FC Bayern: Harry Kane zurück – wer am meisten profitiert | ABC-Z
München – Ein bisschen Poker muss schon sein. Kein Trainer legt die Karten komplett auf den Tisch. Also sagte Vincent Kompany, der Chefcoach des FC Bayern, am Donnerstagvormittag an der Säbener Straße mit Bedacht, um seine Zufriedenheit und Vorfreude auf das Comeback von Mittelstürmer Harry Kane nicht durchblitzen zu lassen: “Ich werde nicht sagen, ob Harry anfängt oder nicht. Wenn alles gut läuft, spielt er auf jeden Fall eine Rolle.”
Am Freitag ab 20.30 Uhr (Sat.1, DAZN und im AZ-Liveticker) im Jahresabschluss-Spiel 2024 vor der Weihnachtspause gegen RB Leipzig – für die Bayern wichtiger geworden durch das mit 1:2 vergeigte Auswärtsspiel am vergangenen Wochenende in Mainz.
Kann Kane Bayerns alleiniger Heilsbringer sein?
Doch kann Kane, der sich vor drei Wochen beim 1:1 in Dortmund einen leichten Muskelfaserriss zuzog und bereits in der ersten Halbzeit ausgewechselt werden musste, der alleinige Heilsbringer sein? Muss Kane, der seit seinem Transfer im August 2023 von Tottenham Hotspur nach München 64 Tore in 64 Pflichtspielen – und diese Saison 20 Tore bei seinen 19 Auftritten – erzielte, sogar als Engel, als Retter des Münchner Weihnachtsfrieden auftreten? Santa Harry is coming to town.
Viereinhalb Spiele ohne Kane brachten unterschiedliche Ergebnisse, dafür klare Erkenntnisse: Gegen schwächere Teams wie Heidenheim (4:2) und Schachtar Donezk (5:1) konnte die Offensiv-Abteilung, verteilt auf den Zehner Jamal Musiala und die Flügelspieler Michael Olise und Leroy Sané, Kanes Fehlen ausgleichen. In Dortmund, im Pokal gegen Leverkusen (0:1) sowie nun in Mainz gelangen in zweieinhalb Partien lediglich zwei Treffer – zu wenig.
Gegen Mainz wurde Kane schmerzlich vermisst – nicht nur wegen seiner Torgefahr
In Mainz blieben die Bayern über 75 Minuten lang ohne einen einzigen Schuss aufs Tor. Der Anschlusstreffer zum 1:2 war ein Geschenk der Gastgeber. Ohne Kane als Fixpunkt und Verwerter von Flanken fehlt der Zielspieler. Kompany beschrieb es am Donnerstag so: “Harry hat ein unglaubliches Gefühl dafür, wo er im Sechzehner sein muss – da ist er einer der besten der Welt, da macht er den Unterschied. Es gibt nicht viele Spieler, die das können.”
Doch Kane ist kein klassischer Mittelstürmer alter Prägung. Der 31-Jährige geht weite Wege, lässt sich ins Mittelfeld fallen, holt sich Bälle, ist oft sogar in der eigenen Hälfte anspielbar. Bei Eckbällen der Gegner hilft er seinen Mitspielern durch seine Kopfballstärke. Steht er auf dem Platz, ist Kane das Rundum-Sorglos-Paket für seine Mannschaft.
Ohne Kane hing auch Musiala in der Luft
Ohne ihn fehlt nicht nur ein Leader, sondern das gute Gefühl, diesen Fels in der Brandung immer anspielen zu können. Ohne Kane hing auch Musiala in der Luft, weil er dann dazu neigt, alles alleine machen zu müssen: Dribblings, Torvorbereitungen und andererseits für Abschlüsse im Strafraum zu lauern. Ex-Bayernspieler Didi Hamann brachte es bei Sky auf den Punkt: “Wenn Musiala blass ist, dann ist Bayern blass”.
Und Kane, das betonte Kompany am Donnerstag noch einmal, ist eben nicht eins zu eins zu ersetzen. Routinier Thomas Müller (35) ist ein ganz anderer Spielertyp, agiert als unberechenbarer Freigeist lieber zwischen den Linien, initiiert das Gegenpressing. Allerdings wird auch Müller nicht jünger, ihm fehlt das Tempo.
FC Bayern will im Winter kein Kane-Backup verpflichten
Angriffstalent Mathys Tel (19) fehlt als siebtes Rad am Offensiv-Wagen jegliches Selbstvertrauen. Bei seinem elf Pflichtspiel-Einsätzen (mit lediglich 330 Minuten Spielzeit) diese Saison hat der Franzose keine Torbeteiligung erreicht. Eine Leihe zur neuen Saison, vielleicht sogar schon im Winter, könnte die passende Luftveränderung für Tel sein, seine Karriere wieder auf Kurs bringen.
Ein zweiter Mittelstürmer, ein Backup, wie es der in der Kabine sehr beliebte Eric Maxim Choupo-Moting über vier Jahre war, fehlt im Kader. Mit deftiger Erklärung (“Der FC Bayern ist kein Geldscheißer. Und Stürmer kosten Geld”) lehnte Sportvorstand Max Eberl einen Mittelstürmer-Notkauf in der Winterpause ab. Bayern geht mit Harry, der One-Man-Show ins Risiko und spart – am falschen Ende?