FC Bayern Basketball: Schockgefrostet nach dem wundervollen Sommer – Sport | ABC-Z

Gordon Herbert hatte einen wunderbaren Sommer, wie er am Dienstagvormittag am Telefon verriet. Der Trainer von Bayern Münchens Basketballern, ausgestattet neben seinem kanadischen auch mit einem finnischen Pass, verbrachte demnach im Juli und August fünf Wochen in Finnland. In seiner Wahlheimat Pyhämaa hat die Familie seit vielen Jahren ein Sommerhaus direkt an der Ostsee, samt 1,7 Hektar Land. Herbert rodete dort den Wald, hackte Holz, „ich bin aber auch Jetski gefahren oder mit dem Kajak im Meer“, sagte der 66-Jährige. Es war wohl ziemlich regnerisch und kühl, aber egal, er brauchte den Abstand, nach einer zehrenden Saison in München, die mit dem deutschen Meistertitel endete. Und dem vorhergehenden, nicht minder fordernden Zyklus als Bundestrainer – samt WM-Titel 2023. Ganze zwei Tage Pause nahm er sich nach dem letztlich enttäuschenden vierten Platz bei den Olympischen Spielen in Paris.
Doch als Herbert nun vor seiner zweiten Saison herrlich erholt zurück nach München kam, ereilte ihn gleich eine Hiobsbotschaft. Auch er musste schockgefrostet hinnehmen, wie Litauens Spielmacher Rokas Jokubaitis sich vor einer guten Woche in der EM-Partie gegen Finnland bei einem langen Schritt das linke Knie verdrehte. Der 24-Jährige wurde bereits in München operiert, nach Vereinsangaben fällt er in jedem Fall sechs Monate aus, litauische Medien berichten von einem Kreuzbandriss samt Meniskusschaden. „Er ist meiner Ansicht nach der beste Point Guard in Europa, wir haben uns extrem auf ihn gefreut. Es ist sehr hart, ihn zu ersetzen“, sagt Herbert, der keinen Hehl daraus macht, dass Jokubaitis die Schlüsselpersonalie der Münchner für die kommende Saison war. Nun müssen sie dort eine große Lücke füllen, zu einer Zeit, in der die meisten Spieler schon längst neue Verträge unterschrieben haben. Andere, die noch vereinslos sind, „gehen in NBA-Camps“, wie Herbert sagt, wo sie versuchen, doch noch fündig zu werden.
Herbert musste vor der Saison so wichtige Akteure wie Topscorer Carsen Edwards (Virtus Bologna), Center Devin Booker (Olimpia Mailand), Aufbauspieler Shabazz Napier (unbekannt) und Abwehrexperte Nick Weiler-Babb (Anadolu Efes) ziehen lassen, allesamt waren Pfeiler des Münchner Systems. Ivan Kharchenkov, den die Bayern heranzogen, wechselte in diesem Sommer ans College (University of Arizona). Spieler wie Leon Kratzer (Paris Basketball), Wenyen Gabriel (Panathinaikos Athen), Isiaha Mike (Partizan Belgrad), Kamar Baldwin (Saski Baskonia), Justinian Jessup (ratiopharm Ulm) und Xavier Rathan-Mayes kamen dafür nach München, was die Bayern wohl wieder zum Favoriten auf die nationalen Titel macht. Doch sie haben Jokubaitis auch geholt, um in der immer finanzkräftigeren Euroleague konkurrieren zu können. Herbert sagt daher: „Wir müssen noch ein paar Spieler verpflichten.“
:Mumbru gibt Chefrolle erneut ab
Weil der Basketball-Bundestrainer nach seiner Erkrankung nicht fit ist, wird sein Assistent für die restlichen EM-Spiele als Headcoach fungieren. Der Spanier, der an einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse leidet, bleibt dennoch beim Team.
„Es sind zu viele Spiele, wir werden verheizt“, sagt Münchens Nationalspieler Justus Hollatz
Am Montag kehrten sie vom Vorbereitungsturnier aus Cagliari zurück, nach einer 75:89-Niederlage im Endspiel gegen Olimpia Mailand. Den Bayern fehlten acht Nationalspieler, darunter die bei der EM weilenden Andreas Obst, Justus Hollatz, Oscar da Silva und Kratzer. Johannes Voigtmann reiste mit einer Knieblessur bereits von der EM ab, auch das dürfte kaum ein Trost für die Münchner sein. „Auch Vladimir Lucic hat eine kleinere Verletzung, das sollte aber in den nächsten Tagen erledigt sein“, sagt Herbert. Den Kader füllte er in Italien notgedrungen mit Pro-B-Talenten auf, es waren ja nur fünf Bayern-Profis da.
„Ich glaube, wir brauchen künftig eine 15-Mann-Rotation“, hatte Herbert noch vor ein paar Wochen gesagt. Doch dieser Satz entpuppt sich mehr und mehr als Wunschtraum. Denn bislang haben ohnehin nur 13 Spieler unterschrieben, Voigtmann, dessen Verletzung aber nicht ganz so gravierend sein soll, und Jokubaitis fallen länger aus.
Und so wird Herbert, viel früher als geplant, schon wieder mit dem großen Thema der Überlastung konfrontiert. Das war schon das zentrale Problem der Münchner in der vergangenen Saison, als sie Richtung Ende aus dem letzten Loch pfiffen, auch wegen wettbewerbsübergreifend insgesamt rund 80 Saisonspielen. Nun werden es immer mehr, dank einer noch größeren Euroleague und einem zusätzlichen Klub in der Bundesliga (deren Playoffs sich zuletzt bis Ende Juni zogen). Bayern-Pointguard Hollatz merkte jüngst im EM-Blog kritisch an: „Das Thema ist nicht neu, doch irgendwann ist dann doch mal der Punkt, an dem es so nicht weitergehen kann: Es sind zu viele Spiele, wir werden verheizt. Die Verbände und Ligen müssen endlich mal die alten Pfade und Denkweisen verlassen, sie müssen sich etwas überlegen.“
Herbert sieht das ganz ähnlich, „wir sind dabei, unsere Spieler zu töten, ich denke dabei gar nicht mal so sehr an die körperliche, sondern vor allem an die mentale Gesundheit“. Aber der Spielplan sei nun mal die Realität, in der sich seine Mannschaft bewegen müsse. „Ich weiß nicht, was die beste Lösung ist, ich weiß nur, dass weitere Verletzungen drohen.“
Die nächsten Tests der Bayern finden erneut in Italien statt, am Samstag und Sonntag treffen die Bayern mit einem Rumpfkader auf Virtus Bologna. Deren Shooter Carsen Edwards könnten sie gerade gut gebrauchen. Auch am 26. September, beim Bundesliga-Auftakt gegen Aufsteiger Jena. Und in den 80, 90 oder 100 Saisonspielen, die dann noch folgen werden, bevor sich Coach Herbert wieder in sein Haus in den finnischen Wäldern zurückzieht.