FC Schalke 04: Das blamable Trauerspiel beim einst so großen Klub | ABC-Z
Nachdem Schalke 04 einen Zusammenbruch fast schon historischen Ausmaßes erlitten hat, muss Cheftrainer Karel Geraerts gehen – und Sportdirekor Marc Wilmots gleich mit. Das Dilemma ist auch Folge von undurchsichtigen Strukturen bei einem der einst größten deutschen Klubs.
Können Sie sich noch erinnern? Im März 2019 musste ein gewisser Domenico Tedesco beim FC Schalke 04 seinen Hut nehmen. Der heutige Trainer der belgischen Nationalmannschaft war im Achtelfinale der Champions League mit 0:7 bei Manchester City unter die Räder gekommen. Außerdem wurde Tedesco, der die Schalker in der Saison davor noch zur Vizemeisterschaft geführt hatte, vorgehalten, nur auf dem 14. Platz der Bundesliga-Tabelle zu stehen.
Champions League, Manchester, Bundesliga? Ja, das war tatsächlich Schalker Realität vor gerade mal fünfeinhalb Jahren – auch wenn dies heute wie Science Fiction anmutet.
Seitdem hat der Klub einen beispiellosen Absturz erlebt: Es gab eine massive Finanzkrise, zwei Abstiege aus der ersten Liga, einen Beinahe-Abstieg in die dritte Liga. Zwei Aufsichtsratschefs gingen, diverse Vorstände nahmen ihren Hut sowie sage und schreibe zwölf Trainer.
Der Belgier Karel Geraerts wurde am Samstagvormittag gefeuert – und Sportdirektor Marc Wilmots gleich mit. Geraerts wurde eine schwache Bilanz von vier Punkten aus sechs Spielen zum Verhängnis. Und Wilmots offenbar auch, dass er am Trainer zu lange festhalten wollte.
Die großen Vorhaben nach Tönnies
Womit wir beim königsblauen Kernproblem sind: Auf Schalke, wo sie sich nach dem Ende der Ära des langjährigen Vereinspatrons Clemens Tönnies doch so fest vorgenommen hatten, strategischer und langfristiger zu denken und zu handeln, herrschen undurchsichtige Strukturen.
Da ist Aufsichtsratschef Axel Hefer, der erst mit Bernd Schröder und dann mit Matthias Tilmann zwei Vorstandsvorsitzende ohne nennenswerte Fußball-Erfahrung nacheinander geholt hat. Sportvorstand Peter Knäbel wurde vergrault, dann kam mit Wilmots ein Sportdirektor offenbar ohne wirkliche Machtbefugnisse – und schließlich mit Ben Manga ein ehrgeiziger Kaderplaner, der in vielen wesentlichen Punkten anderer Meinung war als Wilmots und Geraerts. Das konnte nicht gutgehen – zumal die Auseinandersetzungen zwischen Geraerts und Manga auch noch öffentlich ausgetragen wurden.
Wochenlang war der Trainer, der bestimmt nicht alles richtig gemacht hat, destabilisiert worden. Die Quintessenz waren auch zunehmende Zeichen von Verunsicherung in der Mannschaft. Das wurde speziell bei diesem denkwürdigen 3:5 gegen Darmstadt deutlich, als das Team das Kunststück fertigbrachte, einen 3:0-Vorsprung vor eigenem Publikum zu verspielen. Denn so schlecht kann eine Mannschaft sonst gar nicht sein. „Wir brauchen intern Ruhe“, sagte Schalkes Kapitän Kenan Karaman anschließend fast schon flehentlich. Denn er bekam seit Wochen stets das Gegenteil.
Der künftige starke Mann auf Schalke soll also nun Ben Manga sein – der Geraerts zuletzt öffentlich kritisiert hatte. Der frühere Scout von Eintracht Frankfurt war im Sommer entscheidend für den Umbau der Mannschaft zuständig. Einer Mannschaft, die nach sechs Spieltagen im unteren Drittel der zweiten Liga festhängt.
Ganz unabhängig davon, wer neuer Cheftrainer auf Schalke werden sollte: Wenn es dem Klub nicht endlich gelingt, einen klaren Kurs einzuschlagen und ihn auch konsequent und gegen Widerstände zu halten, wird sich Schalke weiter marginalisieren. Das wäre die Fortschreibung eines Trauerspiels.