FC Augsburg in Bundesliga im Aufschwung vor BVB-Duell: Finn Dahmen im Fokus | ABC-Z

Als der dänische Trainer Jess Thorup im Oktober 2023 den FC Augsburg übernahm, führte er einige englische Begriffe in die Alltagssprache beim bayerischen Fußball-Bundesligaklub ein. Aus der Haltung zum Spiel wurde das „Mindset“, und bei den Ergebnissen wünschte Thorup sich öfter mal ein „Clean Sheet“. Auf der Gegentorseite sollte also am liebsten die Null stehen, der Torhüter mit weißer Weste aus dem Spiel gehen.
Der Augsburger Schlussmann Finn Dahmen brauchte dafür keine Übersetzung, der deutsche U-21-Europameister von 2021 ist auch Engländer. „Ich bin zweisprachig aufgewachsen, die Familie meiner Mutter lebt in England“, sagt er. Der zweite Vorname deutet auf den kaum bekannten Hintergrund: Finn Dahmen ist ein Finn Gilbert Dahmen. „Ich identifiziere mich mit beiden Nationen“, sagt er.
Das „Clean Sheet“ begleitete ihn durch die Saison 2023/24. Erstmals war er die Stammkraft im Tor in einer Profimannschaft, aber das makellose Spiel wollte ihm nicht gelingen. Erst am 24. Spieltag war es mit einem 6:0-Erfolg beim späteren Absteiger Darmstadt so weit. Doch kein anderer Torhüter in der Bundesligageschichte hatte länger auf solch ein persönliches Erfolgserlebnis warten müssen.
Dahmen und die Größe: „Kleinere Torhüter sind schneller unten“
In Augsburg war die Unzufriedenheit mit dem damaligen Zugang vom FSV Mainz 05 zu spüren. Zwar bewies sich Dahmen in Eins-gegen-eins-Situationen und brachte seine spieleröffnenden Pässe mit hoher Quote ans Ziel, war also ein moderner Torwart – doch ihm fehlten klassische Stärken wie die Strafraumbeherrschung bei hohen Bällen. Am Ende der Saison zog sich Dahmen auch noch eine Bänderverletzung zu und musste operiert werden. Der FC Augsburg hatte sich nach einer Alternative bereits umgesehen und sie in Nediljko Labrović aus dem Europameisterschaftskader der kroatischen Nationalmannschaft gefunden. Während Dahmen in der Reha feststeckte, begann Labrović die Spielzeit 2024/25 als Nummer eins.
Die Größe ist bei Torhütern ein Thema. Labrović misst stattliche 1,96 Meter, Dahmen ist zehn Zentimeter kleiner. Labrović überragt damit alle Teamkollegen und hat die grimmigere Ausstrahlung; Dahmen könnte von Statur und Habitus auch als ein Feldspieler durchgehen, der dem Gegner nichts Böses will. Dahmen sagt: „Die Größe ist kein Ausschlusskriterium, ich fühle mich mit meiner wohl. Kleinere Torhüter sind schneller unten.“ Er orientierte sich an Marc-Andre ter Stegen und an Keylor Navas, dem Costa-Ricaner, der für europäische Topklubs spielte. „Die sind auch nicht größer als ich.“
Das Problem mit dem „Clean Sheet“ hat sich längst erledigt: Dahmen hat es in der laufenden Saison nun schon sechs Mal geschafft – und das bei nur neun Bundesligaeinsätzen. In der Hinrunde durfte er nur im DFB-Pokal ran, war beim Sieg beim Karlsruher SC aber gleich der Held im Elfmeterschießen. Nachdem Labrović im letzten Punktspiel des Kalenderjahres 2024 bei der 1:5-Niederlage bei Holstein Kiel Schwächen gezeigt hatte, entschloss Jess Thorup sich nicht nur zu taktischen Anpassungen mit einer defensiveren Grundausrichtung. Er versuchte auch, mit einer Umbesetzung auf der Torhüterposition einen weiteren Impuls zu setzen.
Der Plan ist aufgegangen: In den neun Spielen seitdem hat der FCA lediglich drei Gegentreffer hinnehmen müssen, in der Tabelle der Rückrunde steht Augsburg auf Platz drei. Im Laufe des 0:0 gegen den SC Freiburg am vergangenen Sonntag verbesserte Finn Dahmen den bis dahin von Marwin Hitz gehaltenen Vereinsrekord an Minuten ohne Gegentor (399) auf 433. Der Sechsundzwanzigjährige ist nun in einer solch starken Position, dass er sich die Bemerkung erlauben konnte: „Lieber als der Rekord wäre mir, wenn wir 2:1 gewonnen hätten.“
Er hat sich den Status als Nummer eins, für den sein vorjähriger Augsburger Kollege Tomas Koubek keine Gefahr darstellte, vom ein Jahr jüngeren Labrović zurückgeholt. Um regelmäßig zu spielen, war Dahmen 2023 nach Augsburg gewechselt – nach 15 Jahren beim FSV Mainz 05, in dem er großgeworden war, aber Robin Zentner vor sich hatte. „Ich muss Spiele nachholen, weil ich in den letzten Jahren zu wenige hatte“, sagte er.
Das Spiel, mit dem er sich von seinem Jugendverein verabschiedete, war allerdings eines, das in der ganzen Republik und darüber hinaus registriert wurde. Am 34. Spieltag 2022/23 durfte Finn Dahmen den FSV Mainz in Dortmund vertreten. Der BVB hatte die Feier der deutschen Meisterschaft schon geplant, Mainz kam unter der Last einer Niederlagenserie ins Westfalenstadion – und ließ die Dortmunder Träume platzen. 2:2 endete die Partie, der BVB hätte einen Sieg benötigt, um das Fernduell gegen Bayern München zu gewinnen.
Eine Schlüsselszene des Dortmunder Scheiterns war der Strafstoß, den Sebastien Haller trat – und den Finn Dahmen abwehrte. „Um die Dortmunder tat es mir leid“, war er sich der Gefühlslage der Gegenseite bewusst, „aber für uns als Mannschaft wäre es schade gewesen, wenn wir die Saison mit einer weiteren Niederlage beendet hätten. Für mich war es das letzte Spiel mit Mainz und ein absolutes Highlight.“
Der ein oder andere Zuschauer wird sich an diesem Samstag vielleicht – wenn auch ungern – daran erinnern. Finn Dahmen tritt nun mit dem FC Augsburg wieder in Dortmund an (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei Sky). Als feste Nummer eins, für die ein „Clean Sheet“ längst nichts Außergewöhnliches mehr ist.