Ex-Sportler will die deutsche Leichtathletik revolutionieren | ABC-Z

Die deutsche Leichtathletik dümpelt international bestenfalls im Mittelmaß. In der Weltrangliste ist Deutschland in den letzten Jahren enorm abgestürzt, in manchen Disziplinen findet der Deutsche Leichtathletik-Verband bei Top-Veranstaltungen überhaupt nicht mehr statt. Der ehemalige Weltklasse-Hammerwerfer Claus Dethloff will den Abwärtstrend mit vielen neuen Ideen stoppen. Es gibt aber erhebliche Widerstände.
Die Nordrhein-Meisterschaften Ende Juni in Duisburg waren für Claus Dethloff und seine Leute sehr erfolgreich. 30 Medaillen räumten die Athleten und Athletinnen von den Cologne und Düsseldorf Athletics ab. Aber es war eben auch nicht ganz billig. 300 Euro zahlt Dethloff für eine Goldmedaille aus, 150 Euro bekommen seine Schützlinge für Rang zwei oder drei.
“Es war ein ganz ordentlicher Batzen. Aber wir zahlen dieses Geld gern. Denn wir betrachten es als eine Investition in die deutsche Leichtathletik”, sagt der 56-Jährige.
Claus Dethloff – streitbarer Macher
Der ehemalige Weltklasse-Hammerwerfer – Dethloff war zu aktiven Zeiten bei WM’s und Olympischen Spielen dabei – gilt als eine der streitbarsten Personen in der deutschen Leichtathletik. Seine Kritik am Zustand “seines” Sports und dem dafür verantwortlichen Deutschen Leichtathletik-Verband ist teils harsch. “Es fehlt uns in der deutschen Leichtathletik an Ideen. Und an dem Mut, mal etwas Neues zu machen”, sagt er.
Um Dinge zu verändern, gründete Dethloff 2021 die Cologne Athletics. Unter der Dachmarke “Germany Athletics” kamen anschließend in Düsseldorf (2023), Ostwestfalen-Lippe (2024) und Frankfurt (2024) drei weitere Standorte hinzu. Auf dem Papier existieren auch schon Athletics in München, Nürnberg, Stuttgart und Leipzig. Aktive können dort ab dem 1. Januar 2026 starten. Die Metropolen Berlin und Hamburg sollen sich ebenfalls dem Franchise anschließen. Schon jetzt sind seine Athleten auffällig erfolgreich.
Tobias Potye – gewechselt nach Köln
Die Athletics – neue Konkurrenz für Platzhirsche
Mit dem Athletics-Franchise entsteht innerhalb der deutschen Vereinsleichtatheltik eine ganz neue Konkurrenz – etablierte Vereine aus Leverkusen, München, Frankfurt, Dortmund, Halle oder Wattenscheid verlieren gerade Top-Athleten und damit auch Medaillen. Unter anderem sind die Top-Hochspringer Tobias Potye und Imke Onnen nach Köln gewechselt, zuletzt kam auch Top-Sprinterin Alexandra Burghardt.
Kritik kommt aus München: “Konkurrenz kann produktiv sein – wenn sie fair ist. In diesem Fall erleben wir jedoch ein Modell, das versucht, sich einen Vorsprung durch den Zugriff auf bereits fertig entwickelte Athleten und Athletinnen zu verschaffen”, kritisiert Julia Riedl, Geschäftsführerin der LG Stadtwerke München. “Die Rekrutierung etwa von unseren Top-Athleten Yannick Wolf oder Tobias Potye im letzten Jahr geschah ohne unsere Beteiligung, Abstimmung oder Unterstützung der bisherigen Strukturen, die deren Entwicklung ermöglicht haben”, so Riedl gegenüber der Sportschau.
“Athleten sollten im Mittelpunkt stehen”
In Dethloffs Augen passierte nichts Unrechtes. “Die Aktiven sind auf uns zugekommen, wollten wechseln. Wir sind der Meinung, dass die Aktiven, also die Athleten und deren Trainer im Mittelpunkt des Vereins stehen und bestmöglichst unterstützt werden sollten”, sagt er. Daran habe es in den vergangenen Jahren und bei anderen Vereinen gefehlt. Zuviel Geld sei in Administration und Verbände und zu wenig in Athleten und Trainer investiert worden – so die Überzeugung von Dethloff.
Ein Kritikpunkt an Dethloffs System ist, dass seine Athletics in den Städten auf die Nutzung bestehender Infrastruktur angewiesen sind. Man besitzt ja keine eigenen Sportanlagen. Entsprechend zurückhaltend sieht man das Franchise-Konstrukt Dethloffs beim Deutschen Leichtathletik-Verband: “Auch in der Vergangenheit sind immer wieder neue Vereine mit neuen Förderkonzepten entstanden. Es wird interessant sein zu beobachten, wie die Interaktion zwischen traditionsreichen und neuen Vereinen untereinander und mit den Landesverbänden gestaltet wird”, lässt die stellvertretende Mediendirektorin Silke Bernhart die ARD-Sportschau wissen.
Leichtathletik-Liga für mehr Medien-Präsenz
Dethloffs hat noch einen zweiten Plan im Köcher: die Gründung einer Art Leichtathletik-Liga. Einer Wettkampf-Serie, in der deutsche Städte gegeneinander antreten und am Ende einen Deutschen Meister küren. “Das, was hier in Deutschland an Leichtathletik-Events angeboten wird, ist nicht attraktiv, es gibt viel Leerlauf und das Regelwerk ist zu kompliziert.” Er nennt ein Beispiel: “Zum Beispiel der Hochsprung: Kein Zuschauer weiß, wie viele Sprünge ein Springer hat und warum später das Ranking so ausfiel. Die Darstellungsform ist einfach nicht attraktiv.”
Dethloff: “Ich denke, ein Ligasystem mit Wettkämpfen in überschaubaren zeitlichen Abständen, wo auch der Streaming-Dienstleister professionell wirkt, täte dieser geilen Sportart einfach gut.”
Deutschlands Hochspringerin Imke Onnen jubelt jetzt für Köln.
DLV reagiert verhalten
Auch hier: Der Deutsche Leichtathletik-Verband reagiert eher schmallippig: “Bei Überlegungen zu neuen Wettkampfformaten gilt es, einen echten Mehrwert für die Leichtathletik zu erzielen und dabei stets die Rahmenbedingungen zu beachten, die die Deutsche Leichtathletik-Ordnung vorgibt”, so Bernhart.
Unterstützung erfährt Dethloff aber zumindest bei dieser Idee von einem weiteren Konkurrenten, der LG Olympia Dortmund: “Es ist offenkundig, dass wir in der deutschen Leichtathletik starke strukturelle Probleme haben”, sagt Michael Adel, Vorsitzender der Dortmunder. Eine solche Serie könne tatsächlich helfen, die deutsche Leichtathletik sichtbarer und damit für Sponsoren wieder interessanter zu machen.
“Die Zeit drängt. Es muss etwas passieren!”
Aber Adel glaubt an ein tiefer liegendes Problem: “Wir haben immer weniger Kinder und Jugendliche, die sich für die Leichathletik entscheiden. Da ist es rein rechnerisch klar, dass am Ende auch weniger Spitzenathleten aus der Förderung herauskommen, als noch vor Jahren. Dieses Problem wird durch die Gründung neuer Vereine nicht so einfach gelöst.”
Dethloff findet: Die Zeit drängt. “Es muss etwas passieren. Noch ist die Leichtathletik hinter Fußball die zweitbeliebteste TV-Sportart in Deutschland. Das wird nicht mehr lange so sein, wenn wir nicht schleunigst unsere Strukturen verändern.”
“Brauchen Geld aus der Wirtschaft”
Er ist der Überzeugung: “Wollen wir international wieder mehr Medaillen holen, brauchen wir eine viel intensivere Förderung des Hochleistungssport. Die Top-Athleten und deren Trainer brauchen bessere Bedingungen.” Er ist sicher: “Dafür brauchen wir Geld, das aus der Wirtschaft kommen muss. Um für Sponsoren aber attraktiv zu werden, brauchen wir mehr als einmal im Jahr eine WM und alle vier Jahre Olympische Spiele.”