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Exogene Schocks treffen VW: Die Pfeiler des deutschen Wohlstandmodells brechen weg | ABC-Z


Exogene Schocks treffen VW

Die Pfeiler des deutschen Wohlstandmodells brechen weg

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Volkswagen kündigt drastische Sparmaßnahmen an – sogar Entlassungen und Werkschließungen sind nicht ausgeschlossen. Doch nicht nur VW steckt in der Krise. Das Wohlstandsmodell Deutschlands ist akut bedroht.

Die Führung des VW-Konzerns will die Jobgarantie aufkündigen und weit härter sparen – sogar die Schließung oder der Verkauf eines oder mehrerer Werke in Deutschland stehen im Raum. Die Schockwellen, die diese Nachricht auslöste, reichten weit über Wolfsburg, Emden und Hannover hinaus. Es geht um Marktanteile und Umsätze, die wegbrechen; um Jobs, die gefährdet sind; um Know-how, das verloren gehen könnte. Doch die Brisanz der Krise von Volkswagen, die sich im Übrigen lange angekündigt hat, steckt noch wesentlich tiefer – mit einem Mal wird ganz konkret, was viele schon geahnt und befürchtet haben: Das Wohlstandsmodell Deutschlands ist akut bedroht.

Bevor nun alle einmal mehr auf Berlin schimpfen, sei kurz festgehalten: Dieses Modell beruhte im Wesentlichen auf drei Pfeilern, die alle zunächst wenig mit Politik zu tun haben. Technische Exzellenz in wichtigen Branchen und Märkten; ein kluger Kostenmix aus heimischer und weltweiter Produktion, vorzugsweise in deutlich günstigeren Regionen der Erde; und eine perfekt laufende, weltumspannende Liefer- und Produktionskette. Diese drei Prinzipien bildeten die Basis für das zweite deutsche Wirtschaftswunder, die drei goldenen Jahrzehnte der Globalisierung vom Anfang der 1990er Jahre bis zum Corona-Schock im Frühjahr 2020.

All die notorischen Widrigkeiten und Nachteile eines kleinen und alternden Landes wie Deutschland – wenig heimische Rohstoffe, relativ hohe Löhne und Gehälter, eine hohe Regulierungsdichte und anspruchsvolle Bürokratie, vergleichsweise hohe Steuern und Abgaben bei einer absehbar schrumpfenden Bevölkerung – all dies ließ sich so lange elegant ausgleichen: Deutsche Unternehmen eroberten einfach die Welt. Wer Mitte der 2000er Jahre in Peking oder Schanghai über eine Straßenkreuzung lief, konnte es nicht übersehen: Deutsche Automarken stauten sich in langen Reihen auf den Straßen, auch große und teure. Allen voran aber fuhr Volkswagen. Marktführer über alle Anbieter, mehr als 25 Prozent des Umsatzes und noch mehr Gewinn entstanden über viele Jahre ausgerechnet in der kommunistischen Volksrepublik.

Alle drei Prinzipien sind in den vergangenen Jahren ins Wanken geraten: Deutsche Autos gelten gerade in China nicht mehr als Nonplusultra des Automobilbaus, im Gegenteil; die globalisierten Produktions- und Lieferketten wurden erst durch ein Virus namens Protektionismus gestört, dann durch ein Virus namens Corona, später kamen noch Kriege und Konflikte hinzu; und der kluge Kostenmix ist heute auch verloren, da Lieferketten nicht mehr funktionieren und sich die Märkte abschotten.

Und die Politik?

Es sind exogene Schocks, die VW in diesen Monaten besonders hart treffen – und sie verbinden sich mit den altbekannten strukturellen Schwächen, die gerade für Industrieunternehmen am hiesigen Standort schon lange galten: Hohe Kosten, eine langsame Bürokratie, zu wenig Investitionen, unsichere politische Rahmenbedingungen, eine demografische Entwicklung, die Innovationen und Technologiesprünge nicht gerade beschleunigt. Nur, dass die alte Ausweichstrategie eben nicht mehr funktioniert.

Eine große Frage lautet nun: Wie viel von der Misere geht auf das Konto der Konzernführung, und wie viel Verantwortung tragen Politiker? Da kein Konzern in diesem Land so politisch und gewerkschaftlich-mitbestimmt geführt wird wie VW – 20 Prozent gehören immer noch dem Land Niedersachsen – stellt sich die Frage hier besonders dringend. Die Antwort darauf aber erinnert an das alle Henne-Ei-Problem: Es ist gar nicht so einfach zu sagen, was zuerst da war, Fehlentscheidungen und falsche Rücksichtnahmen des Managements oder erratische Interventionen der Politik. Bei VW ist irgendwie alles mit allem verwoben, und das macht die Lösung besonders kompliziert.

Fest steht kurz vor Beginn dieses Herbstes 2024 nur zweierlei: Für die Umbrüche in der Weltwirtschaft wird Deutschland einen Preis zahlen, das Wohlstandsmodell des Landes braucht einen Generalumbau. Dies wird kaum ohne harte Einschnitte klappen, und diese werden in jenen Branchen besonders schmerzhaft ausfallen, die in der Vergangenheit besonders profitiert haben: Automobil, Chemie, wahrscheinlich auch in anderen klassischen Ingenieursbranchen. Idealerweise würde so ein Umbau, das ist die zweite Lehre aus dem VW-Debakel, flankiert durch eine Politik, die den Strukturwandel fördert und nicht verzögert oder verunsichert. Durch kluge Reformen sowie durch Anreizsysteme, die Bestand haben und nicht alle sechs Monate wieder über den Haufen geworfen werden.

Angetreten ist die aktuelle Bundesregierung vor bald drei Jahren mit genau diesem Anspruch. Erreicht hat sie leider das glatte Gegenteil. Für die Politik ist es nie zu spät für eine Wende – doch wird die Aufgabe von Woche zu Woche größer.

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