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Finanztalk bei „Hart aber fair“: Reul geht das Pokern der Grünen „auf den Keks“ | ABC-Z

Am Donnerstag soll der Bundestag über das Billionen Euro schwere Finanzpaket diskutieren, das Union und SPD vorgelegt haben. Die Gäste bei „Hart aber fair“ diskutieren schon einmal darüber, und zwar sehr kontrovers. CDU-Innenminister Reul platzt der Kragen.

Das war ein Paukenschlag: Die Grünen wollen dem Gesetzentwurf von Union und SPD nicht zustimmen. Es geht dabei um Finanzpakete in Höhe von ungefähr einer Billion Euro, über die am Donnerstag der Bundestag in seiner alten Besetzung beraten soll. Doch dort haben Union und SPD keine Zweidrittel-Mehrheit, die sie für die geplanten drei Verfassungsänderungen benötigen. Darum brauchen sie die Grünen. Ob diese Beratung jedoch überhaupt stattfindet, ist noch unklar. Linke und AfD haben dagegen geklagt, das Bundesverfassungsgericht muss jetzt in einem Eilverfahren darüber entscheiden. Bei „Hart aber fair“ diskutieren am Abend die Gäste über die Pläne von CDU, CSU und SPD, die Deutschland für die Zukunft sicherer machen wollen.

„Die letzten Wochen haben Union und SPD miteinander besprochen, was sie gerne machen wollen, welches Geld sie wohin geben wollen. Und jetzt wollen sie mit uns darüber sprechen, ob es ihnen zur Verfügung gestellt wird“, ordnet der Grünen-Co-Vorsitzende Felix Banaszak die Situation ein. Banaszak ist am Anfang der Sendung aus Berlin zugeschaltet, wo sich die Parteispitzen von Grünen, SPD und Union beraten, während die Sendung läuft. „Wir haben heute deutlich gemacht: Da ist vieles noch nicht in dem Sinne, wie wir es gerne hätten.“

Banaszak spricht von einem Verschiebebahnhof und einem Etikettenschwindel. Das Sondervermögen für die Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro diene in Wahrheit zur Finanzierung von Soli-Abschaffung, Mütterrente und anderen konsumtiven Ausgaben. Das sei nicht richtig, erklärt die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger von der SPD später. Das Geld solle ausschließlich für kaputte Straßen oder die Sanierung der Bahn ausgegeben werden.

„Wenn man die Grünen braucht, muss man die Grünen hören“

Die erste Lesung der Gesetze soll am Donnerstag im Bundestag stattfinden, über die Gesetze könnte am Dienstag kommender Woche abgestimmt werden. Um eine Lösung zu finden, sei also noch eine Woche Zeit, sagt Banaszak. Der Grünenpolitiker verlangt: „Klarheit, dass auch Klimaschutz endlich aufgenommen wird.“ Die Grünen fordern zudem eine „ernsthafte, grundsätzliche Reform der Schuldenbremse“, und sie wollen die Ausgaben in die Sicherheit erweitern. So soll auch Geld in die Cybersicherheit fließen. „Wenn man die Stimmen der Grünen braucht, muss man natürlich auch hören, was die Grünen wollen“, so Banaszak.

Seine Partei habe inzwischen einen eigenen Gesetzentwurf zur Friedenssicherung in den Bundestag eingebracht. Hintergrund: Union und SPD wollen die Finanzpakete und die dazu nötige Anpassung der Schuldenbremse in einem Gesetz verankern. Die Grünen sind jedoch damit nicht zufrieden und bieten an, über die Ausgaben für die Rüstung und die anderen Vorhaben von Union und SPD getrennt abzustimmen. Über eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse könne dann der neue Bundestag entscheiden, unter Einbeziehung der Linken und der Bundesländer.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul von der CDU war nicht überrascht von dem Verhalten der Grünen, spricht von einem Pokerspiel. „Ich finde es nur langsam nicht mehr zum Ertragen. Die Welt ist in Flammen, wir haben Riesenprobleme, und wir pokern, als ginge es um irgendeinen Kleinkram“, sagt Reul. „Alle haben eine riesengroße Verpflichtung, sich jetzt zusammenzureißen. Es geht mir auf den Keks.“ „Ich bin zuversichtlich, dass es am Ende funktionieren kann“, sagt Rehlinger. Die saarländische Ministerpräsidentin ist bereit, mit den Grünen zu verhandeln, auch die Grünen seien dazu bereit.

Die Kritiker

Linken-Co-Chef Jan van Aken war überrascht über das Verhalten der Grünen. Eine mögliche Regierungskoalition werde über die Reform der Schuldenbremse auch mit den Linken reden müssen. „Ich finde vieles von dem, was sie vereinbart haben in ihrem Sondierungspapier ganz schlimm, weil es an ganz zentralen Problemen in unserem Land vorbeigeht“, so van Aken.

Die Wirtschaftssachverständige Veronika Grimm hält nichts von den milliardenschweren Finanzpaketen. „Das Volumen, das da vorgeschlagen wird, ist geeignet, uns in Europa in die Bredouille zu bringen. Wir steigern durch diese massive Verschuldung die Zinsen an den Anleihemärkten für Staatsanleihen. Und das wird dazu führen, dass die hochverschuldeten Staaten in Europa in Probleme kommen“, gibt sie zu bedenken. Zu vieles sei an den Finanzpaketen noch nicht durchdacht, kritisiert sie. „Große Herausforderungen brauchen große Antworten“, antwortet Rehlinger. „Und das ist die große Antwort, um auch wirklich für die Wirtschaft das zu geben, was sie schon immer gefordert hat.“

Das Verteidigungspaket

Doch nicht nur in die Infrastruktur soll Geld fließen, auch in die Verteidigung. Die Mittel sollen unbegrenzt sein. Linken-Politiker van Aken findet das falsch. „Die Alternative ist, das Geld für die Verteidigung zu nutzen, das da ist.“ Die europäischen Staaten geben laut van Aaken jedes Jahr 430 Milliarden Euro für die Rüstung aus, Russland 300 Milliarden. Van Aken vergisst dabei jedoch, dass Russland über jede Menge Depots mit noch brauchbaren sowjetischen Waffen verfügt. Der Linken-Co-Chef kritisiert, dass die europäischen Rüstungsausgaben an falsche Stellen fließen. „Das Geld ist da, man muss es nur für die richtigen Dinge ausgeben.“

Damit steht van Aken in dieser Runde ziemlich alleine. Europa müsse aufrüsten, um ernst genommen zu werden, ist sich Rehlinger sicher: „Wir dürfen nicht weiter nichts tun“, so die Politikerin. Veronika Grimm stimmt ihr zu, fordert aber auch: „Wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir mehr Schlagkraft realisieren mit dem gleichen Geld.“ Die europäischen Länder kooperierten viel zu wenig miteinander, beklagt sie. Zudem müsse Europa lernen, die Waffensysteme selber bereit zu stellen und sich von der Abhängigkeit von den USA lösen. Und Europa müsse gerade im Hightech-Bereich schlagkräftiger werden. „Das Geld ist wichtig und richtig für die Verteidigung, aber wir müssen überlegen, wie wir es richtig einsetzen, damit wir ein starker Akteur in der Welt sind, mit dem man sich auch auseinandersetzt und verhandelt.“

Klar ist: Die nächsten anderthalb Wochen werden spannend. Unklar ist dagegen, ob die Finanzpakete für Verteidigung und Wirtschaft am Ende so beschlossen werden, wie sich Schwarz-rot das vorstellt. Und ob sie überhaupt beschlossen werden.

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