Fis: Ein Wintersportverband als Verbrennungsmaschine – Sport | ABC-Z

Wenn die Vertreter des Ski- und Snowboard-Weltverbands (Fis) an diesem Freitag zu ihrem Kongress zusammenkommen, der jährlichen Klausur der weltweit größten Wintersportbewegung, wird manches etwas kleiner sein. Die wichtigsten Honoratioren – Präsident Johan Eliasch, Mitglieder des Councils – treffen sich zwar in Genf, wo zunächst eine Ratssitzung ansteht sowie ein Abendmahl im Romantikhotel L’Auberge d’Hermance: Steinarchitektur aus dem 17. Jahrhundert, Terrasse nahe dem Genfer See, Jakobsmuschelravioli mit Trüffeln als Entrée. Das Gros der Delegierten wählt sich aber erst am Tag darauf zur großen Klausur ein, digital. Seit 2020 hält die Fis jeden zweiten Kongress so ab.
Manchem Funktionär dürfte es wohl ganz recht sein, dass der Weltverband so nicht noch mehr Geld verbrät. Allein die Finanzen der Fis sind Anlass genug, weshalb es in einem der wichtigsten globalen Dachverbände weiter wenig romantisch zugeht, auf der Hinterbühne zumindest. Zwar hat es Johan Eliasch geschafft, sich trotz sehr, sehr, sehr vielen Stürmen im Präsidentenamt zu halten. (Bei seiner jüngsten Kandidatur für den IOC-Vorsitz reichte es mit zwei von knapp 100 Voten nicht ganz.) Wenn es ums Geld geht, hört der Spaß allerdings auf. Manch einem aus der Gefolgschaft entweicht gar ein „beängstigend“. Offen sprechen will aber niemand – aus Sorge, den Zorn des nicht gerade als zimperlich geltenden Präsidenten auf sich zu ziehen.
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Vor allem ein Posten fällt ins Auge in der Bilanz des vergangenen Jahres, die der SZ vorliegt. Die Sicherheiten, die der Verband vor drei Jahren in liquide Mittel verwandelte, sind binnen zwei Jahren mal eben um rund 100 Millionen Franken leichter geworden, auf knapp 46 Millionen am Jahresende 2024 geschrumpft. Zugleich beziffert die Fis ihre Personalkosten zuletzt auf 14,8 Millionen Franken. (2020, ein Jahr vor Eliaschs Ankunft, wurden für die gesamte Belegschaft knapp acht Millionen ausgewiesen.) Die Nationalverbände durften sich derweil auf eine „Spezialverteilung“ von 7,5 Millionen Franken freuen, was ihre Einnahmen auf insgesamt 22,5 Millionen steigerte, wie die Fis in ihrem Finanzbericht schreibt. Ein probates Mittel, um die Loyalität an der Basis zu sichern, insbesondere bei kleineren Verbänden, die wenig bis nichts mit Schnee und Eis zu tun haben. (Er wolle die Fis so demokratisieren, hat Eliasch mal behauptet.) Und dann sind da noch Kleinigkeiten wie „außerplanmäßige“ Rechtskosten, 1,5 Millionen Franken allein für 2024. Alles im besten Interesse des Verbandes, beteuert Eliasch für gewöhnlich. Konflikte, die unnötig vom Zaun gebrochen wurden, finden nicht wenige.
Was kritische Beobachter noch mehr beunruhigt, ist, dass die Fis im Geschäftsjahr 2024 trotzdem einen Profit von knapp 4,5 Millionen Franken ausweist – obwohl sie ein operatives Minus von 14,8 Millionen erwirtschaftet hat. Allerdings setzt die Fis diesem Posten einen außerplanmäßigen Bonus über 18,4 Millionen entgegen. Das ist ein großer Teil jener Prämie, die die Fis vom Rechtevermarkter Infront erhielt, weil sie sich im vergangenen Dezember mit der Agentur sowie den Nationalverbänden auf die viel diskutierte Zentralvermarktung der Medienrechte einigte. Diese Einnahme ist nur gar keine echte – sie soll diesen und kommenden Sommer an die beteiligten Landesverbände fließen, wie die Fis auf Anfrage bestätigt. (Die erste Tranche floss für das Jahr 2024.) Rechnet man den durchlaufenden Posten in Höhe von 18,4 Millionen Franken jedenfalls heraus, gleitet die Bilanz für 2024 um knapp 14 Millionen Franken ins Minus.
Die Tourismusagentur aus Aserbaidschan steigt als Fis-Premiumpartner ein, aus einem Land, wo Menschenrechte massiv verletzt werden
Macht aber gar nichts. So in etwa scheint das jedenfalls die Fis zu sehen. Die jüngste Jahresbilanz sei ja vorbereitet und geprüft in Einklang mit „in der Schweiz grundsätzlich akzeptierten Buchführungsprinzipien“, teilt sie mit.
Das ist der Trend, den manche seit einer Weile besorgt beobachten: dass Sonderposten oder Reserven davon ablenken, wie das operative Geschäft läuft. Oder auch nicht. Zwar wird die Fis nach den Winterspielen im kommenden Februar die üblichen Zuwendungen des Internationalen Olympischen Komitees erhalten – im letzten Olympiazyklus knapp 40 Millionen Franken. Die müssen aber einen hochtourigen Apparat vier Jahre lang versorgen. In die fallen allein je zwei opulente Weltmeisterschaften der Alpinen und Nordischen. Und dann sind da mittlerweile zwei Klagen, die Christian Pirzer, der einstige Geschäftsführer der langjährigen Fis-Marketingtochter Fismag, gegen den Weltverband anstrengt. Sollten beide Erfolg haben, könnte dies allein die Fis einen Millionenbetrag kosten.
Die Fis tut in ihrem Kommentar zur aktuellen Bilanz indes kund, als handle es sich bei all dem um eine Fata Morgana. Man habe in einem „turbulenten makroökonomischem Umfeld mit dem Krieg in der Ukraine und der Krise im Mittleren Osten“ ein insgesamt „stabiles Jahr“ verbracht. Das „interne Kontrollsystem“ arbeite „effektiv“ und habe keine spezifischen oder speziellen externen Risiken erkannt. Interessant ist, dass die Fis in ihrem Ausblick die neue Zentralvermarktung der Medienrechte ausspart, die doch so viel mehr Geld in die Kassen spülen sollte. Stattdessen schreibt sie: „Wir sind dank unserer Liquiditätsreserven bestens vorbereitet auf potenzielle Herausforderungen in den kommenden Jahren.“ Das dürften manche angesichts der jüngsten Bilanz eher als Drohung empfinden.
Wie hatte Johan Eliasch noch mal getönt, als er im vergangenen Frühjahr ein knapp 400 Millionen Euro schweres Angebot eines Investors abgelehnt hatte? Die Fis sei doch „gut kapitalisiert“! Tatsächlich bemerken Kenner auch, dass nach wie vor keine Vertragsverlängerungen mit zentralen Kapitalgebern wie Audi verkündet wurden. Aber gut: Wer dafür andere Allianzen schmiedet, dem wird das Herz wohl nicht schwer vor Sorge. Ab der kommenden Wintersaison wirbt die staatliche Tourismusagentur Aserbaidschans als Premiumpartner aller Fis-Weltmeisterschaften, als Titelsponsor diverser Freestyle-Disziplinen und als Sponsor in der Nordischen Kombination. Ein Land, das laut Amnesty International die Menschenrechte massiv verletzt, Meinungsäußerung beschneidet, diskriminiert, foltert.
Oder, in Worten der Fis: Man wolle helfen, den Status des Landes zu festigen als „Weltklassedestination für Schneesport, für den Freizeit- bis zum Elitesportler“.