holte ihn an die Box für einen letzten Angriff. Das Podium war drin, doch er musste mit der weichsten Mischung vorsichtig und trotzdem aggressiv sein. Als Vabanquespiel ist die Formel 1 immer am spannendsten. An George Russell im ersten Silberpfeil kam Verstappen leicht vorbei, aber an Kimi Antonelli nicht, der Italiener feierte sein bestes Ergebnis in der Königsklasse. „Ziemlich stressig“, sei das gewesen, stöhnt er. Das galt an diesem Tag für alle.

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