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FIFA habe nach Sepp Blatter „nur Bank gespielt“ | ABC-Z

Die audiovisuelle Vernehmung des Zeugen Joseph Blatter, Rufname Sepp, „88 Jahre alt, in einer Woche dann 89“, dauerte eine gute Dreiviertelstunde, als ihn die Richterin aus Frankfurt fragte, ob er eine Pause brauche. „Frau Vorsitzende“, antwortete der Mann, der über Jahre als Präsident über das neuzeitliche Imperium namens Fédération Internationale de Football Association herrschte, und nun in einem kargen Raum bei der Bundesanwaltschaft in Bern saß, „wir können weitermachen“.

Und in den Schwurgerichtssaal, Saal 146 des Frankfurter Landgerichts, übertrug sich für einen kurzen Augenblick das Flackern des speziellen Walliser Charmes des Sepp Blatter. Des Charmes, der ihm einst beim Aufstieg geholfen hatte, bis an die Spitze der FIFA. Es war längst nicht die einzige Steighilfe in der Karriere des Sepp Blatter, in deren Verlauf er zum Synonym für die FIFA und die FIFA zum Synonym für unendliche Schmierereien und korrupte Deals geworden war, bis er schließlich, unter der Last dieses Eindrucks, aufgeben musste als Präsident. Knapp zehn Jahre ist das nun her.

„Das war ein Zuschuss, kein Kredit“

Nun, am Donnerstagvormittag um zwanzig nach zehn, war Blatter zugeschaltet aus Bern, neben ihm der bekannte Schweizer Strafverteidiger Lorenz Erni, „mein Freund“, wie Blatter sagte. Woran erinnert sich der FIFA-Präsident, unter dessen Herrschaft die Deutschen vor einem Vierteljahrhundert die Weltmeisterschaft 2006 zugesprochen bekamen? Eva-Marie Distler, die Vorsitzende Richterin der zweiten Strafkammer des Frankfurter Landgerichts, die darüber urteilen soll, ob sich Theo Zwanziger, der frühere Präsident des Deutschen Fußball-Bunds, der schweren Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat, fragte spezifisch.

Und an Details erinnert sich Blatter nicht mehr gut. Vor vier Jahren war er gesundheitlich so schwer angeschlagen war, dass er von sich selbst sagt, „ich war weg“. Dass er zur WM 2006 mit Franz Beckenbauer mehr als mit allen anderen gesprochen habe, sagte Blatter am Donnerstag, und dass die FIFA den Deutschen einen „Kredit“, wie er das nennt, in Höhe von 250 Millionen Franken offeriert hat. Markus Kattner, der frühere Finanzchef der FIFA, der am Nachmittag ebenfalls audiovisuell, also zugeschaltet, vernommen wurde, verwendete den Begriff, unter dem die Finanzhilfe aus Zürich in den Gerichtsakten läuft: „Das war ein Zuschuss, kein Kredit.“

Täuschung, um Beckenbauer zu entschulden?

Dass der erst nach einem Vieraugengespräch zwischen Blatter und Beckenbauer auf die Schienen kam, hat der Zeuge Blatter nicht mehr präsent. Auch später habe sein Haus „nur Bank gespielt“, als zehn Millionen Franken auf Bitte der Deutschen an Robert Louis-Dreyfus übertragen wurden. Der größere Zusammenhang sei die vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder gewollte Eröffnungsgala in Berlin gewesen, Details, wieso, weshalb, warum Louis-Dreyfus im Spiel war – weiß Blatter nicht mehr.

Den Namen Mohamed bin Hammam, sagte er, habe er in dem Zusammenhang nie gehört. Dass die Finanzkommission, deren mächtiges Mitglied der Qatarer war, bei solchen Vorgängen involviert war, sei deren Aufgabe gewesen. Kattner ergänzte am Nachmittag, er sei von FIFA-Generalsekretär Urs Linsi angewiesen worden, das Geld weiterzuleiten. Der DFB habe darum gebeten und das Vorgehen bewilligt, habe ihm Linsi mitgeteilt. Zwanziger bestreitet, dass es einen solchen Präsidiumsbeschluss gab. Er unterstellt Linsi, Kattner getäuscht, einen Grund untergeschoben zu haben, um „Beckenbauer zu entschulden“, der bei Louis-Dreyfus in der Kreide stand.

„Nicht die Krankheit der anderen Zeugen“

Stand Blatter damals über diesen Dingen? Er hatte am Vormittag Erinnerungen aus der „Baggage seines Gehirns heraus“ gesucht, das Gehirn werde „ja nicht größer, aber voller“. „Angenehm und nobel“ sei die Aufgabe, „Ihrem Gericht Antworten zu geben“, verabschiedete er sich von Distler. Als die Verbindung nach Bern abgeschaltet war, die Bildschirme im Saal 146 wieder schwarz waren, war es der Richterin ein Anliegen zu betonen, dass der „in die Jahre gekommene“ Präsident „nicht die Krankheit der anderen Zeugen hat“, die sich nicht erinnern wollten.

Ab der kommenden Woche sitzt Blatter als Angeklagter in Muttenz bei Basel vor Gericht, dort wird die Berufung der Schweizerischen Bundesanwaltschaft gegen das Urteil des Bundesstrafgerichts aus dem Jahr 2022 verhandelt. Damals war Blatter vom Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung im Zusammenhang mit der Zahlung von zwei Millionen Franken an den Franzosen Michel Platini freigesprochen worden. Das Urteil wird am 25. März erwartet.

Am 10. März ist Sitzungspause. Blatter wird dann 89 Jahre alt. Theo Zwanziger, 79 Jahre alt, wünschte ihm aus Saal 146 „alles Gute und viel Erfolg. Du hättest einen Freispruch verdient“, sagte Zwanziger. Blatter spielte Doppelpass: „Wir hatten eine ganz gute Zeit, als wir die FIFA reformieren wollten. Du warst der einzige Kämpfer mit mir.“ Der Prozess in Frankfurt wird sich noch über Wochen ziehen. Die Männer, die ihn geprägt haben, die einst über den Fußball herrschten, sind in dem Glauben alt geworden, im Großen und Ganzen alles richtig gemacht zu haben.

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