Politik

Folgen der Vogelgrippe für Bauern und Verbraucher | ABC-Z

Wie ist der aktuelle Stand des Infektionsgeschehens?

In Deutschland breitet sich die Vogelgrippe weiterhin sowohl unter Wildvögeln als auch in Geflügelbetrieben aus. Bislang wurden bundesweit 35 Ausbrüche in Haltungen gemeldet; mehr als 500.000 Hühner, Enten, Gänse und Puten mussten getötet werden, dazu wurden mehrere Tausend tote Kraniche gefunden. Die hohe Zahl erklärt sich auch dadurch, dass viele Betriebe große Bestände halten und bei einem Ausbruch der gesamte Bestand gekeult werden muss. Besonders betroffen sind Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen.

Das In­fektionsgeschehen beschreibt das Friedrich-Loeffler-Institut als „sehr dynamisch“. Das Virus ist hochansteckend, und laut FLI überleben in den Haltungen höchstens fünf Prozent der Tiere eine Infektion. Die Keulung gilt daher auch aus Tierschutzgründen als notwendig, um weiteres Leid zu verhindern. Neben Deutschland trifft die Vogelgrippe auch andere europäische Länder, darunter die Niederlande, Frankreich, Dänemark und Polen.

Warum sterben vor allem Kraniche?

Wasservögel wie Enten sind bekannt als Träger von Vogelgrippeviren. Ihr Immunsystem ist allerdings so gut, dass sie nicht unbedingt erkranken oder sterben. Kraniche hingegen sind empfindlicher. Rasten sie auf ihrem Flug in den Süden in Gewässern, in denen auch infizierte Enten vorkommen, können sie sich anstecken.

Da die Vögel an ihren Rastplätzen nachts zu Tausenden beieinanderstehen, können sich viele Kraniche anstecken. Die Infektion verläuft meist über Kot und verschmutztes Wasser. Dass Kraniche sich anstecken können, beobachtete man in den Vorjahren schon in Israel und Un­garn.

Warum haben sich Wildvögel und Geflügel in diesem Jahr so früh infiziert?

Früher trat das Vogelgrippevirus in Deutschland nur in den Wintermonaten auf, im Sommer kam es nicht zu Ausbrüchen. Seit 2011 hat es aufgrund von Mu­tationen seine Saisonalität verloren. Es kommt nun auch mit wärmeren und trockeneren Temperaturen zurecht.

Ist das Virus für Wildvögel gefährlich?

Ja. Viele Vögel erkranken und sterben. Das kann vor allem Koloniebrütern und bei Zugvögeln, die sich an großen Rastplätzen sammeln, zu schweren Verlusten führen. Seltene, bedrohte Arten könnten so ausgerottet werden. Die Größe mancher Populationen, etwa der Baßtölpel auf Helgoland, brach deshalb in den vergan­genen Jahren ein. Manche Vögel überlebten die Infektion jedoch auch. Die Hoffnung ist, dass sie langfristig resistent sind und Populationen und Arten so überleben.

Wie infizieren sich Hühner?

In Freilandhaltungen können sich Hühner durch direkten Kontakt mit infizierten Wildvögeln anstecken, etwa über Kot oder Urin in Pfützen. Doch auch in scheinbar geschlossenen Ställen droht Gefahr. Das Virus gelangt häufig durch indirekte Kontakte hinein. Personen, die Tiere ein- oder ausstallen, Waren- und Fahrzeugverkehr, Futter und Wasser können das Virus einschleppen. Besonders riskant ist der Eintrag über verunreinigtes Futter, Wasser, Geräte oder Einstreu. Oft reichen schon geringste Spuren für eine Übertragung.

Wie hoch ist der Schaden für Bauern?

Für viele Tierhalter ist die Vogelgrippe ei­ne wirtschaftliche Belastung, wenn ganze Bestände getötet werden müssen und nicht mehr verkauft werden können. Besonders Gänsehalter, die auf die Weihnachtsganssaison angewiesen sind, haben Einbußen. Doch erhalten Tierhalter derzeit eine Entschädigung von 50 Euro je Tier. Die Summe soll auf bis zu 110 Euro erhöht werden.

Doch es gibt auch Freiräume. Wenn die Tiere aufgrund der Seuche vorsorglich im Stall bleiben, dürfen etwa Eier eine gewisse Zeit trotzdem weiter als Freilandeier verkauft werden, obwohl die Tiere nicht draußen sind. Für Bioeier gilt das nur begrenzt.

Wie wird gegengesteuert?

Mehrere Bundesländer, darunter das Saarland, Hamburg und Brandenburg, haben eine Stallpflicht verhängt. Geflügel darf dann nicht mehr ins Freie, sondern muss im Stall bleiben. Eine bundesweite Stallpflicht ist rechtlich schwer durchzusetzen, da nicht alle Regionen gleichermaßen betroffen sind; das Risiko ist entlang der Zugvogelrouten am höchsten. Kritiker lehnen eine Stallpflicht auch aus Tierschutzaspekten ab. Neben einer Stallpflicht sind strenge Hygiene- und Schutzmaßnahmen sowie Dokumentation der Fälle entscheidend, um das Virus einzudämmen. Verbrauchern wird darüber hinaus geraten, den Kontakt mit Wildvögeln zu vermeiden.

Warum wird nicht geimpft?

Bisher war die Impfung von Geflügel in Europa verboten. Mittlerweile ist sie unter strengen Auflagen möglich, in Deutschland ist aber noch kein Impfstoff für Nutzgeflügel zugelassen. Das Problem liege derzeit vor allem in der Wirksamkeit, sagt Hans-Peter Goldnick vom Zentralverband der Geflügelwirtschaft. Hier seien mehr Entwicklung und Forschung nötig. So könne es passieren, dass auch geimpfte Tiere sich infizieren, aber keine großen Symptome zeigen und das Virus unbemerkt weitertragen. Aus diesem Grund importieren manche Länder auch keine Produkte von geimpften Hühnern.

Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung laufen Tests zu Impfungen am Friedrich-Loeffler-Institut, in den Niederlanden und in Frankreich. In Frankreich hat es Berichten zufolge erste positive Ergebnisse durch Impfungen von Enten gegeben. Italien hat die Impfung im Rahmen von Feldversuchen bei Puten eingesetzt. Jedoch sind die Impfung und ihre Über­wachung personal- sowie kostenintensiv.

Werden Verbraucher die Folgen der Vogelgrippe spüren?

Vermutlich kaum. Der Deutsche Bauernverband rechnet nicht mit Versorgungsengpässen bei Geflügelfleisch oder Eiern. Auch größere Preissprünge gelten laut Einschätzung von Hans-Peter Goldnick vom Geflügelverband als unwahrscheinlich, da etwa 75 Prozent der Eier durch langfristige Verträge mit dem Handel abgesichert seien. In den meisten Fällen seien die Preise daher bis zum Jahresende festgelegt. Für die übrigen 25 Prozent der Eier, die am Spotmarkt gehandelt werden, könnten die Preise zwar steigen. Das dürfte für Verbraucher aber kaum spürbar sein. Saisongeflügel wie Gänse könnte in diesem Jahr in Einzelfällen knapper und somit etwas teurer werden, sagt Lorenz Eskildsen vom Bundesverband bäuerlicher Gänsehalter. Allerdings steht auch tiefgefrorene Ware als Alternative zur Verfügung, sodass die Auswirkungen insgesamt überschaubar bleiben dürften.

Ist das Virus für Menschen gefährlicher geworden als frühere Vogelgrippeerreger?

Gefährlicher für Menschen ist H5N1 bislang nicht. Bisher kam es nur bei engem Kontakt zu Geflügel zu Infektionen von Menschen. In den meisten Fällen verlaufen solche Infektionen harmlos. Das europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) sieht nur ein geringes Infektionsrisiko für Menschen. Die H5N1 können nur schlecht an humanen Schleimhautzellen anhaften. Die Behörden empfehlen Geflügelhaltern das Tragen von FFP2-Masken.

Besorgt sind Fachleute allerdings, wenn es zu häufigen Infektionen von anderen Säugetieren kommt, vor allem von Nutztieren wie Schweinen. Diese können Grippeviren in sich tragen, die schon an Menschen an­gepasst sind. Infiziert sich ein solches Schwein mit einem Vogelgrippevirus, kann es zum Austausch von Geninformation kommen. Dadurch könnte das Virus für Menschen gefährlich werden.

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