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FC St. Pauli gegen den FC Bayern: Bayerisch-hanseatische Hassliebe | ABC-Z

München – Ausgerechnet der Oberbayer des FC Bayern drückte seine Vorfreude so aus: “Endlich mal wieder nach Hamburg!”, schrieb Thomas Müller bei Instagram.

Die Münchner zu Gast bei einem Pflichtspiel in der Hansestadt, das war zuletzt am 21. Oktober 2017 der Fall. Damals gewannen die Bayern mit 1:0 beim Hamburger SV, der am Saisonende 2017/18 abstieg – und seitdem in der Zweiten Liga festhängt.

FC Bayern gegen FC St. Pauli: Duell der größtmöglichen Unterschiede

Frisch aufgestiegen ist dagegen der große Lokalrivale des HSV, die gerne als Kiezkicker bezeichneten Profis vom FC St. Pauli.

Am legendären Millerntor-Stadion empfängt der Tabellen-15. diesen Samstag den Rekordmeister (15.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker) zum Duell der größtmöglichen Unterschiede. Laut transfermarkt.de hat der aktuelle Bundesliga-Kader der Hamburger einen Marktwert von knapp 40 Millionen Euro. Bei den Bayern werden Harry Kane, Jamal Musiala & Co. mit knapp einer Milliarde (939,7 Mio.) gelistet.

Weltpokalsiegerbesieger: FC St. Pauli machte 2002 einen Marketing-Coup 

Hier unzählige Trophäen, etwa das Triple 2013 und 2020, dort vier Titel als Hamburger Landespokalsieger. Nicht nur. Aus einem ganz speziellen Titel machten die Sanktpaulianer einen großen Marketing-Erfolg: Als die Bayern im Februar 2002 mit Oliver Kahn, Stefan Effenberg & Co. als amtierender Weltpokalsieger am Millerntor aufkreuzten, kassierten sie eine 1:2-Klatsche durch die Tore der seither ewigen Pauli-Helden Thomas Meggle und Nico Patschinski.

Die T-Shirts mit dem cleveren Aufdruck “Weltpokalsiegerbesieger” wurden legendär. Nach dem sportlichen Offenbarungseid seiner Kicker beim Rote-Laternen-Klub schlug Manager Uli Hoeneß Alarm und schimpfte über die Berufsauffassung der seiner Meinung nach zu hoch bezahlten Spieler: “30 Minuten nach Spielschluss werden schon wieder Karten gespielt und Sprüche geklopft. Die Spieler essen Scampis und ich habe eine schlaflose Nacht.”

FC St. Pauli: Uli Hoeneß wurde 2003 zum Retter in höchster Not

Ebenso legendär – der Begriff “Scampi-Bayern” war geboren. Die Abendzeitung druckte kurz darauf das dazu passende Rezept ab. Es war der einzige Heimerfolg der Gastgeber in acht Bundesliga-Heimspielen gegen den Branchenprimus, dazu gelangen dem Außenseiter immerhin drei Nullnummern. Zum Klassenunterschied kam einst oft Polemik hinzu.

Auf dem Kiez war vom Klassenkampf die Rede, wenn die ach so arroganten “Großkopferten” aus München antraten. Damit war plötzlich Schluss. Ausgerechnet wegen Uli Hoeneß, der personifizierten Hassfigur, dem Mister FC Bayern. Nach dem Absturz in die Regionalliga kämpfte St. Pauli 2003 ums Überleben. Durch ein Gratis-Benefizspiel wurden – wieder ausgerechnet – die Bayern für die damals klammen Hamburger zum Retter in höchster Not, erwirtschafteten 200.000 Euro.

Der Verein überlebte. Erneut erlangte ein Shirt in den braunen Vereinsfarben große Beachtung. Als Retter (in Versalien aufgedruckt) des Weltpokalsiegerbesiegers stolzierte Hoeneß durchs Millerntor – und wurde gefeiert. Praktizierte Nächstenliebe der Abteilung Attacke, die ihm im hohen Norden bis heute nicht vergessen wird. Nur ein Aspekt der bayerisch-hanseatischen Hassliebe, einer On-Off-Beziehung mit Tradition.

FC St. Pauli verkauft Genossenschaftsanteile: Springt erneut Uli Hoeneß ein?

Nun muss wieder frisches Geld her, damit sich der FC St. Pauli komplett entschulden und das Darlehen fürs modernisierte Stadion tilgen kann. Ab Sonntag beginnt der Verkauf von Genossenschaftsanteilen des Klubs von je 850 Euro – an Mitglieder und Fans. 30 Millionen Euro sollen dadurch lukriert werden.

Hier kommt wieder Fan Hoeneß ins Spiel. Vereinspräsident Oke Göttlich sagte in “Sport-Bild”: “Als Genossen des FC St. Pauli würden wir ihn gerne für uns gewinnen.”

Eine Antwort von Hoeneß steht noch aus, Ausgang offen. Der des Spiels wohl nicht. Die Münchner Tabellenführer wollen ihren Lauf von vier Zu-Null-Siegen in Serie fortsetzen. “Wir haben Lust, wir haben Bock und wollen da weiter machen, wo wir aufgehört haben”, so Müller. “Wir wissen, was auf uns zukommt: Eine geile Stimmung, ein tolles Stadion, ein großartiger Verein”, sagte Sportvorstand Max Eberl, “aber trotzdem fahren wir da hin, um zu gewinnen.” Vielleicht nicht wieder mit 8:1 wie beim letzten Gastspiel im Mai 2011, das den St.-Pauli-Abstieg bestätigte und weiter der höchste Bayern-Sieg der Bundesliga-Historie ist.

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