Fethullah Gülen ist tot: Türkischer Prediger und Erdogan-Gegner im US-Exil gestorben – Politik | ABC-Z
Der türkische Prediger Fethullah Gülen ist tot. Er sei im Alter von 83 Jahren in einem Krankenhaus in den USA gestorben, teilte die Website Herkul, die Gülens Predigten veröffentlicht, auf X mit. Auch sein Neffe Ebuseleme Gülen bestätigt den Tod seines Onkels bei X. Zuvor hatten verschiedene Medien über den Tod Gülens berichtet.
Gülens Bewegung wird von der türkischen Regierung für den Putschversuch von 2016 verantwortlich gemacht und als Terrororganisation eingestuft. Gülen gilt vielen in der Türkei als Staatsfeind Nummer eins, unter anderem der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan sieht ihn als solchen. Von den USA forderte Erdoğan eine Auslieferung des dort im selbst gewählten Exil lebenden Predigers. Gülen bestritt jegliche Verstrickung in den Putschversuch und behauptete, der türkische Präsident selbst könnte den Putsch inszeniert haben. Bei dem Versuch von Teilen des Militärs, die Macht zu ergreifen, wurden etwa 250 Menschen getötet.
Kurz nach dem Putsch 2016 bezeichnete Erdoğan Gülens Netzwerk als Verräter und Krebsgeschwür und schwor, es auszurotten. Seither wurde die Hizmet-Bewegung Gülens massiv verfolgt. Hunderte mit ihm verbundene Schulen, Unternehmen, Medien und Vereine wurden geschlossen und Vermögenswerte beschlagnahmt. Mindestens 77 000 Menschen wurden festgenommen und 150 000 Staatsbedienstete suspendiert, darunter Lehrer, Richter und Soldaten. Gülen selbst verurteilte den Putschversuch auf das Schärfste. „Für jemanden, der in den vergangenen fünf Jahrzehnten unter mehreren Militärputschen gelitten hat, ist es eine besondere Beleidigung, beschuldigt zu werden, in irgendeiner Verbindung zu einem solchen Versuch zu stehen“, erklärte er.
Gülen und Erdoğan waren lange Weggefährten
Dabei einte Gülen und Erdoğan lange die gemeinsame Vision einer islamisch geprägten Gesellschaft. Einen weiten Teil ihres Weges an die Macht gingen die beiden vereint. Irgendwann allerdings standen sie sich gegenseitig im Weg, Erdoğan strebte immer autoritärer nach Macht. Die Anhänger von Gülens Bewegung hingegen streben nach eigenen Angaben die Verbreitung eines gemäßigten Islams an und fördern ein westliches Bildungssystem, freie Märkte und Kommunikation zwischen den Religionen.
Im Jahr 2013 kam es schließlich zum endgültigen Bruch zwischen Gülen und Erdoğan. Der spätere türkische Staatspräsident begann, seine Partei, Justiz und Armee, von Menschen zu „säubern“, die er nicht als loyal empfand. Unter ihnen waren auch viele Gülen-Leute. Erdoğan ließ gegen die Bewegung wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung ermitteln und bewilligte ein Gesetz, das ihre Schulen verbieten sollte – eine offene Kriegserklärung.
Gülen lebte seit 1999 in den USA. Von dort aus unterhielt er sein einflussreiches Netzwerk aus mehr als 1500 Schulen weltweit, schickte seine Predigten per Videostream in die ganze Welt. Die Schulen dienen dazu, Gülens Einfluss auch auf kommende Generationen auszudehnen. Auch in Deutschland soll es etwa 20 davon geben, dazu circa 300 Nachhilfe-Institute. Gülen wollte eine islamische Elite heranbilden, die in verantwortungsvollen Positionen ihren Einfluss geltend macht.
Gülen kam 1941 in Ostanatolien als Sohn eines Dorfimams auf die Welt. Er trat für eine Neuinterpretation des Korans ein und reiste ab den 60er-Jahren als Wanderprediger durch die Türkei. Er rief zu Dialog und Frieden auf. Manchmal brach er während seiner Predigten minutenlang in Tränen aus, das galt als sein Markenzeichen.