Flüchtlingscamp Dadaab: Was, wenn die US-Gelder verschwinden? | ABC-Z

Es ist eines der größten Flüchtlingscamps der Welt: Dadaab, im Norden Kenias, an der Grenze zu Somalia. Fallen die US-Hilfsgelder aus, spüren es die Menschen hier als erstes.
Das Flüchtlingscamp befindet in einer entlegenen Gegend, fernab von Städten, umgeben von weiter Landschaft, Sand und niedrigen Büschen, in den sich Plastikmüll verfängt. Es ist heiß, trocken und staubig in Dadaab, einem Ort, in dem viele schon seit Generationen leben. Die meisten hier kommen aus Somalia, dessen Grenze etwa 100 Kilometer entfernt von Dadaab liegt und wo seit mehr als 30 Jahren Bürgerkrieg herrscht.
Wo zu Beginn Zelte standen, befinden sich heute einfache Hütten aus Wellblech und Holz. Im ältesten Stadtteil Hagadera gibt es einige kleine Geschäfte, einen Kiosk, eine Metzgerei für die wenigen, die es sich leisten können.
Das ist die Einkaufsstraße von Dadaab, einer Flüchtlingsstadt etwa 100 Kilometer von der Grenze zu Somalia entfernt.
Rationen massiv geschrumpft
Die meisten Menschen in Dadaab sind auf Nahrungsmittellieferungen angewiesen. Vor allem das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen versorgt die Flüchtlinge mit Mais, Bohnen, Reis und Öl. Einer davon ist der Somali Said, der einmal im Monat eine Nahrungsmittelration für sich und seine Familie bekommt.
„Die Nahrungsmittelrationen hier sind schon seit Jahren immer weniger geworden, aber jetzt sind sie wirklich sehr geschrumpft. Zuvor habe ich 20 Kilogramm Mais pro Monat für meine sechsköpfige Familie bekommen. Nun sind es nur noch etwa sechs Kilo“, erzählt er.
Sorge vor Unruhen
Said hat Angst, dass die Stimmung im Flüchtlingslager kippt, dass es Unruhen geben könnte. Oder sogar Tote. „Wenn du jeden Tag zu wenig Nahrung hast, zu wenig Trinkwasser, zu wenig medizinische Versorgung – dann wartest du nur noch auf den Tod“, sagt er.
Die Hilfsorganisation Save the Children ist besorgt, dass Kinder in Flüchtlingscamps künftig unter Mangelernährung leiden könnten wegen der Kürzungen der US-Gelder. „Es könnte auch bedeuten, dass Kinder, die bereits mangelernährt sind, keine entsprechende Behandlung bekommen“, sagt Pornpun Jib Rabiltossaporn, Direktor bei Save the children für Kenia und Madagaskar.
Amina (rechts im Bild) und ihre Pflegemutter. Ungewiss, wie lange sie die 17-Jährige noch unterstützen kann. Auch sie wird von Hilfsgeldern bezahlt.
Mangel an medizinischer Behandlung
Der Mangel zeigt sich nicht nur bei Grundnahrungsmitteln und Trinkwasser, sondern auch bei der medizinischen Versorgung. Das spürt auch die 17-jährige Amina. Sie hat körperliche Gewalt erlitten, wurde vergewaltigt und dadurch schwanger.
Vor vier Jahren floh sie mit ihrem Baby aus Somalia nach Kenia und lebt seitdem in Dadaab. Doch ihr Leben sei hier deutlich schwieriger geworden, erzählt sie. „Früher wurde mir hier sehr geholfen. Das ist vorbei. Wenn ich jetzt sage, dass mein kleines Kind krank ist oder ich nicht genug zu essen habe, sagen mir die Helfer, dass ihnen die Mittel fehlen.“
Weil Amina noch minderjährig ist, bekommt sie Unterstützung von einer Pflegemutter, die auch von Hilfsgeldern bezahlt wird – unklar, wie lange noch. „Ich habe große Sorge, dass dieses Flüchtlingscamp geschlossen wird“, sagt Amina. Sie wisse nicht, wo sie dann hingehen solle.
Abhängigkeit von US-Geldern
Viele internationale Organisationen in Dadaab sind abhängig von den USA, dem bislang größten Geldgeber für Entwicklungszusammenarbeit weltweit. Vom Beschluss der Trump-Regierung, die Entwicklungsbehörde USAID aufzulösen, Milliarden an Hilfsgelder zu blockieren und massiv zu kürzen sind viele Organisationen betroffen.
Aus Sorge, dass etwa die Gemeinnützigkeit aberkannt oder noch mehr Gelder gestrichen werden, haben viele Angst, öffentlich darüber zu sprechen. Interviewanfragen werden abgelehnt. Der Druck aus den USA sei groß.
Die Hälfe der Gelder weg
Das Schweizer Kinderhilfswerk Terre des Hommes ist von massiven Kürzungen bei der USAID betroffen, der zuständige Landesdirektor findet dennoch den Mut, darüber zu reden. Die Organisation hat bereits in den vergangenen Wochen unter der Blockade der US-Hilfsgelder gelitten, fünf Familienzentren mussten geschlossen werden.
Nun ist klar, dass es kein Geld mehr für ihre Projekte in Kenia vom US-Außenministerium gibt. Eine verheerende Situation, sagt Craig Tucker, Direktor von Terre des Hommes in Kenia.
50 Prozent unserer Finanzierung sind über Nacht verschwunden. Deshalb können wir die Hälfte unserer Mitarbeiter nicht mehr bezahlen. In den Flüchtlingslagern sind rund 20.000 Menschen betroffen, besonders etwa eintausend Kinder in Not.
Die Hilfsorganisation berichtet, sie habe eiligst ihre Arbeit umgestellt, um zumindest die härtesten Fälle zu unterstützen. Andere Kinder und Eltern, die Hilfe bekamen, bekommen sie nun nicht mehr. Um weiterarbeiten zu können, suche die Organisation nach neuen Geldgebern.
Krise auch Chance für Entwicklungsarbeit
Ohne den großen Geldgeber USA werden Hilfsorganisationen sich neu aufstellen müssen. Craig Tucker sieht darin auch eine Chance. Es gehe darum, Geflüchtete, die dazu in der Lage sind, in Zukunft noch mehr darin zu bestärken, eigenverantwortlicher zu leben.
Doch jene, die massive körperliche oder psychische Probleme haben, oder auch Kinder würden auch weiterhin auf internationale Unterstützung angewiesen sein.