Experte: Jahrelange Vorbereitung: So könnten die Hisbollah-Pager manipuliert worden sein | ABC-Z
Experte: Jahrelange Vorbereitung
So könnten die Hisbollah-Pager manipuliert worden sein
17.09.2024, 22:43 Uhr
Hunderte Pager im Libanon explodieren zeitgleich. Experten vermuten hinter dem beispiellosen Angriff eine von langer Hand geplante Aktion Israels. Die erst vor kurzem von der Hisbollah importierten Pager wurden demnach wohl manipuliert.
Mit der zeitgleichen Explosion hunderter Pager ist der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon ein schwerer Schlag zugefügt worden. Experten sehen in dem beispiellosen Vorfall einen Coup des israelischen Geheimdienstes gegen die schiitische Miliz und ihre Unterstützer in Teheran. Nach Angaben der libanesischen Regierung wurden mindestens neun Menschen getötet und etwa 2800 weitere verletzt, darunter auch der iranische Botschafter in Beirut. Zu den Todesopfern gehört ein junges Mädchen.
Die Hisbollah bevorzugt aus Sicherheitsgründen die Nutzung von Pagern, die eine eigene Funkfrequenz nutzen, statt mit Handys Gefahr zu laufen, dass ihre Kommunikation zurückverfolgt, abgehört oder blockiert wird. Experten vermuten, dass Israel die nun explodierten Funkmeldeempfänger der Hisbollah bereits vor ihrer Lieferung an deren Mitglieder manipulierte, um sie alle am gleichen Tag zu einer bestimmten Uhrzeit zur Explosion zu bringen.
Aus dem Umfeld der Hisbollah erfuhr die Nachrichtenagentur AFP, dass die explodierten Pager erst kürzlich importiert wurden. Die Hisbollah hatte demnach tausend dieser Geräte erhalten, die “an der Quelle sabotiert” worden seien.
Hat Israel extra ein Unternehmen aufgebaut?
Um neue Pager mit Sprengsätzen zu versehen, “hätte Israel Zugang zur Lieferkette dieser Geräte gebraucht”, sagt der in Brüssel ansässige Militär- und Sicherheitsexperte Elijah Magnier. Der israelische Geheimdienst habe also offenbar “den Produktionsprozess infiltriert, eine explosive Komponente und Fernzündemechanismen in die Pager eingebaut, ohne Verdacht zu erregen”. Laut Magnier könnte es sich bei dem Anbieter der Pager sogar um ein Unternehmen gehandelt haben, das der israelische Geheimdienst eigens dafür aufgebaut hat.
Charles Lister von der US-Denkfabrik Middle East Institute sagt: “Das war mehr als Lithium-Batterien, die außer Kraft gesetzt wurden.” Vielmehr sei höchstwahrscheinlich an der Batterie eine kleine Menge Plastiksprengstoff eingebaut worden, das durch einen Telefonanruf oder ein Funksignal zur Explosion gebracht werden konnte.
“Der Mossad hat die Lieferkette infiltriert”, schlussfolgert Lister mit Blick auf den israelischen Geheimdienst. Für den in Dubai ansässigen Analysten Riad Kahwaji steht fest, dass eine Fabrik in Israels Besitz “diese Sprengsätze hergestellt und geliefert hat, die heute explodiert sind”.
Analyst vermutet monatelange Vorbereitungszeit
Der ehemalige CIA-Analyst Mike DiMino von der US-Denkfabrik Defense Priorities kommentierte im Onlinedienst X unter Berufung auf Bilder von den Verletzungen im Libanon, ein “sehr kleiner Sprengsatz” in den Pagern und nicht das Überhitzen der Batterie sei die wahrscheinlichste Explosionsursache. “Das war ein klassischer Sabotage-Einsatz”, schreibt DiMino – und dessen Vorbereitung habe wahrscheinlich “Monate, wenn nicht Jahre” gedauert.
Mit der Tötung des Hisbollah-Militärchefs Fuad Schukr bei einem Luftangriff am 30. Juli hatte Israel bereits bewiesen, dass es sich genaue Informationen über den Aufenthaltsort eines mächtigen Hisbollah-Anführers verschaffen kann. Nur einen Tag später wurde der Hamas-Chef Ismail Hanija bei einem Besuch in Teheran durch einen Sprengsatz getötet, den Israel dort schon Wochen zuvor platziert haben soll.
Die libanesische Miliz hat Israel bereits “für diese sündhafte Aggression” verantwortlich gemacht. Die internationale Gemeinschaft könne sich nach diesem Angriff durch die “israelische Terrormaschine” nicht mehr mit Erklärungen zufriedengeben, in denen solche Handlungen verurteilt und angeprangert würden, sagte der mit der Hisbollah verbündete Parlamentsvorsitzende Nabih Berri. Israel, das sich generell nicht zu Aktionen der Sicherheitsbehörden außerhalb des Landes äußert, hat dies bislang weder bestätigt noch dementiert. In Gedenken an die Opfer und aus Protest sollen Schulen und Universitäten im Libanon am Mittwoch geschlossen bleiben.