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FC-Bayern-Basketballer vor dem Playoff-Start: Auf der Suche nach dem Extra-Boost – Sport | ABC-Z

Am Mittwoch waren Bayern Münchens Basketballer am Starnberger See. Bei Sonnenschein bauten die Spieler Flöße und legten danach vom Ufer ab – mannschaftsinterne Rennduelle inklusive. Zu Schaden gekommen ist dem Vernehmen nach niemand, was auch gut ist in dieser Phase der Saison, in der die Mannschaft von Coach Gordon Herbert am Samstag (20 Uhr, SAP Garden) zu ihrem ersten Playoff-Viertelfinal-Duell gegen den Mitteldeutschen BC antritt. Mindestens zwei weitere Aufeinandertreffen folgen in der Best-of-five-Serie am Mittwoch in Weißenfels und am Samstag darauf wieder in München. Und in Carsen Edwards fehlt den Bayern ausgerechnet ihr bester Scorer. Seit Mitte April hat der US-Amerikaner wegen einer Rückenblessur kein Spiel mehr bestritten.

Umso wichtiger ist nun die viel beschworene mannschaftliche Geschlossenheit, die auf dem Starnberger See noch weiteren Kitt bekommen sollte. Andererseits: Es sind seltsame Wochen, die die Bayern-Basketballer jüngst durchlebt haben nach ihrem bitteren Euroleague-Aus in Madrid. In Hamburg verloren sie, gegen den MBC, Göttingen, Bonn und Ludwigsburg liefen sie teils zweistelligen Rückständen hinterher und bogen die Spiele jeweils gerade noch um. Gut spielten sie dabei nie. Sodass Herbert nach dem 73:72-Zittersieg gegen Ludwigsburg am vergangenen Sonntag schließlich der Kragen platzte: Als „lächerlich und peinlich“ bezeichnete der 66-jährige Kanadier die Leistung seiner Spieler, er sprach von „Wettbewerbsfähigkeit auf Level null“ und davon, dass seine Mannschaft aktuell „zu weich“ für die Playoffs sei. „Wenn ich mir an der Eisdiele ein Eis kaufe, dann ist das härter“, wütete er.

Ein wenig wirkten die Bayern in diesem Spätwinter und Frühjahr wie ein Schneemann, der langsam zusammenschmolz. Erst verloren sie das Pokal-Halbfinale gegen ihren kommenden Playoff-Gegner aus Weißenfels dramatisch, dann schenkten sie die Euroleague-Playoffs unnötig her und flogen in den Play-ins aus dem Wettbewerb. Zwei eingeplante Ziele waren plötzlich zerborsten.

Seither suchen sie nach ihrer Form – und nach Leidenschaft. „Es war wie in einer Achterbahn. Wir haben unsere Euroleague-Spiele zu selten in die Bundesliga transferiert. Es gibt doch dieses deutsche Sprichwort: Ein richtig gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss. So spielen wir in der BBL“, sagt Herbert.

Der Weltmeistertrainer sitzt am Freitag, rund 35 Stunden vor dem ersten Spiel gegen den Mitteldeutschen BC, in der eher warmen Sporthalle am Bayern-Campus im hohen Norden Münchens auf einem Stuhl. Hinter ihm trainieren die Spieler, eine Video-Session und ein Treffen mit dem Fanclub „Big Reds“ stehen noch auf dem Programm. Herbert trägt wie so oft Schwarz, die Brille hat er in die Haare gesteckt. Nun reibt er sich mit dem Finger erst mal am rechten Auge, und sagt: „Wir werden ein anderes Bayern-Team am Samstag sehen.“

Herbert stellte sich und den Profis zuletzt viele Fragen: „Hatten wir zu wenig Respekt vor dem Gegner? Waren wir mental nicht bereit genug? War unsere defensive Intensität nicht gut genug? Warum nutzen wir keine Fouls, um den Rhythmus des Gegners zu brechen?“ Seine Antwort: „Ich würde sagen, es ist ein Mix aus allem.“ Und seine Strategie, um diese Probleme zu beseitigen: „Unsere Mentalität, unsere Intensität, unsere Arbeitsethik ist jetzt das, worauf wir schauen. Es gibt keine zweiten Chancen mehr, wir müssen unsere Euroleague-Mentalität in die BBL-Spiele bringen.“

Verletzte sich in der entscheidenden Saisonphase: Bayerns Topscorer Carsen Edwards (rechts), hier im Euroleague-Duell mit Nikola Kalinic von Roter Stern Belgrad. (Foto: Wunderl/Beautiful Sports/Imago)

Herbert weiß aus vielen Jahren Erfahrung, dass in dieser Phase der Saison, nach so vielen Spielen, kaum ein Profi mehr ganz gesund ist. Er sagt aber auch: „Der mentale Faktor ist viel entscheidender. Das Wichtigste ist, nicht müde im Kopf zu sein. Wir müssen auch dahinkommen, es zu genießen, Basketball zu spielen. Es ist kein Job, sondern einer der schönsten Abschnitte im Leben.“

Es ist ein Appell, ein Plädoyer, das zeigt, wie sehr die letzten Wochen auch an Herbert gezehrt haben. An einem, der es in den vergangenen Jahren als Bundestrainer gewohnt war, Erfolg zu haben. Und der nun fürchten muss, dass ihm diese Saison mit der besten deutschen Vereinsmannschaft wie geschmolzenes Eis durch die Hände rinnt.

Vielleicht habe er zu Beginn der Saison unterschätzt, dass das Team kaum mehr trainieren könne durch die Double-Weeks, vielleicht hätte er eine bessere Basis finden müssen. Vielleicht habe ihm auch die große Euroleague-Erfahrung gefehlt, „ich habe zuletzt, glaube ich, 2009 Euroleague gecoacht“. Herbert übt also Selbstkritik. Zugleich stärkt er sein Team an diesem Freitag. Die Wutrede vom Sonntag, sie ist vergessen. Und er verbreitet Hoffnungsschimmer aus der medizinischen Abteilung: „Carsen tut alles dafür zurückzukommen, es ist eine 50:50-Chance und eine Entscheidung der Ärzte.“ Wer weiß, was in zwei, drei Wochen ist.

Mitteldeutscher BC also, Samstag, 20 Uhr. Die Bayern treten an, um ihre Saison zu retten. Und treffen ausgerechnet auf ihren Angstgegner, der sie in dieser Saison schon zweimal bezwungen hat. In München verlor der MBC erst nach einem umstrittenen Buzzer-Beater, samt erfolglosem Protest. „Wir haben schon einige Erfahrungen mit der Mannschaft in der Saison gesammelt, fast gar keine guten“, sagt Bayerns Weltmeister Johannes Voigtmann, „gegen uns kriegen sie immer noch mal einen Extra-Boost.“

Einen Extra-Boost, den benötigen jetzt aber gerade die Bayern.

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