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Festgenommener Gangster spielt eine Schlüsselrolle im rheinischen Drogenkrieg | ABC-Z

Die Nachricht sorgte bei der Kölner Sonderkommission „Sattla“ (arabischer Name für Marihuana) für eine positive Resonanz. Die wochenlange Suche nach der Schlüsselfigur in äußerst brutalen Drogenkrieg rund um die Rhein-Metropole fand vor vier Tagen ihr Ende. Am Pariser Flughafen Charles De Gaulles nahm die französische Polizei Sermet A., 22, fest. Der Deutsch-Iraker aus dem rechtsrheinischen Kölner Stadtteil Kalk war Ende Juni abgetaucht. Just, als die ersten Sprengsätze vor den Häusern und Geschäften mutmaßlicher Drogendealer hochgingen.

Sermet A. soll 700 Kilo Cannabis geordert haben, dann wurden seine Wachleute überfallen

Seit Ende Juni machten Sprengstoffanschläge in der Kölner Keupstraße, im Stadtteil Buchheim, in Engelskirchen, Duisburg oder Düsseldorf Schlagzeilen. Gelegt von der sogenannten holländischen „Mocro-Mafia“ (Slangwort für Marokkaner). Von der Machart her ähnelten die selbstgebastelten Laborate jenen Modellen, die auch die Drogennetzwerke in den Niederlanden benutzen, um Rivalen einzuschüchtern oder Geld einzutreiben. In Solingen sprengte sich ein 17-jähriger Attentäter versehentlich selbst in die Luft. Am 5. Juli wurden in Bochum ein Mann und eine Frau entführt und in einer Villa in Köln-Rodenkirchen gefoltert. Tags darauf befreite ein Spezialeinsatzkommando der Polizei die Gefangenen und nahm ihre Wächter fest. Drei Emissäre der Mocro-Mafia konnten nach Holland flüchten. Nahe Amsterdam verlor sich ihre Spur. Seither stehen sie ebenfalls auf der Fahndungsliste.

Wie FOCUS online aus Ermittlerkreisen erfuhr, steht Sermet A. im Mittelpunkt des Bandenkriegs. Er gilt als Kopf einer Kölner Gang, die über gute Kontakte zu einem holländischen Rauschgiftnetzwerk verfügt. Der Sohn eines Restaurantbesitzers soll 700 Kilogramm Cannabis geordert haben. Das Gras im Wert von 1,5 Millionen Euro lagerte er zunächst in einer Lagerhalle in Hürth nahe Köln. Als Wachen setzte der Deutsch-Iraker mit kurdischen Wurzeln fünf mutmaßliche Mitglieder seiner Bande ein.

„Heute stirbst Du“, droht Mocro-Gangster

Vermutlich hatte er auf das falsche Personal gesetzt. Seine Männer wurden von bisher unbekannten Räubern überfallen. Offenbar hatten die Täter nicht mit einer derart großen Menge gerechnet. Da ihr Transporter zu klein war, ließen sie nur 350 Kilogramm Stoff mitgehen. Folglich soll Sermet A. in erhebliche Zahlungsprobleme geraten sein. Schließlich musste er sich gegenüber seinen niederländischen Lieferanten für den Verlust der Drogen verantworten und einen Ausgleich zahlen.

Zugleich begann die Suche nach den Rauschgiftdieben. Offenbar handelte es sich um Insider. Wer sonst hätte von der Lagerhalle in Hürth gewusst? Und so tauchten am 25. Juni drei Gangster aus Holland in dem Marihuana-Bunker auf. Die Emissäre der Mocro-Mafia verstanden keinen Spaß. Das Trio fesselte und schlug auf die Drogenwächter ein, um sie zum Reden zu bringen. Allerdings kamen sie nicht weit.

Gegen 20.45 Uhr ging ein Notruf bei der Polizei ein. Ein Kurierfahrer der Kölner Rauschgiftgang war zur Lagerhalle beordert worden. Als der Drogenbote sein Ziel erreicht hatte, lugte er durch eine Spalte ins Lagerinnere. Dabei sah er mehrere gefesselte Männer, die bewacht wurden. Der Zeuge floh in Todesangst, als die Mocro-Gangster ihn entdeckt hatten. Die Polizei verhinderte Schlimmeres. Vor Ort befreiten die Beamten die fünf Gefangenen von Kabelbindern und Klebebebändern. In der Nähe stellten die Polizisten die drei Niederländer. Die Männer, angeführt von Delmar B. 29, sollen die Drogenwächter massiv gequält und bedroht haben. Eines der Opfer schilderte die Angstmomente, als die drei Niederländer in bruchstückhaften Deutsch immer wieder brüllten: „Wo ist?“, um dann zu drohen „heute stirbst Du!“. Auch wurden die Handys der Drogenaufpasser konfisziert und durchgescannt. Ohne Ergebnis.

In der Kölner Drogenszene geht die Angst um

Der Kölner Drogenboss Sermet A. geriet in arge Erklärungsnöte. Inzwischen gehen die Ermittler davon aus, dass er seinen Drogenwächter nachsetzte, um den Verräter und die Drogenräuber zu finden. Ob er die Anschlagsserie mit Hilfe der holländischen Lieferanten befahl oder Letztere auf eigene Faust handelten, ist noch unklar. Fakt ist, dass hochrangige Mitglieder seine Organisation einen explosiven Gruß vor ihrer Tür empfangen mussten. So etwa ein Komplize in einer Shisha-Bar in der Kölner Keupstraße. Jener Ort, an dem vor 20 Jahren die Rechtsterroristen des NSU einen verheerenden Nagelbombenanschlag mit gut 20 teils Schwerverletzten verübten. 

In der Kölner Drogenszene geht die Angst um, wobei die Rollenverteilung sich im Laufe der Zeit wohl veränderte. Inzwischen scheint es eher unwahrscheinlich, dass niederländische Syndikate allein hinter den Anschlägen und der Geiselnahme steckten. Eine andere Ermittlungsthese geht davon aus, dass die Holländer durch führende Drogengangster wie Sermet A. nach Köln beordert wurden, um den Cannabis-Raub mit rabiaten Mitteln aufzuklären. Flüchtete der 22-jährige Bandenchef deshalb vor den Strafverfolgern? Oder trieb ihn die Angst vor Repressalien durch die holländischen Cannabis-Lieferanten außer Landes? Die weiteren Ermittlungen werden es weisen. 

Inzwischen sitzen 13 Tatverdächtige in Untersuchungshaft. In den Fall ist auch ein Polizist aus Bonn verwickelt. Der Beamte auf Probe soll im Polizeicomputer illegal Daten zu zwei Beschuldigten aus der Gang des mutmaßlichen Drogenbosses Sermet A. abgefragt haben. 

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