Folgen der US-Zölle für Brasilien: “Wir müssen von vorn anfangen” | ABC-Z

Die USA haben Brasiliens Exporte mit Zöllen von teilweise 50 Prozent belegt. Darunter leiden vor allem Kaffee- und Fleischproduzenten. Das brasilianische Außenministerium hat mittlerweile die Welthandelsorganisation eingeschaltet.
João Machado fährt mit der Hand durch die reifen Bohnen. Es hätte ein gutes Jahr für den Kaffeeproduzenten aus Rio de Janeiro sein können. Die Ernte war gut, die Preise auf hohem Niveau. 60 Tonnen Kaffee hatte er allein an die USA verkauft. Doch wegen der neuen Zölle steht jetzt alles auf Stopp, 150.000 Euro sind futsch:
Das schmerzt uns Brasilianer. Nicht nur die Kaffeebauern, es gilt ja für alles, was wir exportieren, ob Obst, ob Fleisch, wir verkaufen hier auch Rindfleisch. Die Bohnen werden uns zurückgesendet, wir müssen von vorn anfangen.
Seine Fazenda, seine Farm, liegt im Vale do Café, wo Brasiliens Aufstieg zum größten Kaffeeexporteur der Welt einst begann. Die USA sind heute der Hauptabnehmer. Nun gelten Zölle von 50 Prozent, die höchste Abgabe, die Washington von einem Land verlangt.
Trump will Bolsonaro helfen
“Es scheint, als ob er mit dem Gedanken aufwacht: Wem kann ich heute schaden”, sagt Machado. Damit meint der Kaffeebauer US-Präsident Donald Trump. Um Wirtschaft dürfte es Trump kaum gehen. Die USA verzeichnen seit Jahren einen milliardenschweren Handelsüberschuss mit Brasilien.
Das Weiße Haus fordert Brasilien vielmehr unverhohlen dazu auf, den Strafprozess gegen den Ex-Präsidenten und Trump-Verbündeten Jair Bolsonaro sofort zu beenden. Wie Trump hat Bolsonaro seine Wahlniederlage nie anerkannt. Aufgestachelte Anhänger verwüsten im Januar 2023 das Regierungsviertel in Brasilia. Nun ist Bolsonaro wegen eines mutmaßlichen Putschversuches angeklagt, Trump spricht von Hexenjagd.
US-Sanktionen gegen Bundesrichter
Am Wochenende gingen Bolsonaro-Anhänger im ganzen Landauf die Straße und feierten Trumps Zölle und Sanktionen – darunter auch Flavio, Sohn des Ex-Staatschefs: “Danke Amerika, dass du uns hilfst“, rief er der Menge zu.
Eduardo Bolsonaro, ein weiterer Sohn, betreibt seit Monaten Lobbyarbeit für seinen Vater in den USA, was mit dazu beigetragen haben dürfte, dass das US-Finanzministerium auch den federführenden Richter im Prozess gegen Bolsonaro mit harten Sanktionen belegte: Alexandre de Moraes. Der brachte mit seinem harten Vorgehen gegen Desinformation in sozialen Netzwerken, vor allem aber durch die zeitweise Sperrung der Plattform X auch US-Tech-Konzerne gegen sich auf.
Am Montag ordnete Moraes Hausarrest für den Ex-Präsidenten an. Daraufhin blockierten Abgeordnete die Leitungssitze im Kongress. Die Fronten verschärfen sich. Und die bilateralen Beziehungen zwischen und den USA sind auf einem Tiefstand.
Brasilien schaltet WHO ein
Er werde Trump nicht anrufen, denn der wolle nicht sprechen, erklärte Brasiliens Präsident Luis Inácio Lula da Silva. Brasilien sei ein souveränes Land, auf die Justiz habe und nehme er keinen Einfluss. Lulas Wehrhaftigkeit bringt ihm auch innenpolitisch Punkte. 57 Prozent der Brasilianer lehnen Trumps Versuch der politischen Einmischung ab.
Nun hat Brasilia die Welthandelsorganisation eingeschaltet. Mit seinen Rekordzöllen von 50 Prozent verstoßen die Vereinigten Staaten in “eklatanter Weise” gegen zentrale Verpflichtungen, die sie mit der Welthandelsorganisation eingegangen sind, befand das brasilianische Außenministerium – und hat daher einen sogenannten Konsultationsvertrag bei der WTO gestellt. Das ist der erste Schritt zu einem möglichen Streitbeilegungsverfahren. Dabei sind zunächst bilaterale Gespräche vorgesehen, um eine Lösung ohne formelle juristische Schritte zu finden.
Präsident Lula da Silva kündigte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters außerdem an, er wolle in der BRICS-Staatengruppe Überlegungen anstoßen, wie man Trumps Zölle gemeinsam angehen könne.
Gesamtwirtschaftlich eher geringe Auswirkungen
Wirtschaftlich seien die Auswirkungen der Zölle auf Brasiliens gesamtwirtschaftliche Situation bisher allerdings eher gering, glaubt der Ökonom Livio Ribeiro von der renommierten Getulio-Vergas-Stiftung: “Wir werden größere Auswirkungen in einzelnen Sektoren haben, aber weniger in der Gesamtwirtschaft, denn Brasilien ist eine eher geschlossene Volkswirtschaft.” Die Exporte in die USA hätten keinen relevanten Anteil am Bruttoinlandsprodukt, es hingen davon wenige Arbeitsplätze ab. Die Auswirkungen seien also sehr gering, so der Ökonom.
Knapp 150.000 Jobs könnten dennoch kurzfristig verloren gehen, schätzt Brasiliens Industrieverband CNI. Das Wachstum um 0,2 Prozent zurückgehen.
China steht als alternativer Absatzmarkt bereit
Wahrscheinlicher sei es, dass Trumps Zollpolitik den Paradigmenwechsel in Brasiliens Handelsbeziehungen verstärkt: Längst haben die USA ihre Position als wichtigster Partner Brasiliens an China abgegeben. Nun kündigte die Volksrepublik an, den Kaffeeimport aus Brasilien zu erhöhen. Ein Hoffnungsschimmer auch für den Produzenten Machado: Unser großes Glück ist, wie viele Kollegen sagen: China. China ist vielleicht die große Hoffnung für unsere Zukunft.”
Ersetzen kann das eher Tee trinkende China den US-Markt jedoch noch lange nicht. Hinter den Kulissen hofft man, Brasiliens schwarze Bohnen bald mit auf die Liste der Ausnahmen setzen zu können.