Formel 1 Belgien: Piastri gewinnt nach spannendem Regenrennen – Sport | ABC-Z

Der dramatische Rennnachmittag in Spa, mit dem die Rückrunde der Formel 1 begann, fasste den Tagessieger scheinbar nicht so richtig an. Kaum hatte die Rennfahrlegende Jacky Ickx den Australier Oscar Piastri nach dessen sechstem Saisonerfolg abgewunken, schien es für den McLaren-Piloten erst richtig loszugehen. Die Glückwünsche vom Kommandostand quittierte er mit einem „Let’s go!“. Vom zweiten Platz aus hatte er seinen Teamkollegen Lando Norris sofort nach dem Start düpiert und seinen Vorsprung in der Gesamtwertung auf 16 Zähler ausgebaut. Erfolgsrezept: „Einfach etwas später das Gaspedal lupfen.“ Der leicht enttäuschte Norris gab zu: „Oscar hat es einfach gut gemacht, er hat es verdient. Wenn er perfekt fährt, kann ich nicht gewinnen.“ Dritter wurde am Sonntag Charles Leclerc im Ferrari, der den wiedererstarkten Max Verstappen über 44 lange Runden hinter sich gehalten hatte.
Die vermeintlich besten Rennfahrer der Welt, und sie können nicht im Regen fahren? Könnten sie natürlich, es war auch nicht das Aquaplaning auf dem Circuit de Spa-Francorchamps, das sie fürchteten – sondern die Gischt. Nur der Spitzenreiter kann halbwegs etwas sehen, der Rest fährt wie hinter einem Duschvorhang, allerdings immer noch um die 250 km/h schnell. Das ist lebensgefährlich, gerade auf der längsten Strecke der Saison. Auf der Berg- und Talbahn wird Leichtsinn im Cockpit oder bei der Rennleitung schnell zu einer Frage auf Leben und Tod, es braucht sich nur mal ein Auto im Feld querzustellen. Vertrauen war also gut, Kontrolle eindeutig besser, und deshalb setzte sich die Rennkarawane nach heftigen Regenschauern überhaupt erst mit 80 Minuten Verspätung in Bewegung. Damit machte der Große Preis von Belgien seinem Ruf alle Ehre: Ein Drittel aller Grand Prix hier wurde als Regenrennen gewertet. Darunter das Gastspiel 1995, das Michael Schumacher von Startplatz 16 aus gewinnen konnte.
:An Horners Rauswurf überrascht nur der Zeitpunkt
Die Ära des dienstältesten Formel-1-Teamchefs endet mit einem unrühmlichen Abschied. Christian Horner muss bei Red Bull gehen, weil die Konflikte um ihn herum zu groß wurden. Was wird nun aus Weltmeisterfahrer Verstappen?
Einige Fahrer und viele Fans blieben am Sonntag bei ihrer Meinung, dass nach ein paar Formationsrunden doch eine trockene Ideallinie entstanden wäre. Aber die Rennleitung hatte noch das Debakel von 2021 im Hinterkopf, als nach dreistündiger Unterbrechung zwei neutralisierte Runden gefahren wurden, für die es halbe Punkte gab – und die am Ende Max Verstappen zum umstrittenen Weltmeister machten.
Der Niederländer, der beim Sprintrennen am Samstag triumphiert hatte, gehörte zu denen, die gern im Nassen gefahren wären, denn sein Red-Bull-Rennwagen war komplett auf eine Regenabstimmung umgebaut worden. Doch beim zweiten Startversuch war die Piste trocken, der Himmel blau. Trotzdem wurden zwei Sicherheitsrunden mit Mischreifen hinter dem Safety-Car angesetzt, ehe es zum Ausscheidungsfahren zwischen den beiden McLaren-Piloten Norris und Piastri kam, die nebeneinander in der ersten Startreihe standen. Teamchef Andrea Stella hatte seinen beiden Kandidaten Zurückhaltung verordnet: „Minimiert den Ärger in der ersten Runde.“ Leicht gesagt, wenn dahinter Charles Leclerc im Ferrari und Max Verstappen lauern.
Noch stand ausgerechnet auf der Pole-Position viel Wasser, die Rennkommissare zögerten ihre Entscheidung über einen stehenden oder rollenden Start hinaus. Mittlerweile erschien es ein bisschen viel der Vorsicht. Nach vier Runden ging es endlich in voller Fahrt los, als Bernd Mayländer mit dem Sicherheitsfahrzeug in die Boxengasse abbog. Nun hatte Norris das Tempo in der Hand. Der Brite zögerte lange, aus seinem Heck schoss eine Wasserfontäne übers Feld, aber Piastri hatte sich mit vollem Risiko in den Windschatten des Kollegen gesetzt und sich den Führenden mit deutlich mehr Schub und Selbstbewusstsein schon auf der Kuppe nach der Mutkurve Eau Rouge geschnappt.
Piastri glaubte nicht, dass die Reifen bis zum Schluss halten würden, aber probieren musste er es
Die Papaya-Autos setzten sich schnell ab, nach einem Viertel der Distanz holte sich Lewis Hamilton als Erster Trockenreifen. Der Brite war schon im Feuchten derjenige mit den meisten Überholmanövern gewesen, der Rekordchampion hatte sich nach einem völlig verpatzten Start ins Wochenende von ziemlich weit hinten mit viel Risiko und Fahrgefühl nach vorne geschoben und war plötzlich Siebter. Ein Kraftakt, der wie Balsam für die wunde Seele wirkt.
Slicks waren bald die richtige Wahl, die belgische Landschaft leuchtete, als hätte es nie geschüttet. Norris holte sich harte Pneus. Der Boxenstopp wurde zwar verpatzt, aber er würde nun durchfahren können, während Piastri noch mal wechseln müsste. Der australische Spitzenreiter glaubte nicht, dass seine Reifen durchhalten würden, die Gummis bauten starken ab, aber probieren musste Piastri es, um die Führung nicht zu verlieren. Wie gut, dass sich beim Kollegen Norris immer wieder Fehler einschlichen.
Selbst ein durch die wechselnden Witterungsbedingungen spannend gemachtes Rennen wie dieses wurde wieder zum Taktikspiel – und zur Zitterpartie am McLaren-Kommandostand. Die Gummis mochten abbauen, die Rivalität zwischen den Titelkandidaten nicht. Norris, der auch einen belgischen Pass besitzt, musste alles versuchen, den direkten Gegner nicht ziehen zu lassen. Im gleichen Rhythmus wie der Rundenzähler zunahm, schrumpfte Piastris Vorsprung. Aber er brachte den Sieg souverän über die Runden.
Der Emmericher Nico Hülkenberg, der schon im Regen von Silverstone vom vorletzten Startplatz aus erstmals in seiner Karriere aufs Podium gefahren war, kämpfte sich von der 14. Position aus bis zur Rennmitte wieder in die Punkteränge. Erneut war ihm eine geschickte Reifenwahl gelungen. Der generelle Aufwärtstrend beim künftigen Audi-Rennstall Sauber drückte sich aber auch darin aus, dass sich sein Teamkollege Gabriel Bortoleto vor Hülkenberg schieben konnte. Am Ende wurde der Brasilianer Neunter, Hülkenberg verlor seinen Punkt durch einen unglücklichen Stopp zehn Runden vor Schluss und wurde Zwölfter.