Geopolitik

Folgen der Todesfahrt: „Wehrhafter werden“ – Haseloff fordert nach Magdeburg-Terror neue Sicherheitsarchitektur | ABC-Z

Viele Hinweise auf den Täter, aber kein „Gesamtüberblick“: Nach dem Terroranschlag von Magdeburg pocht der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), auf eine handlungsfähige Neuaufstellung der Sicherheitsbehörden. WELT AM SONNTAG liegt das viel kritisierte Sicherheitskonzept der Stadt vor.

Nach dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg wirbt der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), für eine effektivere Verzahnung deutscher Sicherheitsbehörden. „Der Daten- und Informationsaustausch zwischen den Behörden muss verbessert werden. Das gilt insbesondere für die Sicherheitsbehörden. Sie müssen sich stärker vernetzen dürfen“, sagte Haseloff WELT AM SONNTAG. „Voreilige Schuldzuweisungen helfen uns nicht weiter“, sagte Haseloff. Viele Fragen seien noch offen. Sie müssten aber beantwortet werden.

Vor dem Anschlag des aus Saudi-Arabien stammenden Täters, bei dem am 20. Dezember fünf Menschen getötet und 235 Personen verletzt wurden, hätten zum Täter „an vielen Stellen Informationen vorgelegen“. Haseloff sei der Auffassung, dass „allerdings niemand den Gesamtüberblick hatte, der uns heute erst im Nachhinein möglich ist“, teilte der Regierungssprecher von Sachsen-Anhalt, Matthias Schuppe, mit. Das müsse anders und besser werden. Der 70-jährige Haseloff führt in Sachsen-Anhalt eine Koalition aus CDU, SPD und FDP, er ist der dienstälteste Ministerpräsident Deutschlands.

Haseloff dränge nun darauf, „die Belange des Datenschutzes verstärkt unter Sicherheitsaspekten zu betrachten und wehrhafter zu werden“, sagte Schuppe weiter. Es gehe um den Schutz von Menschenleben.

Am Freitag besuchte der Ministerpräsident in der Magdeburger Uni-Klinik Patienten, die bei dem Terrorangriff zu Schaden gekommen waren. Nach Angaben der Klinik sind dort inzwischen alle Verletzten außer Lebensgefahr.

Was im 17-seitigen Sicherheitskonzept steht

Derweil ist die Frage, warum der 50-jährige Täter Taleb al-Abdulmohsen seine mörderische Fahrt am Freitagabend vor dem 4. Advent ungehindert durchführen konnte, nicht restlos geklärt. Offenbar wurde das Sicherheitskonzept der Weihnachtsmarkt-GmbH, an der die Stadt Magdeburg mehrheitlich beteiligt ist, nicht vollständig umgesetzt.

Das 17-seitige Konzept liegt WELT AM SONNTAG vor. Unter Punkt 4.1.8. werden in dem Konvolut „technische Maßnahmen – Betonsperren“ beschrieben. Dort heißt es unter anderem: „Das Ziel der vorgestellten Maßnahmen ist, Attacken auf Gäste des Magdeburger Weihnachtsmarktes zu erschweren. Gefahrenstellen sollen, soweit möglich, beseitigt werden.“ Ein „umfänglicher Schutz“ sei nicht möglich, das Konzept werde laufend evaluiert.

Weiter heißt es, dass Anti-Fahrzeugsperren das Befahren des Magdeburger Weihnachtsmarktes „insbesondere für Pkws, Kleintransporter und Lkws“ erschweren sollten. Geplant waren Betonblöcke, die „entweder (…) unmittelbar miteinander verbunden werden oder mittels einer Stahlkette auf größere Entfernung verbunden werden, um Zufahrten flexibel zu sperren“. Damit seien Durchfahrten von befugten Fahrzeugen wie Rettungsdienst oder Feuerwehr nach Kettenöffnung jederzeit möglich. Die Sicherung durch Stahlketten aber wurde nicht vorgenommen, die Zufahrt durch Polizeifahrzeuge nicht gesperrt. Al-Abdulmohsen hatte freie Fahrt.

Die Behörden verweigern bislang Auskünfte zu möglichen Fehlern bei der Umsetzung des Konzepts. „Sofern Ihre Fragen etwaige polizeiliche Belange berühren, sind diese Bestandteil laufender Ermittlungen, weshalb eine Auskunft derzeit nicht möglich ist“, teilte die Polizeiinspektion Magdeburg dieser Redaktion mit.

Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) ließ ausrichten: „Das Sicherheitskonzept (…) und dessen Umsetzung sind Bestandteil der laufenden Ermittlungen (…). Auskünfte dazu sind deshalb derzeit nicht möglich.“

Ronni Krug (CDU), Beigeordneter für Personal, Bürgerservice und Ordnung der Stadt, teilte lapidar mit, das Konzept sei „nach bestem Wissen und Gewissen“ erstellt worden. Weil die Stadt Antworten verweigert und somit gegen ihre Auskunftspflichten verstößt, geht WELT AM SONNTAG nun gerichtlich gegen die Stadt vor.

Derweil werden weitere behördeninterne Vorgänge vor der Tat bekannt. Wie WELT AM SONNTAG erfuhr, führte die Polizei im September 2023 im Polizeirevier Schönebeck (Sachsen-Anhalt) bei al-Abdulmohsen eine sogenannte Gefährderansprache durch. Zwei weitere Gesprächsversuche danach blieben erfolglos. Die Behörden kamen zu dem Ergebnis, dass von dem Mediziner „keine konkrete Gefahr“ ausgehe.

Politikredakteur Claus Christian Malzahn ist zuständig für die Berichterstattung über die Grünen. Zudem reportiert er aus den ostdeutschen Bundesländern.

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