Ferge“ aus Zürich mit Anna Pieri Zuercher und Carol Schuler | ABC-Z
Mit froher Weihnacht haben es die Zürcher Kommissarinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) nicht. Heiliger Abend unter Weihnachtsbaum? Darauf sind sie nicht erpicht. Ott will mit ihrem besten Freund Charlie „um die Häuser ziehen“. Grandjean hofft, dass ihr Sohn über die Feiertage kommt. Doch der sagt ab.
„Hier drin wohnt der Tod“, sagt er
Stattdessen steht plötzlich der unbekannte Marek aus Warschau (Lucas Gregorowicz) auf dem Weihnachtsmarkt vor ihr, drückt ihr ein Lebkuchenherz in die Hand, sagt „für dich“, weist auf Herz und Kopf und ergänzt: „Hier drin wohnt der Tod.“ Die Kommissarin ist perplex. „Ein Hirntumor zum Flirten?“, fragt sie. Im nächsten Augenblick sehen wir, wie die beiden sich in einem Hotelzimmer die Klamotten vom Leib reißen.
Was Marek sonst so treibt, haben wir in der ersten Szene des „Tatorts“ mit dem Episodentitel „Fährmann“ gesehen. Er drückt einem Sterbenden, den er gerade mit Schierling vergiftet hat, eine silberne Münze auf die Zunge. Charon, der Fährmann, der die Toten über den Styx zum Hades bringt, verlangt schließlich seinen Obolus. Und da will Marek nicht geizen.
„Am 24. sind wir hier raus“
Er ist ein Teufel, der sich für den Erlöser hält, ein Serienkiller mit Mission. Als Unternehmensberater entlässt er die Leute, und da deren Leben nun wertlos scheint, erweist er ihnen die Gnade, es zu beenden. Im Büro doziert er eiskalt und gestelzt über Leben und Tod. Früher hätten die Menschen in Tierknochen gelesen, heute glaubten sie an Zahlen und Statistiken. „Die Menschen können wir nicht ändern, Zahlen schon“, sagt Marek zu seinen Untergebenen: „Ihr habt drei Tage Zeit, am 24. sind wir hier raus.“
Mitten in seinem Spiel indes ist die Kommissarin Grandjean, die Marek zu dem von ihm Ermordeten lotst. Schnell geht ihr auf, dass dies etwas mit ihrem ersten Fall zu tun hat, mit ihrem Durchbruch als Polizistin, als sie einen jungen Mann als vermeintlichen Mörder überführte, der seinen Opfern – na, was wohl – eine Münze auf die Zunge legte. Doch statt nun die Kollegen einzuweihen, meldet sich Grandjean krank und zieht als einsame Wölfin los, um sich ihrer Vergangenheit zu stellen, wodurch sie sich selbstverständlich erst so richtig in Gefahr begibt. Denn mit ihr hat Marek, von dem ja nur die Zuschauer wissen, was er im Schild führt, noch etwas vor: „Ich bin Anfang und Ende, Alpha und Omega.“
Dafür, dass die Geschichte nicht in einem Fährstau am Styx endet, müssen die Kollegen sorgen. Die sonst eher chaotische Tessa Ott ist zielstrebig und klar wie nie, der Assistent mit dem schönen Namen Noah Löwenherz (Aaron Arens) liefert genau zur richtigen Zeit immer die wichtigen Hinweise, und die Staatsanwältin Anita Wegenast (Rachel Braunschweig) hat es sowieso drauf.
Worauf das hinausläuft, können wir uns in dem von Michael Schaerer nach einem Buch von Stefan Brunner und Lorenz Langenegger routiniert inszenierten und von Gabriel Sandru stimmungsvoll gefilmten „Tatort“ von Beginn an denken. Die Dialoge, in denen die (sehr guten) Schauspieler immer demonstrativ aufsagen müssen, was sich gerade ereignet, kennen wir auch, und die Moral von dieser nach Krimischema F verfassten, mörderischen Weihnachtsgeschicht fasst Kommissarin Ott prägnant zusammen: „globalisierte Wirtschaft, globalisierter Serientäter“, der Kollege Löwenherz sagt es noch knapper: „ökonomische Euthanasie, krass“. Am Ende steht ein Mann, der sich mit dem Schöpfer verwechselt, ohne Münze am Styx. Charon fährt weiter.