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Flugtaxis: Lilium-Chef Klaus Roewe beklagt fehlende Unterstützung in Deutschland – Wirtschaft | ABC-Z

Volocopter-Chef Dirk Hoke war vor wenigen Tagen der erste, der Alarm geschlagen hat. Wenn sein Flugtaxi-Unternehmen nicht schnell mit Kreditbürgschaften unterstützt werde, dann müsse auch eine Insolvenz in Erwägung gezogen werden, mindestens aber der Verkauf an strategische Investoren aus dem Ausland. Nun erhebt Klaus Roewe, Chef des zweiten prominenten deutschen Flugtaxi-Start-Ups Lilium im SZ-Gespräch ebenfalls schwere Vorwürfe in Richtung Politik.

“Ich denke manchmal, auf dem Mond wären wir nicht schlechter dran als in Deutschland”, so Roewe. “Nur zwei Prozent unseres privaten Kapitals sind aus Deutschland. Nur 20 Prozent der Mitarbeiter sind aus Deutschland. Wir haben über 200 Millionen Euro hier am Standort ausgegeben, aber wir bekommen null Unterstützung, während unsere Wettbewerber in den USA und China hunderte Millionen an Staatshilfe haben. Da fragt man sich schon, warum mache ich das hier? Wenn es so wenig Hilfe gibt, welchen Grund haben wir, alles hier zu machen?”, so der Lilium-Chef.

Dem Start-up droht das Geld auszugehen

Lilium entwickelt am Flughafen Oberpfaffenhofen den Lilium-Jet. Dabei handelt es sich um ein sechssitziges elektrisches Flugtaxi, das anfangs bis zu 175 Meter weit fliegen soll. Die erste Testmaschine wird derzeit in einem der Hangars montiert, die zweite wollen die Mitarbeiter ab Mitte Mai zusammenbauen. Der erste Testflug soll Ende des Jahres, spätestens Anfang kommenden Jahres stattfinden.

So soll es aussehen: Das vorläufige Modell eines Lilium-Jets. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Doch dem Start-up, das bislang schon deutlich mehr als eine Milliarde Euro in das Projekt investiert hat, droht das Geld auszugehen. Lilium hatte Anfang des Jahres etwa 200 Millionen Euro liquide Mittel, laut Budgetplanung wird es aber 2024 etwa 350 Millionen ausgeben. Anfangs waren private Investoren gerne bereit, viel Geld in den Sektor zu stecken, auch wenn noch keine Umsätze, und schon gar keine Gewinne fließen. Doch das Klima hat sich stark verändert. Die vergleichsweise hohen Zinsen führen dazu, dass Investoren sich zweimal überlegen, wem sie ihr Geld geben.

Volocopter hatte schon Anfang 2023 Hilfen beantragt, zunächst in Baden-Württemberg, war dort aber letztlich mit einem deutlich kleineren Paket abgeblitzt und hatte sich dann nach Bayern gewandt. Die Staatsregierung sollte das Unternehmen gemeinsam mit dem Bund mit Kreditbürgschaften in Höhe von bis zu 100 Millionen Euro unterstützen, doch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) blockierte das Vorhaben, obwohl die CSU dafür gewesen wäre. Die Bundesregierung wiederum knüpfte ihre Hilfen an ein positives Votum aus Bayern.

Lilium hat Bürgschaften in gleicher Höhe im Herbst 2023 beantragt. Doch Roewe klagt: “An der Situation hat sich seit letztem Herbst nichts geändert. Im Prinzip ist ein halbes Jahr ins Land gegangen ohne irgendeinen Fortschritt.” Für ein Start-up sei ein halbes Jahr “viel, viel Zeit.” Zunächst habe man das schleppende Verfahren “relativ entspannt” gesehen. Doch “heute bewertet der Kapitalmarkt die ausbleibende Förderung als fehlendes Vertrauen des deutschen Staates in uns und das elektrische Fliegen. Wenn wir vom Staat nichts bekommen, löst das im Kapitalmarkt totale Verunsicherung aus. Das Signal ist fatal”, sagt Roewe.

“Ich laufe mir die Füße wund und rede mir den Mund fusselig”

Für Bayern sei das Risiko einer Bürgschaft äußerst gering. 50 Millionen – der Anteil, der auf den Freistaat entfiele – seien ziemlich genau der Betrag, den Lilium im Land über Steuern und Sozialabgaben pro Jahr zahle. Für Lilium hingegen sei die Unterstützung extrem wichtig: 100 Millionen Euro an Bürgschaften plus eine Kapitalerhöhung in ähnlicher Höhe, an denen die privaten Investoren teilnehmen, seien genug, um Lilium bis zum geplanten Erstflug durchzufinanzieren. Danach breche sowieso eine neue Zeitrechnung an. Denn der Erstflug löse Vorauszahlungen der Kunden aus, die Lilium-Jets fest bestellt haben. Außerdem werde auch bei Kapitalgebern sicher eine gewisse “Euphorie” entstehen, wenn die Maschine erst in den Flugtests sei.

Das Modell des Lilium-Jets steht in einer Halle. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. “Ich laufe mir die Füße wund und rede mir den Mund fusselig in Berlin wie auch in München und sage den Leuten: Ihr tut uns hier keinen Gefallen”, so Roewe. “Dass wir nichts tun, schadet uns massiv im Augenblick.” Dennoch gibt sich der Lilium-Chef kämpferisch: “Mein Plan A ist es, in Deutschland erfolgreich zu werden. Mein Plan B ist, woanders erfolgreich zu werden. Scheitern ist keine Option.”

Ein strategischer Investor, womöglich aus China, Saudi-Arabien oder den USA, könnte Lilium mutmaßlich für wenig Geld übernehmen und müsste noch die Zeit bis zum Produktionshochlauf finanzieren. Allerdings würde dann das Unternehmen voraussichtlich zu großen Teil umziehen und aus Deutschland verschwinden. Ein ähnliches Szenario hatte auch Volocopter-Chef Hoke skizziert. Deutschland würde in der entstehenden Flugtaxi-Branche keine Rolle mehr spielen.

Derzeit gibt es weltweit eine dreistellige Zahl von Projekten in dem Segment. In Europa sind Lilium, Volocopter und Vertical Aerospace die bekanntesten Namen. In den USA arbeiten Joby und Archer an Flugtaxis. Die beiden Firmen sind, auch dank großzügiger Staatshilfen, in einer deutlich besseren finanziellen Situation, sie sind mindestens bis weit ins Jahr 2025 finanziert. China hat die Branche zu einer Priorität in der Wirtschaftspolitik erklärt. Auch der brasilianische Flugzeughersteller Embraer arbeitet an Eve, einem Flugzeug, das ähnlich wie der Volocopter innerhalb von Großstädten eingesetzt werden soll.

Bei allem Ärger über die Politik betont Roewe, dass bei Lilium technisch alles nach Plan läuft. Tests im Windtunnel hätten Modellrechnungen zur Aerodynamik des Lilium-Jet bestätigt, die Fortschritte in der Batterietechnologie ermöglichen es Lilium nach seiner Ansicht, die Versprechen in Sachen Reichweite zu erfüllen. Für die Flugtests sind eineinhalb Jahre eingeplant, so dass die ersten Serienmaschinen voraussichtlich an Mitte 2026 ausgeliefert werden können. 400 Lilium-Jets sollen in Oberpfaffenhofen gebaut werden, wenn die Produktion auf vollen Touren läuft.

Alles natürlich unter dem Vorbehalt, dass die Finanzierung klappt. In dieser Woche gab es in dieser Hinsicht dem Vernehmen nach zur Abwechslung ein positives Signal: Bayern will nun offenbar doch ein Gutachten in Auftrag geben, das die Aussichten von Lilium bewerten soll. Es könnte als Grundlage für eine Entscheidung über eine Bürgschaft dienen. Die Zeit drängt.

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