Flughafen Frankfurt: Landebahn als „Reifen-Killer“: Millionen-Fiasko für Fraport | ABC-Z
Vor gut einem Jahr verlegte Deutschlands größter Flughafen einen High-Tech-Belag auf einer Landebahn. Kaum war die Piste in Betrieb, kam es zu rätselhaften Reifenschäden. Nach einem ersten Eingreifen zeigten sich neue Gefahren. Nun zieht der Flughafen die Reißleine – mit Folgen.
Erst wiesen Flugzeugreifen rätselhafte Abriebschäden auf, dann lösten sich ganze Brocken aus der Piste. Nun zieht der Frankfurter Flughafen die Reißleine und entfernt aus Sicherheitsgründen noch vor dem Wintereinbruch einen innovativen Hightech-Belag von einer Landebahn, mit dem man eigentlich ein neues Kapitel in der Runway-Technologie aufschlagen wollte.
Als im Mai vergangenen Jahres das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war man bei der Flughafenbetreibergesellschaft Fraport noch voller Zuversicht gewesen. Zwei Wochen lang wurde die sogenannte Landebahn Nordwest gesperrt, um einen innovativen Belag auf die 2800 Meter lange Betonpiste aufzubringen.
Es handle sich, erklärte das Unternehmen damals, um einen neuartigen „Anti-Skid-Belag“, den man zum ersten Mal im Bahnsystem einsetze. Übersetzt heißt das Anti-Rutsch-Belag. Dafür wurden 900 Tonnen Split mit 164 Tonnen Epoxidharz vermengt. „Mit dieser Beschichtungsart reduzieren wir die künftigen Wartungsintervalle und sparen, vor allem in den kalten Wintermonaten, bis zu 25 Prozent Enteisungsmittel ein“, frohlockte der Flughafen.
Eineinhalb Jahre später ist der Stolz auf das 3,5-Millionen-Euro-Projekt restlos verflogen. Die vermeintliche Vorzeige-Piste wurde zu einem Fiasko. Die Anti-Rutsch-Bahn war kaum in Betrieb gegangen, da begannen an Deutschlands wichtigstem Flugdrehkreuz Piloten von ungewöhnlichen Fahrwerks-Schäden zu berichten.
Zuvor tadellose Reifen von Verkehrsflugzeugen sahen plötzlich wie abgeschmirgelt aus. Wie sich herausstellte, betraf das beunruhigende Phänomen ausschließlich Maschinen, die auf der Landebahn Nordwest niedergegangen waren. Der Anti-Skid-Belag bekam im Airport-Umfeld schnell einen Beinamen: „Reifen-Killer“.
In einer ersten Reaktion sperrte der Flughafen die Landebahn erneut. Nach einigem Hin und Her entschied man sich, die problematische Piste glatt zu walzen. Auf diese Weise wurde zwar der ursprünglich erhoffte Effekt einer erhöhten Bremsleistung der Flugzeuge sowie einer geringeren Abnutzung der Betonpiste wieder aufgehoben. Doch immerhin das Sicherheitsproblem schien gelöst.
Offenbar trog auch diese Hoffnung, denn nun kam es erneut zu sicherheitsrelevanten Feststellungen, und wieder bezogen sie sich auf die Problem-Piste. „In den Aufsetzzonen der Landebahn Nordwest kam es in kleinen Bereichen zu Schäden. Da hat sich etwas gelöst“, bestätigt ein Fraport-Sprecher Berichte der Branchendienste Aero und Aerotelegraph.
Ausgerechnet in den Bereichen der Landebahn, in denen die Flugzeuge aufsetzen und dabei enorme Kräfte freisetzen, lösten sich offenbar Brocken aus dem Fahrbahnbelag. Eine nicht ungefährliche Situation, zumal im bevorstehenden Winter aufgrund von Eis und Frost eine Verschlimmerung des Pistenzustands zu befürchten ist. Ein Risiko, das man in der Flughafenzentrale nicht eingehen wollte.
Am Dienstag dieser Woche wurde die Landebahn Nordwest deshalb ein weiteres Mal geschlossen, die Zahl der Landungen und Starts musste vorübergehend reduziert werden, es kam zu Flugverspätungen. Auf der Landebahn Nordwest rückten Baufahrzeuge mit schwerem Gerät an.
In der Aufsetzzone 07, wo Flugzeuge, die in östlicher Richtung landen, auf die Piste treffen, wurde der Hightech-Belag vollständig abgetragen. Anschließend, so der Flughafensprecher, seien Rillen in den Beton gefräst worden, um eine Rutschfestigkeit wieder herzustellen, für die eigentlich die Anti-Rutsch-Schicht sorgen sollte.
Möglichst noch im November will man die Bahn ein zweites Mal für einen Tag dicht machen. Dann soll auch der Aufsetzbereich in Gegenrichtung, die Zone 25, abgefräst werden. Das Kapitel Anti-Grid dürfte sich damit wohl erledigt haben. Bei zukünftigen Bahnerneuerungen, so ist bei Fraport zu hören, werde man auf den Super-Belag wohl verzichten.
Steffen Fründt ist Wirtschaftskorrespondent der WELT und berichtet über Themen aus Luftfahrt, Sportbranche und anderen Industrien.