Bezirke

Flughafen Münchner 45 Minuten lahmgelegt: Sechs Klimaklebern wird jetzt der Prozess gemacht – Freising | ABC-Z

„Was, wenn das die Regierung nicht in den Griff kriegt?“, war am Morgen des 8. Dezember 2022 auf einem Transparent zu lesen, das Aktivisten der Letzten Generation am Zaun des Flughafens im Erdinger Moos hochhielten. Gemeint war die zunehmende Erhitzung des Weltklimas. Damit nicht genug: Die Klimaschützer hatten im Süden und Norden mit Seitenschneidern Löcher in den Zaun geschnitten.

Im Bereich der nördlichen Start- und Landebahn gelang es vier Aktivisten ins Flughafengelände einzudringen und sich auf einer Rollbahn festzukleben. Der Flugbetrieb wurde für 45 Minuten eingestellt. Den sechs Klimaschützern wird derzeit am Erdinger Amtsgericht der Prozess gemacht. Die Anklage lautet auf Störung des öffentlichen Betriebs, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung.

Zur Ahndung der Straftaten kommen sowohl eine Geld- als auch eine Haftstrafe in Betracht. Am ersten Verhandlungstag schlagen die Verteidiger der Angeklagten das Angebot einer Geldstrafe im Falle eines umfassenden Geständnisses aus. Oberstaatsanwalt Martin Strunz hatte dies in einem Rechtsgespräch angeregt. Im Prinzip haben die Beschuldigten in ihren Einlassungen die ihnen zur Last gelegten Vorwürfe bereits eingeräumt.

Ein Sicherheitsbeauftragter der Flughafen München GmbH (FMG) schildert als Zeuge den Hergang der Ereignisse. Seiner Aussage zur Folge hat ein Baggerfahrer beobachtet, wie ein Teil der Aktivisten ein Loch in den Zaun im Bereich der nördlichen Start- und Landebahn geschnitten. Er alarmierte sofort die Sicherheitsleitstelle am Flughafen. Auch an der Südbahn machten sich Aktivisten am Zaun zu schaffen, sie konnten allerdings am Betreten des Flughafengeländes gehindert werden.

Unterdessen hatten sich vier Klimaschützer im Norden auf einer Rollbahn festgeklebt. Ihrer Ansicht nach hätte der Flugverkehr nicht unterbrochen werden müssen, weil ihre Aktion abseits der nördlichen Start- und Landebahn stattfand. Ein Angeklagter sagt, er habe sich diese Rollbahn extra ausgesucht, weil dort seinem Empfinden nach wenig Verkehr stattfindet. Der Sicherheitsbeauftragte der FMG sagt, bei der Einstellung des Flugbetriebs handele es sich um ein Routineverfahren. Dieses tritt automatisch in Kraft, sobald ein Loch im Zaun festgestellt wird. „Wir gehen von einem Eindringen und Gefährden des Flugverkehrs aus.“

Die Aktivisten der Letzten Generation, die ihren Namen mittlerweile abgelegt hat, erklären in ihren Einlassungen ihre Motive für das Vorgehen am Flughafen im Erdinger Moos.  Eine Angeklagte stellt die Aktion in Zusammenhang mit einem gerechtfertigten Notstand.  Dieser erlaubt die Verletzung eines Gesetzes, wenn der Täter nicht anders handeln kann, um ein höherwertiges Interesse zu schützen. In diesem Fall ist dies die zunehmende Erhitzung des Weltklimas, gegen das sie sich mit zivilem Ungehorsam einsetzt.  2024 sei schon wieder als heißestes Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Geschichte eingegangen, stellt sie fest.

„Ich habe mein komfortables Leben gegen das im Widerstand eingetauscht“

Die Angeklagten, die aus verschiedenen Bundesländern stammen, fürchten für die Zukunft eine dystopische Welt mit Dürren, Überflutungen und Verteilungskriegen. Wie diese aussehen könnte, darüber hat sich ein Beschuldigter während seines Katastropheneinsatzes im Kreis Euskirchen und an der Aar ein Bild verschafft. Dies hat ihn verändert. „Ich habe mein komfortables Leben gegen das im Widerstand eingetauscht“, sagt er. Die Folge sei, dass er als „Terrorist“ behandelt werde und sich auch Schläge und Fußtritte gefallen lassen müsse. Er wisse, dass sein Verhalten nicht richtig gewesen sei, gibt ein weiterer Angeklagter zu. Er sei aber stolz darauf, an der Aktion teilgenommen zu haben. Eine Beschuldigte sagt, sie glaube nicht, dass der Protest etwas bewirke. Sie lasse sich aber auch nicht davon abbringen.

Die Klimaschützer waren nach ihrer Aktion in Präventivhaft genommen worden. Was sie dort ihren Angaben nach erleben mussten, erschüttere ihren Glauben an den Rechtsstaat. Ein Aktivist, den die Feuerwehr mit einem Stück Asphalt an der Hand von der Rollbahn befreien musste, berichtet, er sei wie ein Gewaltverbrecher für fünf Tage in Bunkerhaft genommen worden. Seinen Angaben nach in einer Zelle mit verdunkeltem Fenster, Videoüberwachung „und mit einem Loch für die Fäkalien in einer Ecke“. Seine Medikamente habe man ihm vorenthalten und durch andere ersetzt.

Ähnlich erging es einem anderen Aktivisten. Auch ihm seien Medikamente vorenthalten worden, sagt er. Er berichtet von einem entwürdigenden Gefühl, als er sich vor fünf Männern habe nackt ausziehen müssen. Das Essen sei vor ihnen in Plastikbeuteln auf den Boden geworfen worden. „Die Beamten haben uns behandelt wie Dreck.“ Nach Ansicht der Beschuldigten gehörten nicht sie auf die Anklagebank, sondern die Konzerne, die mutwillig mit ihrem Beharren auf fossilen Brennstoffen Leben aufs Spiel setzen. Der Prozess wird fortgesetzt.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"