Familienfotos aus den 1930er bis 1950er Jahren: So feierten die Münchner früher Weihnachten | ABC-Z
München – Manches ist, wie es immer war. Christbaum, Lametta, Gänsehaut, wenn alle “Stille Nacht” singen. Das haben auch unsere Großeltern, Urgroßeltern und die davor schon so gemacht. Und doch war vieles anders für die Kinder von früher. Plätzchen erst an Heiligabend? Ein Vater, der die Puppenküche noch selber zimmert? Ein Teddybär für zehn Geschwister? Hier erzählen uns vier Münchnerinnen davon.
Rosina Schelle (88) denkt gern an frühere Weihnachten in Milbertshofen zurück
“Am Tag von Heiligabend wurde ich zur Nachbarin gebracht, damit ich nichts von den Vorbereitungen mitbekomme. Weihnachten war immer ganz geheimnisvoll für mich. Die Spannung, was das Christkind bringt, war kaum auszuhalten. Mein Papa hat an besonderen Anlässen wie an Weihnachten immer selber fotografiert. Auf einem Foto sieht man, wie ich einen Puppenwagen bekomme, ach war der schön!
Ein anderes Mal habe ich eine Puppenküche geschenkt bekommen. Die hat mein Papa selber gebastelt, der war handwerklich sehr geschickt. Während dem Krieg hat er mir an Weihnachten ein Fahrrad geschenkt. Ich weiß nicht, wie er das gemacht hat, aber er hat irgendwo Reifen und einen alten Rahmen aufgetrieben und alles selbst zusammengebastelt.
Rosina Schelle wusste als Kind genau, wo die Plätzchen versteckt waren
Nach der Bescherung haben wir gegessen. Es gab nicht immer viel, aber wenn es gut lief, gab es eine Schweinshaxe und dazu Knödel und Salat. Meine Tante Gretel hat in der Metzgerei gearbeitet, da hatten wir gute Chancen. Und einmal hat die Mama vom Markt zwei Spanferkel gekauft. Die waren dann eine Zeit in unserem Gartenhäuserl, bis sie kurz vor Weihnachten geschlachtet wurden.
In der Adventszeit hat meine Mama mit mir Platzerl gebacken, die sie dann versteckt hat. Die sollten erst an Weihnachten auf den Tisch kommen. Aber ich habe gewusst, wo sie versteckt waren, und da habe ich mir freilich welche genommen.
Rosina Schelle über den Nikolaus-Tag in der Kinderklinik: “Ach, war das wunderschön!”
Eigentlich waren alle Weihnachten schön, aber an eine Adventszeit erinnere ich mich besonders gerne zurück. Ich war ein halbes Jahr in Aschau in der Kinderklinik, weil ich an Knochentuberkulose erkrankt war. Die Schwestern haben sich große Mühe gegeben uns eine schöne Zeit zu machen, wie zum Beispiel an Nikolaus.
Am Abend, als es schon dunkel war, haben sie uns in unseren Betten auf den Balkon geschoben. Da haben wir gesehen, wie vom Wald der Nikolaus in weißer Kutsche zur Klinik herunter gefahren kam. Er ist durchs Haus gegangen und jeder hat ein Sackerl bekommen. Ach, war das wunderschön! Den Tag werde ich nie vergessen und auch Weihnachten war großartig dort.”
Zwei Bewohnerinnen des Evangelischen Pflegezentrums in Sendling erinnern sich
Antonie Mayer (97) aus Laim: “Weihnachten lief immer so ab: Das Warten auf das Christkind war aufregend. Den Baum (mit echten Kerzen) durften wir vor der Bescherung nicht sehen, es war eine Überraschung. Dann wurde mit Glocken geläutet und alle durften den Baum bestaunen und haben gesungen.
Puppen waren ein heiß begehrtes Geschenk. Hinterher gab’s Punsch und Plätzchen. Die gab’s vor Heiligabend nicht. Um 12 Uhr sind wir in die Mette gegangen in St. Ulrich. Mit meinen Kindern habe ich die Tradition fortgeführt. Heute steht in meinem Zimmer eine Krippe, die ist ungefähr 150 Jahre alt.
Meine Enkel haben mir zwei Figuren aus Südamerika mitgebracht, die habe ich dazu gestellt. An Heiligabend gehe ich zu meinen Kindern und ich freue mich, dass wir so feiern wie früher: Wir werden singen und einen Punsch trinken.”
Die 95-Jährige Hildegard Bäumer schwärmt: “Mama war eine gute Köchin”
Hildegard Bäumer (95) aus Schwabing: “Nachmittags war die Bescherung, das war damals bescheiden. Es gab ein schönes Abendessen, meistens Schweinebraten und Leberknödelsuppe, Mama war eine gute Köchin. Dann haben mein Bruder und ich uns hingelegt und geschlafen.
Für die Christmette um Mitternacht in St. Joseph wurden wir aufgeweckt. Manchmal war es dort so kalt! Zuhause gab’s dann einen heißen Punsch zum Aufwärmen. Damals ging alles in die Kirche in der Nacht – in Schwabing haben viele Künstler und Sänger gewohnt, die haben dort gesungen. Das war wunderschön.
Das Wichtigste war das gute Essen. Am Spätnachmittag gab es einen Teller mit Orangen, Nüssen und Lebkuchen. Den Christbaum haben wir nach dem Mittagessen geschmückt. Da denkt man gerne zurück. Wir haben viel gesungen, aber mein Bruder durfte nicht, weil er so falsch gesungen hat. An Heiligabend kommt mich meine Tochter besuchen, sie bringt Punsch mit und wir essen Weißwürste. Ich freue mich besonders, dass sie da ist.”
Maria Sohn (76) aus Laim feiert in den 1950er Jahren mit einer Großfamilie
“Ein Leben mit neun Geschwistern kann sich heute wohl keiner mehr vorstellen. Meine Mutter war 21, als das erste Baby, mein Bruder Hans, zur Welt kam, das war kurz nach Kriegsende 1946. Zwei Jahre später kam ich. Und dann, wie die Orgelpfeifen, Linda, Elisabeth, Gisela, Hildegard, Wilhelm, Brigitte, die Nachzügler Matthias und Andreas.
Ich bin seit den Siebzigerjahren Münchnerin, aber mein Elternhaus steht in Hessen. Unser Vater hat im Braunkohlebergbau mit der Spitzhacke Akkord gearbeitet, um uns alle satt zu bekommen. Unser Glück war, dass wir ein Haus hatten, mit einem Garten, in dem meine Mutter Gemüse gezogen und Hühner, Gänse und ein Schwein gehalten hat.
Maria Sohn: “Im Jahr 1958 hat das Christkind meinen größten Wunsch erfüllt”
Natürlich haben wir Kinder uns alles geteilt. Die Zimmer, die Kleider, die Schuhe. Wir hatten einen Teddybär für alle, einen Ball, einen Schlitten, ein paar Kufen zum Eislaufen und einen Spielherd zum Kochen. Darum ist es für uns auch normal gewesen, dass das Christkind zwar für jedes Kind etwas zum Anziehen gebracht hat, eine Mütze, ein paar Handschuhe oder Socken. Aber immer nur einer von uns fand ein Spielzeug unter dem Christbaum.
Ich weiß noch, wie meine kleine Schwester Linda 1957 ihr Fahrrad bekommen hat, weil sie die sportlichste von uns war. Mit dem sind wir dann alle durchs Dorf gefahren. Im Jahr danach, 1958, hat das Christkind dann meinen größten Wunsch erfüllt: eine Puppe. Sie war groß und steif. Und leider gar nicht geeignet zum Kuscheln und Spielen, das habe ich aber nie laut gesagt.
Als Maria Sohn 16 war, hat ihr Vater ihr etwas ganz Besonderes geschenkt
Das Schönste an Weihnachten waren aber sowieso nie die Geschenke, sondern dass wir alle zusammen unter dem funkelnden Baum gesungen haben. Das ist so ein schönes Gemeinschaftsgefühl, so eine Geborgenheit.
In dem Jahr, als ich 16 wurde, ist aber doch etwas Besonderes passiert. Da hat mir mein Vater zu Weihnachten eine goldene Double-Uhr geschenkt. Die war nur für mich ganz allein. Ich habe diese Uhr immer noch. Das war einmalig in meinem Leben, das ist nie mehr vorgekommen.”